Italien: Neue Kriterien für die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften

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​​​​​​​​​​​​​ veröffentlicht am 8. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Mit der Gesetzesverordnung Nr. 209/2023 wurden durch die Änderung des Absatzes 3 des Artikels 73 TUIR -italienischen Einkommenssteuer- und Körperschaftsteuergesetzes neue Anknüpfungskriterien für Kapitalgesellschaften an das Staatsgebiet festgelegt, um ihren steuerlichen Sitz zu bestimmen.




Im Folgenden werden einige Aspekte untersucht, die (i) die Abschaffung des Erfordernisses des "Hauptunternehmensgegenstand" und (ii) die Koordinierung der Vorschriften über die steuerliche Ansässigkeit mit den Vorschriften über kontrollierte ausländische Gesellschaften (CFC) betreffen.

Die mit der Gesetzesverordnung Nr. 209/2023 eingeführten Änderungen​

In einem bemerkenswerten Versuch die Rechtssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit des inländischen Steuersystems zu stärken, hat der Gesetzgeber die Vorschrift stärker an die "internationale Praxis" (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Ermächtigungsgesetzes vom 9. August 2023), durch die inhaltliche Änderung des Artikels 73 des TUIR und die Streichung des Kriteriums des „Hauptunternehmensgegenstand“ und die Ersetzung des Kriteriums des „Sitzes der Geschäftsführung“ durch die beiden Kriterien des „Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung“ und des „Ortes der Hauptverwaltung“, angelehnt. Dagegen bleibt die allgemeine Regel des „eingetragenen Firmensitzes“ bestehen.

Vor diesem Hintergrund ist eine Annäherung Italiens an die Positionen der OECD zu erkennen, die bereits mit dem Modell 2017 ein praktisches und faktisches Kriterium verfolgte, das auf dem Konzept des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung (Place of Effective Management oder im Folgenden auch "PoEM") beruht.
Die Kriterien des "Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung" und des "Hauptortes der Geschäftsleitung" bringen in der Tat die Ratio der neuen Gesetzgebung zum Ausdruck, indem sie die Bedeutung der faktischen Aspekte im Gegensatz zu den formalen Anforderungen betonen. Mit dieser kombinierten Auslegung wird die Bezugnahme auf den Sitz der Geschäftsführung überwunden, die zu erheblichen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten geführt hat.

Während das Kriterium des "eingetragenen Firmensitzes" (das gegenüber dem früheren Wortlaut beibehalten wird) ein Element der notwendigen Kontinuität mit denen vor der Reform geltenden Vorschriften darstellt, weisen die Kriterien des "Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung" und der "gewöhnlichen Geschäftsleitung" innovative Aspekte auf. Gerade in Bezug auf letztere scheint es angebracht, innezuhalten und einige Überlegungen vorzunehmen.

Überwindung des Kriteriums des Hauptunternehmensgegenstandes: mehr Klarheit für ausländische​ Holdinggesellschaften mit Beteiligungen und Immobilien in Italien 

Das Kriterium des "Hauptunternehmensgegenstandes", das ebenso wie der Begriff des "Verwaltungssitzes" auf das Zivilgesetzbuch zurückgeht, wurde, wie bereits erwähnt, aus der Liste der Kriterien für die steuerliche Ansässigkeit in Artikel 73 Absatz 3 des TUIR gestrichen. Mit dieser Steuervorschrift wurde somit in der Vergangenheit eine Regel mit zivilrechtlichen Ursprung in das Steuersystem übernommen.

In der Neufassung des dritten Absatzes des Artikels 73 TUIR wird die Trennung zwischen den Begriffen des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung und der gewöhnlichen Geschäftsleitung deutlicher. 
Wie der Industrieverband für Aktiengesellschaften „Assonime“ in seinem Rundschreiben Nr. 15/ 2024 darlegt, können Gesellschaften nicht nur dann als steuerlich ansässig betrachtet werden, wenn die strategischen Entscheidungen in Italien getroffen werden (am "Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung"), sondern auch, wenn das day by day management (die "gewöhnliche Geschäftsleitung") dort angesiedelt ist, sofern die täglichen Geschäftsführungshandlungen nicht isoliert und sporadisch sind, sondern ein gewisses Maß an Koordination aufweisen.

Gerade die Bindung an das Kriterium der täglichen Geschäftsführung soll die in der Vergangenheit aufgetretenen Fragen zur Auslegung des Begriffs "Hauptunternehmensgegenstand" beenden, der in der Rechtsprechung teilweise nicht mit dem Ort der täglichen Geschäftsführung, sondern mit dem Ort, an dem sich das Gesellschaftsvermögen befindet, gleichgesetzt wurde: Diese Frage war insbesondere für Immobiliengesellschaften und Holdinggesellschaften von Interesse.

