Wärmeversorgung durch Abwärme – ungenutzte Potenziale in der Wärmeerzeugung?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 22. Januar 2025

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In Deutschland schlummert ein enormes Potenzial an ungenutzter industrieller Abwärme. Laut der ersten Auswertung der neuen Abwärmeplattform der Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE) beläuft sich dieses Potenzial auf beeindruckende 160 Milliarden kWh jährlich. Diese Energiemenge könnte beispielsweise zur Fernwärmeversorgung genutzt werden und somit einen bedeutenden Beitrag zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit leisten.


1. Veröffentlichung der Plattform für Abwärme

Die Plattform für Abwärme (PfA) wurde im Zuge der jüngsten Novelle des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) ins Leben gerufen und zeigt, dass deutschlandweit 19.065 potenzielle Abwärmequellen gemeldet wurden. Unternehmen mit einem jährlichen Endenergieverbrauch ab 2,5 Millionen kWh sind nun verpflichtet, ihre Abwärmedaten zu melden, um die Energieeffizenzvorgaben zu erfüllen (wir berichte​ten​).​


Trotz anfänglicher Schwierigkeiten bei der Einführung der Plattform, die zu mehrfachen Verschiebungen der Freischaltung führten, stellt die Plattform nun eine wertvolle Ressource dar. Die gesammelten Daten sind öffentlich zugänglich und bieten einen umfassenden Überblick über die jeweils ungenutzten Abwärmepotenziale in Deutschland. Wärmeversorger, die derzeit über Dekarbonisierungsstrategien und Netzausbaupotenziale nachdenken, können somit unmittelbar auch Abwärmepotenziale in ihre Überlegungen einbeziehen.


2. Rechtliche Rahmenbedingungen für Wärmeversorger

Anfang des Jahres 2024 ist das Gesetz zur Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz - WPG) in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist es vor allem, die Wärmeversorgung aus unvermeidbarer Abwärme und erneuerbaren Energien zu erhöhen, um damit einen Beitrag zu einer kosteneffizienten und treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis spätestens 2045 (Zieljahr) zu leisten. Der Anteil erneuerbarer Energien in Wärmenetzen soll gemäß § 29 Abs. 1 WPG bis zum 01.01.2030 mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme und ab dem 01.01.2040 mindestens 80 Prozent betragen.

Dabei berücksichtigen neben dem Wärmeplanungsgesetz auch das Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien bei Wärme und Kälte in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz - GEG) und das Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland (Energieeffizienzgesetz - EnEfG) Abwärme als potenzielle und nachhaltige Wärmequelle.

Während das Wärmeplanungsgesetz mit seinen Vorgaben zur Wärmeplanung also eher den Ausbau von Wärmenetzen und die kommunale Wärmeplanung an sich vorantreibt, schafft das Gebäudeenergiegesetz mit den Anforderungen an eine nachhaltige Wärmeerzeugung und der alternativen Erfüllungspflicht durch einen Anschluss an ein Wärmenetz (§§ 71 Abs. 1, 71b GEG) die Nachfrage nach erneuerbarer Nah- und Fernwärme durch Festlegung von Vorgaben für die Gebäudeeigentümer.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 13 WPG ist unvermeidbare Abwärme Wärme, die als unvermeidbares Nebenprodukt in einer Industrieanlage, einer Stromerzeugungsanlage oder im Dienstleistungssektor anfällt und ohne Anschluss an ein Wärmenetz ungenutzt an die Luft oder das Wasser abgegeben würde; Abwärme gilt als unvermeidbar, soweit sie aus wirtschaftlichen, sicherheitstechnischen oder sonstigen Gründen im Produktionsprozess nicht nutzbar ist und nicht mit vertretbarem Aufwand vermindert werden kann.

