Erbschaftsteuerreform: Der Kompromiss – Was der Koalitionspoker für Unternehmen noch bewirkt hat

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Eine Wertbegrenzung im vereinfachten Ertragswertverfahren, ein Vorab-Abschlag bei der Bewertung für Familienunternehmen, dafür ein stark eingeschränktes Abschmelzmodell und eine Verschärfung beim begünstigten Finanzvermögen – das ist der Kompromiss für eine Reform der Betriebsvermögensbegünstigung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, den  die Spitzen von CDU/ CSU und SPD zusammen mit Bundesfinanzminister Schäuble ausgehandelt und am 20. Juni 2016 bekannt gegeben haben.

  

Spät, beinahe zu spät und kaum noch erwartet kommt diese Einigung nach dem anhaltenden Poker um die weitere steuerliche Entlastung der Unternehmensnachfolge seit Vorlage des sehr restriktiven Gesetzesentwurfs durch Bundesfinanzminister Schäuble vor einem Jahr. Nunmehr wurde der erzielte Kompromiss in einem ersten Entwurf in den Gesetzestext eingearbeitet, und das Gesetz soll schnellstmöglich vom Bundestag verabschiedet werden – mit der letzten Chance für eine Zustimmung im Bundesrat vor der Sommerpause. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 dem Gesetzgeber eine Frist für die Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 gesetzt. Zwar wird der Bundesrat erst auf seiner letzten Sitzung am 08. Juli 2016 die Erbschaftsteuerreform endgültig beschließen können, jedoch ist eine Rückwirkung der neuen Regelungen auf den 01. Juli 2016 vorgesehen.

 
Die vom BVerfG gestellte Frist nur knapp verfehlt, die totale Blamage einer Nicht-Einigung verpasst – kann die Große Koalition jetzt stolz sein? Nur dann, wenn sie endlich verfassungskonforme Regelungen zur schonenden Behandlung der Unternehmensnachfolge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer gefunden hätte.

  
Das aber darf bezweifelt werden. Auch das reformierte Gesetz wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder auf dem Prüfstand des BVerfG landen – angesichts der Komplexität der Regelungen mit höchst unsicherem Ausgang für den Gesetzgeber. Und: Für viele Inhaber, gerade von erfolgreichen Familienunternehmen, wird es deutlich teurer werden, einen Nachfolger aus der Familie an Bord zu holen. Ein schlechtes Zeugnis für die aktuelle Steuerpolitik in Deutschland.

 

Diese Änderungen gegenüber dem Gesetzesentwurf vom 08. Juli 2015 beinhaltet die Einigung der Großen Koalition:

  • Vereinfachtes Ertragswertverfahren: Anpassung des Kapitalisierungsfaktors auf eine Bandbreite zwischen 10 und 12,5. Erreicht wird dies durch Einführung eines begrenzenden Korridors von 3,5 bis 5,5 Prozent, in dem der Basiszinssatz schwanken kann. Damit wird der anhaltenden Niedrigzinsphase und der daraus resultierenden systemimmanenten Überbewertung von Unternehmen Rechnung getragen. Das führt zu um ca. 30 Prozent geringeren Unternehmenswerten. Zum Vergleich: der aktuelle Kapitalisierungsfaktor für 2016 beträgt 17,8571. Eine Erleichterung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, die eine Unternehmensbewertung nach IDW S 1 nicht durchführen müssen und wollen. Große Unternehmen werden von der Finanzverwaltung regelmäßig auf die Durchführung einer Unternehmensbewertung verwiesen, bei der der Kapitalisierungszinssatz individuell und ohne Bindung an Vorgaben des § 203 BewG festgelegt wird.
     
  • Begünstigtes Vermögen: Rückkehr zum Verwaltungsvermögensbegriff mit Modifikationen.
    Die nun beschlossene Abkehr von der Definition des begünstigten Vermögens über den Hauptzweck, wie sie das BMF vorgeschlagen hatte, entspricht nicht nur dem Petitum der Wirtschaft, sondern auch einer Forderung des Bundesrates. Die Definition des Verwaltungsvermögens bleibt weitgehend erhalten. Damit werden auch Betriebsaufspaltungen, Betriebsverpachtungen, Vermietungen im Konzern, Beteiligungen und  Wertpapiere von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen weiterhin als begünstigtes Vermögen qualifiziert.
     
