OLG Düsseldorf: Forderung europäischer Lieferketten ist vergaberechtswidrig

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veröffentlicht am 1. März 2022​


Die Gewährung eines Wirtschaftlichkeitsbonus für den Nachweis einer geschlossenen Lieferkette in der EU, in den GPA-Unterzeichnerstaaten und in der Freihandelszone der EU verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und gegen das Erfordernis objektiver Zuschlagskriterien (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – VII-Verg 55/20).

 

  • Der in § 97 Abs. 2 GWB geregelte Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, dass alle Bieter die gleichen Chancen haben. Das setzt voraus, dass alle Bieter bei der Angebotsabgabe den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen.
  • Eine Differenzierung nach Herkunftsstaaten ist daher grundlegend bedenklich, bei denen in bestimmten Herkunftsstaaten produzierende Bieter einen Wirtschaftlichkeitsbonus erhalten, der anderen Bietern allein wegen ihrer Fertigung in einem nicht privilegierten Staat vorenthalten wird. Eine Ungleichbehandlung allein wegen des Herkunftsstaates gestatten weder das GWB noch – von Ausnahmen abgesehen - die dafür auslegungsrelevanten EU-Vergaberichtlinien, insbesondere Art. 25 Richtlinie 2014/24/EU („Diskriminierungsverbot von Bietern aus GPA-Unterzeichnerstaaten und der Freihandelszone der EU”).
  • Der Umstand, dass die EU hinsichtlich der nicht durch Art. 25 Richtlinie 2014/24/EU privilegierten Drittstaaten Ausschlusstatbestände schaffen könnte, gibt den einzelnen öffentlichen Auftraggebern kein Recht, Bieter aus diesen Drittstaaten selbst auszuschließen, wenn die EU einen solchen Ausschlusstatbestand nicht oder noch nicht geschaffen hat. An dieser Feststellung ändern auch nichts die von der EU-Kommission am 13.8.2019 veröffentlichten, sogenannten Leitlinien zur Teilnahme von Bietern und Waren aus Drittländern am EU-Beschaffungsmarkt (ABl.EU 2019, C 271/43).
  • Außerdem müssen Zuschlagskriterien nach § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB so festgelegt und bestimmt sein, dass der Vergleich und die Bewertung der Angebote in objektiver Weise erfolgt und somit unter Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs. Eine Bevorzugung von Bietern, die ausschließlich in den EU-Staaten, den GPA-Unterzeichnerstaaten und/oder in den Staaten der europäischen Freihandelszone produzieren, ist schon aus den oben genannten Gründen kein zulässiges Zuschlagskriterium, taugt aber auch nicht zu Gewährleistung objektiver Umwelt- und Sozialstandards. Hierfür ist diese Staatengruppe viel zu heterogen. Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter ist nicht ersichtlich, weshalb beispielsweise Armenien, Ägypten, Marokko oder Chile vergleichbare Umwelt- und Sozialstandards gewährleisten würden wie die europäischen Unionsstaaten.
  • Jenseits des Fehlens rechtlicher Vorgaben erschließt sich dem nordrhein-westfälischen Vergabesenat auch rein tatsächlich nicht, weshalb z.B. bei einem in Hongkong ansässigen Arzneimittelproduzenten die Versorgung in höherem Maße gesichert sein soll, als bei einem in China ansässigen, oder weshalb der vor dem Zerfall staatlicher Strukturen stehende Libanon die Belieferung mit Medikamenten eher gewährleisten soll als Indien.

Gut zu wissen

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  • Save the Date: 20. Nürnberger Vergaberechtstag am 8.12.2022

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