BGH: Kostenkontrolle zur Überprüfung eines Preishöhenmissbrauchs möglich!

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veröffentlicht am 15. August 2012

 

Mit seinem jüngst veröffentlichten Beschluss in Sachen Calw hat der BGH entschieden, dass das von der Landeskartellbehörde in Hessen angewandte Vergleichsmarktverfahren bei der Überprüfung von Wasserpreisen keinen Vorrang gegenüber der Überprüfung der preisbildenden Faktoren hat (Beschluss vom 15. Mai 2012 – KVR 51/11 – OLG Stuttgart).

 

​Diese Methode hatte die Landeskartellbehörde in Baden-Württemberg angewendet und war mit diesem Ansatz zunächst vor dem OLG Stuttgart gescheitert (Beschluss vom 25. August 2011; Az.: 201 Kart 2/11). Für die Überprüfung von Wasserpreisen hat die jüngste Entscheidung erhebliche Bedeutung, weil diese Methode Wasserversorgungsunternehmen grundsätzlich bessere Möglichkeiten zur Rechtfertigung in Kartellverfahren eröffnet.

Ausgangspunkt des Falles ist eine Preissenkungsverfügung der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg gegen die Energie Calw GmbH vom 24. Februar 2011. Die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg hatte darin festgestellt, dass die Wasserpreise in Calw für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 um 35 Prozent zu hoch gewesen seien und eine entsprechende Preissenkungsverfügung erlassen.

Dabei wandte sie entgegen der Vorgehensweise der Hessischen Landeskartellbehörden nicht das sogenannte Vergleichsmarktkonzept an, das sich auf § 103 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung von 1990 (GWB 1990) stützt. Diese Prüfmethode wurde bekanntermaßen durch den BGH bereits im „Fall Wetzlar” anerkannt (Wasser Kompass 2/10). Die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg versuchte dagegen den Nachweis des Preishöhenmissbrauchs über die §§ 19, 32 ff. GWB im Rahmen einer Kostenprüfung zu führen. Dabei wurde eine Alternativkalkulation der Wasserentgelte vorgenommen, die zu geringeren Entgelten führte als die im Untersuchungszeitraum bestehenden Preise und damit die Preissenkungsverfügung der Höhe nach begründet.

Der dagegen gerichteten Beschwerde der Energie Calw wurde mit Beschluss vom 25. August 2011 (Az.: 201 Kart 2/11) Recht gegeben. Das OLG Stuttgart hob die Preissenkungsverfügung der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg auf (Wasser Kompass 4/11). Als Begründung wurde unter anderem angeführt, dass die angewandte Kostenkontrolle im Falle der Existenz von Vergleichspreisen anderer Wasserversorger zwar grundsätzlich möglich, allerdings nur nachrangig zum Vergleichsmarktprinzip sei. Daneben sei die durch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg geforderte umfassende Aufdeckung der Kalkulationsgrundlagen der Energie Calw GmbH nicht mit der Darlegungs- und Beweislast des § 19 GWB vereinbar. Auch die Anlehnung der Kalkulation der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg zum Nachweis eines Preishöhenmissbrauchs an Regelungen zur Kalkulation von Netzentgelten (StromNEV, GasNEV) sei bei der Untersuchung eines Wasserversorgers nicht zulässig.

Gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart legte wiederum die Landeskartellbehörde Rechtsmittel zum BGH ein. Dieses hatte nunmehr Erfolg. Der Beschluss des OLG wurde aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1,4 Nr. 2 GWB müssen nun erneut geprüft werden.

Der BGH führt in jetzt veröffentlichtem Beschluss vom 15. Mai 2012 (KVR 51/11) zur Begründung an, dass eine Vergleichsmarktbetrachtung keinesfalls rechtlichen Vorrang vor der durch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg angewandten Kostenkontrolle habe (Rn.13). So sei der Nachweis zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, wie sie im Falle der Wasserversorgung durch die gebietsmonopolähnlichen Strukturen gegeben ist, durch die Vergleichsmarktmethode „…nicht die einzige Art, wie die Kartellbehörde ermitteln kann, ob der hypothetische Wettbewerbspreis überschritten ist.” Den Behörden und Gerichten stünden andere Methoden zur Feststellung des Preishöhenmissbrauchs nicht nur offen, vielmehr könnte es gerade im Falle der Trinkwasserversorgung angezeigt sein, neben dem Vergleich mit dem günstigsten Monopolpreis (Vergleichsmarktmethode) auch die Überprüfung von Preisbildungsfaktoren (Kostenprüfung) in die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung einzubeziehen. Diese Feststellung könnte andeuten, dass der BGH die Schwierigkeiten der in Hessen angewandten Methode anerkennt und die Rechtfertigungsmöglichkeiten der Wasserversorgungsunternehmen auf diese Weise bewusst stärkt.

Die Beweislast liegt in diesem Fall bei der zuständigen Kartellbehörde (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB). Für den Nachweis, ob ein Unternehmen überhöhte Preise fordert, sei die Ermittlung eines Als-Ob-Wettbewerbspreises zulässig. Dieser folgt dem Grundsatz, dass ein Unternehmen in einem wirksamen Wettbewerbsumfeld zwar stets bestrebt wäre, durch Ausschöpfung von Rationalisierungsreserven und Deckung der zu erwartenden Kosten eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, gleichzeitig aber Abwanderungstendenzen der eigenen Kunden zu Wettbewerbern verhindern muss. Der in diesem Spannungsfeld entstehende Preis sei unter Anwendung von „einschlägigen und gegebenenfalls weiterzuentwickelnden Theorien” (Rn. 15) bei Hinzurechnung angemessener Sicherheitszuschläge dem vermeintlich überhöhten Preis gegenüberzustellen. Auch durch diese Formulierung wird nach unserer Einschätzung deutlich, dass der rechtliche Rahmen zur kartellrechtlichen Prüfung von Wasserpreisen noch weiter inhaltlich konkretisiert werden kann und muss.

Mit diesem richtungsweisenden Beschluss beendet der BGH nun die über einjährige Diskussion über die allein gültige Stellung des Vergleichsmarktprinzips als Methode zum Nachweis überhöhter Wasserpreise. Künftig ist demzufolge auch eine Kostenkontrolle zum Nachweis des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch überhöhte Wasserpreise unstreitig zulässig. Wir gehen davon aus, dass sich neben der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg deshalb in Zukunft auch andere Landeskartellbehörden mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen werden. Die Branche hat mit dieser Entscheidung die Möglichkeit, weiter an Methoden zu arbeiten, mit denen die notwendige Rechtssicherheit bei Kalkulationen und Investitionen befördern werden können. Es bleibt zu hoffen, dass die vielversprechenden Initiativen, wie der Kalkulationsleitfaden der Verbände BDEW und VKU oder Überlegungen zu einheitlichen Leistungskennzahlen, dafür konsequent voran getrieben werden.

Sollten Sie Fragen zu der aktuellen oder eine Einschätzung der künftigen Entwicklung in diesem Bereich haben, lassen Sie uns das bitte jederzeit gerne wissen!

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Peter Lindt

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