  • Auch Wohnungsunternehmen haben wie bisher Anspruch auf eine Betriebsvermögensbegünstigung. Damit ist der drohende Ausschluss dieser Unternehmen  vom Tisch, der sich aus der im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthaltenen Neudefinition des begünstigten Vermögens ergeben konnte.
     
  • Beteiligungen an Drittlandsgesellschaften, die von einer EU-Kapitalgesellschaft gehalten werden, bleiben weiterhin begünstigt. Deren Ausschluss aus der BV-Begünstigung drohte nach der vorgesehenen Positiv-Definition des Betriebsvermögens im ursprünglichen Gesetzentwurf. Dass diese Beteiligungen weiterhin an der Verschonung teilnehmen, ist indes keine beachtliche Errungenschaft des Koalitionspokers: Aus Sicht der betroffenen Unternehmen ist dies eine zwingende Befreiung, drohte doch andernfalls im Rahmen der Globalisierung zwingend notwendiges Betriebsvermögen ungemildert besteuert zu werden.
     
  • Die Begünstigung von Finanzmitteln wird eingeschränkt. Künftig sind nur noch Netto-Finanzmittel (nach Abzug der Schulden) bis zu 15 Prozent des Unternehmenswerts begünstigt. Bisher lag diese Grenze bei 20 Prozent. Darüber hinausgehende Finanzmittel werden in die Ermittlung des Verwaltungsvermögens einbezogen. Die bisherige Sonderregelung für Finanzierungsgesellschaften fällt ersatzlos weg. Die Auswirkungen könnten allerdings aufgrund der neu eingeführten konsolidierten Ermittlung des Verwaltungsvermögens im Konzern begrenzt sein.
     
  • Weitere Modifikationen bei Ermittlung des begünstigten Vermögens:

    10 Prozent „Schmutzzuschlag” auf den Nettowert des begünstigten Betriebsvermögens für Verwaltungsvermögen, das als steuerunschädlich von der Verschonung mit umfasst wird.
     
    Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen:  Im Todesfall soll Verwaltungsvermögen, das nach einem vorgefassten Plan des Erblassers innerhalb von zwei Jahren einem betrieblichen Zweck innerhalb des übertragenen begünstigungsfähigen Vermögens zufließt, verschont bleiben. Begünstigt sind zum einen Investitionen in Vermögensgegenstände, die unmittelbar einer originär gewerblichen Tätigkeit dienen und kein Verwaltungsvermögen sind, zum anderen werden Lohn- und Gehaltszahlungen bei wiederkehrend saisonal schwankender Einnahmensituation erfasst. Voraussetzung ist weiterhin, dass keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird. Diese Erleichterung fällt aus Sicht der Wirtschaft wegen ihrer einschränkenden Kriterien, insb. der notwendigen Vorfestlegung durch den Erblasser,  enttäuschend aus.
     
    Grundstücke, die für Absatzzwecke eigener Produkte überlassen werden, werden begünstigtes Vermögen. Dies eröffnet in verschiedenen bisher benachteiligten Branchen die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigung, z.B. bei Verpachtung von Brauereigaststätten, markeneigenen Tankstellen und in der Logistikbranche.

 

Altersversorgungsverpflichtungen sollen begünstigt werden. Voraussetzung ist, dass das Deckungsvermögen dem Zugriff dritter Gläubiger entzogen ist. Das Deckungsvermögen gehört in diesem Fall nicht zum Verwaltungsvermögen. Es wird vorab mit den entsprechenden Verpflichtungen verrechnet, eine Unterdeckung geht in die Schuldensaldierung zunächst des Finanzvermögens und anschließend in die allgemeine Nettoberechnung des Verwaltungsvermögens ein.
 
Die Beschränkung auf separiertes Deckungsvermögen ist zu eng angelegt und wird die Probleme der meisten Unternehmen aus der Qualifizierung des nicht separierten Deckungskapitals als nicht begünstigt und der steuerlichen Unterbewertung der korrespondierenden Verpflichtungen nicht beseitigen.
  • Beträgt das Verwaltungsvermögen mehr als 90 Prozent des gesamten Betriebsvermögens, scheidet eine Betriebsvermögensbegünstigung insgesamt aus. Der Gesetzesentwurf sah noch die vollständige Abschaffung solcher Verwaltungsvermögensgrenzen vor, weil sie durch das BVerfG kritisiert worden waren.
     
