Das Aus für die Mitschlepptheorie (Kettenzusammenfassung) im steuerlichen Querverbund?

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​​​​​​veröffentlicht am 27. November 2024

 

Das jüngste Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bringt die Verwaltungspraxis der „Kettenzusammenfassung” von Betrieben gewerblicher Art (BgA) ins Wanken. Diese sei nach Ansicht des BFH (Az. V R 43/21) nicht vereinbar mit § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für die Ausgestaltung des steuerlichen Querverbundes und würde, sofern diese Entscheidung tatsächlich von der Finanzverwaltung angewandt werden sollte, zu erheblichen finanziellen Mehrbelastung betroffener Kommunen führen. (wir berichteten) Eine Kettenzusammenfassung zwischen mehreren BgA soll nach Auffassung des BFH nur noch dann möglich sein, wenn zwischen allen einzelnen BgA und nicht nur einem bereits zusammengefassten BgA die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 KStG vorliegen.


1. Die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art

Betriebe gewerblicher Art (BgA) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG der Körperschaftssteuer.
Sie können zur Verminderung der steuerlichen Belastung nach § 4 Abs. 6 S. 1 KStG zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind, zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht, oder es sich um Versorgungs-, Verkehrs- oder Hafenbetriebe nach § 4 Abs. 3 KStG handelt. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) sah es in einem Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009, 1303, Rz 5 S. 2 und 3 für eine Zusammenfassung als ausreichend an, wenn die genannten Voraussetzungen nur zwischen einem neuen BgA und einem der bereits zuvor zusammengefassten BgA vorlagen, sog. Kettenzusammenfassung.


2. Zugrundeliegender Sachverhalt

In dem Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde liegt, fasste eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR), den Betrieb zweier BHKWs, der Wasserversorgung und den Betrieb eines Freibades unter einem einzigen BgA steuerlich zusammen. Dadurch verrechnete sie die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und dem Betrieb der BHKW. Das Finanzamt stellte sich gegen diese Zusammenfassung und vertrat die Ansicht, dass nur die BHKW und Wasserversorgung Versorgungsbetriebe i. S. des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG seien und zusammenfassbar wären. Demgegenüber sei jedoch das Freibad als eigenständiger BgA zu behandeln. Es fehle an einer objektiv engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung von einigem Gewicht i.S.v. § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG. Eine einseitige Lieferbeziehung genüge hierfür nicht, die BHKWs dienten vorrangig der Stromerzeugung und seien weder technisch noch wirtschaftlich vom Freibad abhängig.


3. Entscheidung des BFH (Az. V R 43/21)

Der BFH ist in seinem Urteil dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen und der darin statuierten Kettenzusammenfassung vom 12.11.2009 entgegengetreten.
Bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA müssen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 Nr.1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen. Eine abgestufte Kettenbetrachtung, bei der mehrere BgA nacheinander zusammengefasst werden, sei nicht möglich, wenn dies nicht in einem einzigen Zusammenfassungsvorgang erfolgen könne. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 6 KStG. Dieser durchbreche als Ausnahme den Grundsatz, dass jeder BgA einer jPöR für Zwecke der Körperschaftssteuer für sich zu betrachten sei, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Es sei nicht erkennbar, warum eine Zusammenfassung von mehr als zwei BgA weniger strengen Anforderungen unterliegen solle als eine Zusammenfassung von nur zwei einzelnen BgA.


4. Fazit

Das Urteil des BFH stellt weite Teile der derzeitigen Verwaltungspraxis, infrage. Kommunen, die sich an dem, durch das BMF statuierte Modell der Kettenzusammenfassung orientierten, müssen nun mit steuerlichen Mehrbelastungen rechnen. Insbesondere ist von einer Einschränkung der Ergebnisverrechnung zwischen Versorgungsbetrieben und Bädern auszugehen, da in der Praxis regelmäßig mehrere Bäder zu einem einzelnen Bäder BgA zusammengefasst worden sind und dann nur ein einzelnes Bad die Voraussetzungen zur Zusammenfassung mit einem Versorgungs BgA erfüllt hat. Es stellt sich zudem die Frage, ob verschiedene Versorgungstätigkeiten tatsächlich als Einheit betrachtet werden können und ob die Verflechtung mit einer Versorgungssparte genügt um eine Verrechnung sämtlicher Gewinne und Verluste zu ermöglichen.


Es ist nunmehr zu verfolgen, ob die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert, oder es nunmehr für die betroffenen Kommunen erforderlich ist, die praktizierte Zusammenfassung Ihrer BgA zu überprüfen, um sich Klarheit über mögliche, auf sie zukommende steuerliche Mehrbelastungen zu verschaffen. Sollte das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus für anwendbar erklärt werden, ist von weitreichenden Folgen für die Finanzierung der Daseinsvorsorge auszugehen.

 

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