Das Energieeffizienzgesetz wiederum sorgt unter anderem dafür, dass die Potenziale für Abwärme über eine Plattform gebündelt werden. Nach § 17 EnEfG sind Unternehmen verpflichtet, sowohl der Bundesstelle für Energieeffizienz als auch auf Anfrage von Wärmenetzbetreibern Auskunft über die anfallende direkte Abwärme zu geben. Nach § 16 Abs. 2 EnEfG sind Unternehmen zudem verpflichtet, die bei ihnen anfallende Abwärme durch Maßnahmen und Techniken zur Energieeinsparung durch Abwärmenutzung zu nutzen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Die Maßnahmen zur Abwärmenutzung sollen sich nicht nur auf die jeweilige Anlage beschränken, sondern auch Möglichkeiten der Abwärmenutzung auf dem Betriebsgelände sowie bei externen Dritten einbeziehen. Damit ergibt sich auch ein Interesse der Unternehmen, ihre Abwärme für die Wärmeerzeugung und Einspeisung in Fernwärmenetze nutzbar zu machen.


3. Was ist bei der praktischen Umsetzung zu beachten?

Um als Wärmenetzbetreiber Abwärme nutzen zu können und den Anteil erneuerbarer Energien im Fernwärmenetz zu erhöhen, empfiehlt es sich, mit lokal ansässigen Unternehmen bereits frühzeitig in Gespräche einzutreten und je nach Konkretisierungsgrad der Planungen (Vor-)Verträge zur Nutzung ihrer überschüssigen Abwärme abzuschließen.

Insbesondere Rechenzentren bieten hier ein großes ungenutztes Potenzial, da ihre Leistung stetig steigt. Schon heute könnten mit der Abwärme von Rechenzentren jährlich rund 350.000 Haushalte versorgt werden. Aber auch industrielle Abwärme kann im Fernwärmebereich zur Wärmeversorgung von Haushalten genutzt werden. Auch hier können sich Verträge mit Unternehmen für beide Seiten lohnen. Das Fernwärmeunternehmen kann seine Versorgung nachhaltiger gestalten und ggf. gesetzliche Vorgaben aus dem WPG schneller und einfacher erfüllen und die Unternehmen können von ihrer bisher ungenutzten Abwärme unter Umständen auch finanziell profitieren.

Dabei zu beachten ist allerdings, dass sich die konkrete Form der Abwärmebereitstellung je nach Industrieunternehmen im Hinblick auf das bereitgestellte Temperaturniveau und zahlreiche technische Parameter stark unterscheiden. Je nach Anforderungen des Wärmenetzbetreibers sind zur Anhebung des Temperaturniveaus unter Umständen auch zusätzliche Wärmepumpen oder weitere Erzeugungsanlagen erforderlich. Um diese technischen Besonderheiten angemessen abzubilden und die erforderlichen Flächen hierfür zu sichern, ist eine frühzeitige Aufnahme von Gesprächen mit potenziellen Lieferanten von Abwärme sowie eine vertragliche Fixierung unseres Erachtens unabdingbar. Dabei ist auch zu beachten, dass Unternehmen ihre Abwärme in der Regel nur in unbesicherter Form zur Verfügung stellen, sodass der jeweilige Wärmenetzbetreiber selbst Anlagen zur Besicherung der Wärmeversorgung seiner Endkunden vorhalten muss. Darüber hinaus sind oftmals erhebliche Investitionen notwendig, um die Abwärme auszukoppeln und in einem Wärmenetz nutzbar zu machen. Im Rahmen vertraglicher Regelungen muss deshalb nicht nur geregelt werden, welche Vertragspartner die Investitionskosten tragen, sondern auch sichergestellt werden, dass sich die Investitionen in einem angemessenen Zeitraum amortisieren können. Bei der Vereinbarung von Preisgleitformeln sollte aus Sicht des Wärmeversorgers auch bedacht werden, dass eine Abbildung der Preisgleitung aus dem Vorbezug auch im Endkundenverhältnis AVBFernwärmeV-konform möglich bleiben muss.