  • Die Lohnsummenprüfung soll erst ab einer Unternehmensgröße von mehr als fünf Arbeitnehmern greifen. Entsprechend wird die erste Gleitzone für die abgesenkten Mindestlohnsummen angepasst. Klargestellt wird, dass Saisonarbeitnehmer bei der Mitarbeiterzahl nicht mitzuzählen sind.
     
  • Erleichterungen bei erhöhter Kapitalbindung in Familienunternehmen
    Das bisherige Konzept – Erhöhung der Schwellenwerte für große Unternehmen, die einer Verschonungsbedarfsprüfung unterliegen, von 26 Mio. auf 52 Mio. Euro  –  wird ersetzt durch einen Vorab-Abschlag auf das begünstigte Vermögen von maximal 30 Prozent, abhängig von der Höhe der Beschränkung in der satzungsmäßigen Abfindungsregelung. Um als Familienunternehmen zu gelten, müssen weiterhin bestimmte qualitative Kriterien kumulativ erfüllt werden (Entnahme-/Ausschüttungs-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen). Hierbei gibt es aber Erleichterungen: jegliche Ausschüttungsbeschränkung und Beschränkung der Abfindung sind ausreichend, bei beschränkter Übertragbarkeit werden Mitgesellschafter und Familienstiftungen als zulässige Erwerber einbezogen und die maßgebenden Fristen für diese Kriterien werden verkürzt (2 Jahre vor / 20 Jahre nach Übertragung). Dagegen werden Unternehmen, die rechtsformbedingt solche Beschränkungen nicht umsetzen können, wie Einzelunternehmen oder Familien-AGs, von diesen Erleichterungen ausgeschlossen bleiben. Hier wurden Forderungen der CDU/CSU eingebunden, die Erleichterungen für Familienunternehmen zum Inhalt haben, um den Mittelstand in Deutschland zu erhalten. Der Vorab-Abschlag soll nach den politischen Bekundungen wie ein allgemeiner Bewertungsabschlag für Familienunternehmen wirken. Der Anwendungsbereich dieser Erleichterung wird gegenüber dem Gesetzesentwurf zwar gesteigert, eine Annäherung der Kriterien an die Realität in deutschen Familienunternehmen hätte jedoch noch viel weitergehend sein müssen. Wer als „großes“ Unternehmen (bereits ab Wert > 26 Mio. EUR!) die Anforderungen nicht erfüllt, für den wird es gegenüber dem Gesetzesentwurf deutlich teurer.
     
  • Im Gegenzug kommt es zu einer drastischen Einschränkung des Abschmelzmodells: 
    Beginn bereits bei einer begünstigten Übertragung, die die jetzt einheitliche Prüfgrenze  von 26 Mio. EUR überschreitet.
      
    Wegfall der Sockelverschonung (bisher 20/35 Prozent des Wertes im Regel-/Optionsmodell), so dass die Abschmelzung bis auf eine Begünstigung von 0 erfolgt.
     
    Die Abschmelzung erfolgt schneller und „steiler“ als bisher geplant: um 1 Prozentpunkt je 0,75 Mio. Euro (der Gesetzesentwurf sah noch eine Schwelle von 1,5 Mio. Euro vor), um die der Schwellenwert für große Unternehmen von jetzt einheitlich 26 Mio. Euro überschritten wird (lt. Gesetzesentwurf sollte für Familienunternehmen mit Kapitalbindung die Abschmelzung erst bei 52 Mio. Euro beginnen). Ab einem Wert der Übertragung von 90 Mio. Euro soll im Optionsmodell die Abschmelzung völlig entfallen und kein Verschonungsabschlag mehr gewährt werden.

    Das ist ein Zugeständnis an die SPD, der das ursprünglich vorgesehene Abschmelzmodell wegen der weiteren Begünstigung von Großunternehmen ohne erhöhte Voraussetzungen durch den Sockelbetrag ein Dorn im Auge war. Betroffen sind vor allem große Unternehmen deren Wert den neuen Abschmelzbereich bis nunmehr 90 Mio. EUR überschreitet und die die Qualifikation als Familienunternehmen nicht erreichen können, denn bei ihnen wird die Unternehmensnachfolge demnächst, abgesehen von einer Begünstigung nach Verschonungsbedarfsprüfung, ungemildert besteuert werden.
     