Die neue Auslegung dürfte die Auswirkungen bestimmter Verzerrungen verringern, da die beiden zivilrechtlichen Quellen durch Kriterien ersetzt werden, die die beiden Hauptpfeiler des PoEM (d.h. central managment and control und day by day management definiert) besser bestimmen. Die Abschaffung des Kriteriums des Hauptunternehmensgegenstandes soll ausschließen, dass beispielsweise ausländische Holdinggesellschaften als in Italien ansässig angesehen werden können, nur weil sie überwiegend an inländischen Tochtergesellschaften beteiligt sind (ein Umstand, der bisher mit der Präsenz des "Hauptunternehmensgegenstandes" in Italien verwechselt wurde). Für solche Unternehmen wird es im Lichte der neuen Gesetzgebung einfacher sein, das Fehlen oder auch nicht eines Kriteriums, welches die Unternehmen mit Italien in Verbindung bringt, zu bewerten, da ihre eigenen Aktivitäten beispielsweise anhand der Bewertung und Unterstützung bei der Erstellung der Geschäftspläne der Tochtergesellschaften und nicht aufgrund der Genehmigung neuer Investitionen unter Verwendung der von ihnen erhaltenen Liquidität beurteilt werden sollten, ebenso wie die täglichen Managementaktivitäten beispielsweise die Überwachung der getätigten Investitionen beinhalten sollte.

Einige Überlegungen zur Koordinierung der neuen Kriterien der steuerlichen Ansässigkeit mit den CFC - Vorschriften

Nach dem geltenden Artikel 167 des TUIR kann, im Rahmen der Regelung für Controlled Foreign Companies, für die Anwendung einer Ersatzertragssteuer in Höhe von 15 Prozent des Jahresnettogewinns jeder Tochtergesellschaft optiert werden. Dies unabhängig von der Überprüfung der Höhe der effektiven ausländischen Besteuerung. Die Vorschrift wurde durch Artikel 3 des Gesetzes 209/2023 geändert und hat die Überprüfung des Steuerniveaus der ausländischen Beteiligungsgesellschaft mit den globalen Mindestbesteuerungsregeln von 15 Prozent (BEPS-Säule 2) koordiniert und eine innovative optionale Ersatzsteuerregelung eingeführt.

Um in den Genuss der Sonderregelung kommen zu können, müssen die Jahresabschlüsse von nicht ansässigen kontrollierten Unternehmen von im Ausland zugelassenen Wirtschaftsprüfern geprüft und genehmigt werden. 
Es ist jedoch notwendig, die neue Vorschrift in Bezug auf die unternehmerischen Entscheidungen angemessen zu bewerten. In der Tat könnte sich ein Unternehmen aus Gründen der Vereinfachung für die Sonderregelung der CFC-Vorschriften entscheiden, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Entscheidung könnte beispielsweise aus dem Wunsch resultieren, eine kostspielige Datenerhebung oder die Einbeziehung der nicht ansässigen Tochtergesellschaften in die Analyse zu vermeiden. In einem solchen Fall könnte die Gesellschaft, die sich für die Anwendung der Sonderregelung entscheidet, aufgrund der aktuell fehlenden Verbindung zwischen den Vorschriften über die steuerliche Ansässigkeit und den Vorschriften über beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) auf gewisse Schwierigkeiten stoßen.  

Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Steuerbehörden, in den Fällen, in denen eine gebietsansässige Gesellschaft die CFC-Vorschriften für anwendbar hält, davon ausgehen, dass es die Gesellschaft selbst ist, die die ausländische Tochtergesellschaft, die passive Einkünfte erzielt, als eine rechtlich und wirtschaftlich nicht selbständige Einheit qualifiziert, weshalb sie sich - auch wenn es sich nur um eine Vereinfachung handelt - für die Anwendung der Sonderregelung entscheidet. Daher müssen die Unternehmen ab dem Steuerjahr 2024 die Kriterien der wirtschaftlichen Substanz (CFC) und der steuerlichen Ansässigkeit eingehend prüfen und die Regeln im Lichte der vom Gesetzgeber eingeführten Änderungen sorgfältig bewerten.

Es dürften zwar keine besonderen Probleme auftreten, solange man unter die „ordentliche“ Besteuerung auf der Grundlage der Transparenz fällt, so dass die Einkünfte der ausländischen Tochtergesellschaft einem Steuersatz von 24 Prozent unterliegen (in diesem Fall kommt die Ersatzsteuer von 15 Prozent nicht zur Anwendung). 

Andererseits kann ein Unternehmen, das sich in der Lage sieht, für die Sonderregelung zu optieren, die das Recht auf Anwendung einer 15 Prozent igen Steuer auf eine "pauschale" Steuerbemessungsgrundlage gewährt, nicht ausschließen, dass die Steuerbehörden im Nachhinein untersuchen und prüfen, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt, von einer milderen Besteuerung Gebrauch zu machen obwohl sich der tatsächliche Verwaltungssitz oder die gewöhnliche Hauptgeschäftsführung des Unternehmens in Italien befinden. 

Wenn dem so wäre, könnte daher eine Steuer von 24 Prozent (Anrechnung durch Transparenz) auf die Einkünfte der ausländischen Tochtergesellschaft erhoben werden, was eine Ansässigkeitsausnahme gemäß Artikel 73 TUIR zur Folge hätte, selbst wenn zunächst die Ersatzsteuer von 15 Prozent (CFC) erhoben würde. ​

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