4. Oft unterschätzt: Nutzung von Wärme aus Abwasser

Ein weiterer, bisher vom Gesetzgeber selten beachteter Wärmelieferant ist Abwasser. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 15 Buchstabe c) WPG gilt auch Wärme aus Abwasser als Wärme aus Erneuerbaren Energien und kann somit zur Erfüllung der Anforderungen des Wärmeplanungsgesetzes und des Gebäudeenergiegesetzes genutzt werden. Das Schmutzwasser weist beim Austritt aus Wohngebäuden in der Regel eine mittlere Temperatur von über 25 °C auf und hat in der Kanalisation im Jahresdurchschnitt 15 °C. Es stellt damit eine stetige erneuerbare Wärmequelle dar, die bei Einsatz moderner Wärmepumpen auf eine Nutzungstemperatur von 65 bis 70 °C angehoben werden kann. Im Prozessbereich weist Abwasser in der Regel sogar wesentlich höhere Temperaturen auf als in der öffentlichen Kanalisation. Gerade in diesem Bereich besteht folglich ein großes Potenzial für die Rückgewinnung und Nutzung der Wärmeenergie.

Auch wenn die Nutzung von Abwasser als regenerative Energiequelle in der gesetzlichen Ausgestaltung bisher wenig Anklang gefunden hat, gibt es in Deutschland erste Pilotprojekte in Quartierskonzepten, die Abwasser zur Wärmegewinnung nutzen. Auch die EU hat im Juli dieses Jahres ein Projekt zur Stärkung der resilienten Energieversorgung für und durch Abwasserinfrastrukturen (ResNRJwater) gestartet.

Auch in diesem Fall ist allerdings eine frühzeitige Abstimmung mit dem Eigentümer des öffentlichen Abwassernetzes oder dem jeweiligen Industrieunternehmen erforderlich, um tatsächliche und technische Voraussetzungen einer Abwasserwärmenutzung frühzeitig abzustimmen und vertraglich zu fixieren. Dabei müssen allerdings nicht nur bauliche und tatsächliche Voraussetzungen für die Errichtung eines Entnahmebauwerks und einer Heizzentrale zum Betrieb der erforderlichen Wärmepumpen abgestimmt werden. Gerade bei Abwassernetzen, an denen zahlreiche Gemeinden angeschlossen sind, kommt es bereits jetzt zu Konkurrenzsituationen, weil für den effizienten Betrieb der jeweiligen Kläranlagen Mindesttemperaturen eingehalten werden müssen. Dies führt dazu, dass eine Wärmeauskopplung durch Wärmenetzbetreiber entlang der Netzstrecke unter Umständen in der Form begrenzt werden muss, dass eine Auskopplung auch für den „letzten“ Entnehmer vor der Kläranlage ermöglicht wird und die Temperatur des Abwassers nicht unter einen bestimmten Grenzwert fällt. Damit einhergehende Risiken müssen für den Wärmenetzbetreiber auch in preislicher Hinsicht abgebildet und in den Endkundenwärmelieferungsverträgen verankert werden.
 

5. Fazit

Das enorme Potenzial an ungenutzter Abwärme in Deutschland zeigt gute Perspektiven für eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Mit der Veröffentlichung der Plattform für Abwärme und Einführung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch GEG und WPG sowie EnEfG erfolgt ein wichtiger Anreiz, diese Potenziale auch tatsächlich zu nutzen.

Die praktische Umsetzung erfordert jedoch frühzeitige Gespräche und Verständnis für die Situation des Vorlieferanten von Wärme sowie des Wärmeversorgers. Für eine fundierte Planung sind zudem vorvertragliche Regelungen erforderlich, die die erforderlichen Parameter bereits verbindlich festlegen, aber noch ausreichend Flexibilität für notwenige Änderungen bieten, die sich im Rahmen der Konkretisierung der Planungen regelmäßig ergeben. Dabei sollte aus Sicht des Wärmeversorgers auch frühzeitig mitgedacht werden, dass die Endkundenpreise für die bereitgestellte Wärme nicht nur konkurrenzfähig und betriebswirtschaftlich korrekt sein müssen, sondern vereinbarte Preisgleitformeln auch AVBFernwärmeV-konform ausgestaltet werden müssen. Für Umstellungsprozesse der Endkundenverträge sind unter Umständen mehrere Jahre Vorlaufzeit erforderlich. Auch hierauf müssen sich Wärmeversorgungsunternehmen bei der Dekarbonisierung ihrer Netze einstellen.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei mit unseren rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen eine ausgewogene Vertragsstrategie!


 

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