  • Ausdehnung der erweiterten Stundungsregelung (Rechtsanspruch auf voraussetzungslose zinsfreie Stundung über 10 Jahre) für anfallende Erbschaftsteuer auf begünstigtes Vermögen, unabhängig von Inanspruchnahme irgendeiner Verschonung; jedoch bleibt sie auf den Todesfall beschränkt, Schenkungen fallen weiterhin nicht darunter. Zudem soll die Stundung an die Einhaltung nicht nur der Haltefristen, sondern auch der Mindestlohnsumme gebunden sein.
     
  • Die Neuregelungen sollen auf Erwerbe Anwendung finden, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht. Aktuell noch laufende bzw. noch nicht abgeschlossene Schenkungsvorgänge, für die die bisherige Begünstigung noch in Anspruch genommen werden soll, müssen daher so gestaltet werden, dass die Entstehung der Steuer, insbesondere also die Ausführung der Zuwendung, bis zum 30. Juni 2016 gewährleistet ist. Dies kann insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn im Schenkungsvertrag aufschiebende Bedingungen vereinbart sind, z.B. Eintragung in das Handelsregister bei Übertragung einer Kommanditbeteiligung.
     
    Die Einführung eines begrenzten Zinskorridors im vereinfachten Ertragswertverfahren soll dagegen bereits für Übertragungen anwendbar sein, die nach dem 31. Dezember 2015 und damit noch nach „altem“ Recht stattfinden.
     
    Und die Übergangsregelung enthält noch einen interessanten Hinweis: für die zukünftige Zusammenrechnung von Übertragungen zur Prüfung der Größenschwelle von 26 Mio. Euro werden frühere Erwerbe, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht, berücksichtigt. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass bisher stattgefundene Übertragungen, soweit sie endgültig vollzogen sind, im neuen Recht für die Betriebsvermögensbegünstigung keine Rolle spielen.

  
Viele dieser Punkte waren aus dem Kompromisspapier der Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD im Bundestag vom Februar 2016 bereits grundsätzlich bekannt. Dem aber wollte die CSU in München nicht zustimmen und forderte weitere Verbesserungen für die Unternehmen.

  

Was konnte durchgesetzt werden – und was hat das gekostet?

Erleichterungen:

  • Nochmalige Einschränkung der Lohnsummenprüfung, die nunmehr erst ab mehr als fünf Arbeitnehmern greift. Es ist zu erwarten, dass hierdurch eine beachtliche Zahl von Unternehmen aus der Lohnsummenprüfung herausfällt, was die Bürokratiekosten und finanziellen Risiken einer Unternehmensnachfolge gerade bei kleinen Unternehmen weiterhin begrenzt.  Von großer Relevanz kann auch der Verzicht auf den Einbezug von Saisonarbeitern werden, z.B. in der Landwirtschaft, aber auch im saisonbedingten Dienstleistungsgewerbe.
     
  • Die geforderte Erweiterung der Investitionsklausel wurde teilweise erreicht. Für die Investition von im Besteuerungszeitpunkt vorhandenem nicht begünstigtem Vermögen wird die Frist von einem auf zwei Jahre verlängert. Die Durchsetzung einer Investitionserleichterung auch bei Schenkungen ist jedoch gescheitert. Die Investition muss auch weiterhin durch den Erblasser festgelegt worden sein.
     
  • Die von der CSU geforderte Klarstellung von Drittlandsbeteiligungen  als begünstigtes Vermögen wurde vereinbart. Dies schützt den international ausgerichteten Mittelstand vor einer weiteren Verschärfung der Besteuerung, die ohne Vorgabe durch das BVerfG durch den Gesetzesentwurf drohte.
     
  • Die Ansammlung von Deckungsvermögen für Altersversorgungsverpflichtungen wird begünstigt. Die Beschränkung auf separiertes Deckungsvermögen wird die Anwendungsfälle jedoch gerade im Mittelstand begrenzt halten.
     
  • Keine Änderung wurde beim Vorweg-Abschlag durchgesetzt: die Einbeziehung von  Einzelunternehmern und Familien-AGs, die die Bindungskriterien aufgrund ihrer Rechtsform nicht erfüllen können, wurde abgelehnt, ebenso bleibt die unverhältnismäßig lange Nachfrist von 20 Jahren erhalten. Zudem wird der Vorweg-Abschlag nicht, wie von der CSU gefordert, als allgemeiner Bewertungsabschlag ausgestaltet, sondern nur auf das begünstigte Vermögen bezogen, so dass sich bei Inanspruchnahme von Options- oder Regelverschonung keine oder nur geringe Erleichterungen ergeben.
     
  • Kein Gehör fand die Forderung nach einer Entschärfung der Verschonungsbedarfsprüfung. Auch das bereits beim Erwerber vorhandene Privatvermögen muss zu 50 Prozent für die Erbschaftsteuer auf das begünstigte Vermögen eingesetzt werden. Ebenfalls verbleibt es bei der Berücksichtigung späterer unentgeltlicher Erwerbe innerhalb der Behaltensfrist, auch soweit sie nicht vom Übertragenden, sondern einem Dritten stammen.
     
  • Schließlich wird es auch keine Ausdehnung der erweiterten Stundungsregelung auf Schenkungen geben.
     
  • Ohne Aussicht auf Erfolg war von vornherein die Forderung, den Vorab-Abschlag und die erweiterte Stundung auf nicht-begünstigtes Vermögen auszudehnen.

 
Der Preis, den die SPD für diese Zugeständnisse ausgehandelt hat: die Höhe des mit-begünstigten Finanzvermögens wird von 20 Prozent, wie im Gesetzesentwurf vorgesehen, auf 15 Prozent reduziert des Unternehmenswerts. Das trifft alle Unternehmen, auch kleine und mittelgroße Unternehmen, da Finanzmittel, die diese Grenze überschreiten, als Verwaltungsvermögen der ungemilderten Besteuerung unterliegen. Aber auch die Einführung einer Kappungsgrenze bei 90 Mio. Euro beim Abschmelzmodell mit Optionsverschonung (zuvor war ein Auslaufen bei 99 Mio. Euro diskutiert worden) sowie die Wiedereinführung einer Verwaltungsvermögensgrenze stellen Verschärfungen gegenüber den Kompromissvorschlägen von CDU und SPD vom Februar 2016 dar.

  
Mit Spannung wird erwartet, ob die Bundesländer, denen die Erbschaftsteuer ja zufließt, sich am 08. Juli 2016 dem Koalitionskompromiss auf Bundesebene anschließen oder die Erbschaftsteuerreform noch in die endgültig letzte Runde, den Vermittlungsausschuss, schicken werden. Denn auch mit der Zustimmung der Ministerpräsidenten von CDU, CSU und SPD ist eine Mehrheit im Bundesrat nicht gesichert. Bündnis 90/ Die GRÜNEN könnten das Zünglein an der Waage sein, und aus den Diskussionen auf dem Gerechtigkeitskongress der Partei am vergangenen Wochenende wird ersichtlich, dass der jetzige Kompromiss der Regierungsparteien eine sehr gemischte Beurteilung finden wird. Zumal der jetzige Gesetzestext umfangreiche Anregungen des Bundesrates aus seiner Stellungnahme vom 25. September 2015 nicht berücksichtigt.

 
Durch die Einigung von CDU/CSU und SPD steht jedenfalls fest: auf Jahre hinaus ist nunmehr die Chance vertan, Erbschaftsteuer in Deutschland neu zu denken. Weder die von der Wirtschaft mit Unterstützung vieler Fachleute geforderte, im internationalen Vergleich gebotene Abschaffung der Erbschaftsteuer noch der Ruf nach Vereinfachung durch ein flat tax-Modell mit Beseitigung von Ausnahmen und wirklich niedrigen Steuersätzen für alle hat sich durchgesetzt. Steuerpflichtige, Unternehmen, Berater und letztlich die Finanzverwaltung stehen vor einer Herkulesaufgabe, die komplexen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Letztendlich Sicherheit über die Anwendung der neuen Betriebsvermögensbegünstigung wird wieder erst die Rechtsprechung, bis hin zum Bundesverfassungsgericht schaffen. Die Familiennachfolge wird sich für viele Unternehmen (auch) als finanzielle Belastung und Steuerrisiko herausstellen und ihren wirtschaftlichen Rückhalt und damit ihren Aktionsradius deutlich beeinträchtigen. Ein Schaden für die Kultur der Familienunternehmen in Deutschland.

 

zuletzt aktualisiert am 21.06.2016

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