Verordnungsgeberischer Frühling in der Wärmebranche: BMWi legt Verordnungsentwürfe zur AVBFerwärmeV- und HeizKostV-Novellierung vor

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​veröffentlicht am 27. April 2021

 

Novellierung unter Umsetzungsdruck

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im März 2021 neben dem Entwurf einer „Verordnung über die Änderung der Heizkostenverordnung (HeizKostV)” (nachfolgend „HeizKostV-RefE”) den Entwurf einer „Verordnung zur Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie 2018/2002/EU im Bereich der Fernwärme und Fernkälte” vorgelegt, mit dem die Verordnung über allgemeine Bedingungen zur Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) novelliert wird (nachfolgend „AVBFernwärmeV-RefE”) und eine neue „Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme und Fernkälte” (Fernwärmeabrechnungsverordnung; nachfolgend auch „FwAbrV”) eingeführt werden soll.

 

Mit den Verordnungen sollen die Vorgaben der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EU-Richtlinie 2018/2002 vom 11.12.2018 zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz) in deutsches Recht umgesetzt werden. Eigentlich hätte dies schon bis zum 25.10.2020 erfolgen müssen. Insofern steht die Novellierung unter dem europarechtlichen Sanktionsdruck eines Vertragsverletzungsverfahrens. Aufgrund der Zustimmungserfordernisse des Bundesrats für die Novellierung der HeizKostV (vgl. § 6 Abs. 1 Gebäudeenergiegesetz (GEG)) ist deshalb damit zu rechnen, dass die Verordnungen spätestens in der letzten Plenarsitzung des Bundesrats vor der Sommerpause am 25.06.2021 verabschiedet wird.


Die ebenfalls neuen Fernwärme-Vorgabe der novellierten EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive II – RED II) (vgl. Art. 24 RED II ff.), werden noch nicht mit den Verordnungsentwürfen umgesetzt, obwohl die Umsetzungsfrist der RED II auch schon in absehbarer Zeit zum 30.06.2021 ausläuft. Insofern ist eine weitere Novellierung der AVBFernwärmeV in der nächsten Legislaturperiode zu erwarten.

 

Welche Verordnung für wen? – Lieferst Du noch oder verteilst Du schon?

Häufig sind sich Wärmemarktakteure gar nicht bewusst, dass die Regelungen der AVBFernwärmeV, Heizkostenverordnung und in Zukunft auch noch der Fernwärmeabrechnungsverordnung auch ohne eine vertragliche Bezugnahme kraft Gesetzes für Leistungsbeziehungen gelten. Für wen gelten deshalb die novellierten Vorgaben der Verordnungsentwürfe?


Die AVBFernwärmeV gilt kraft Gesetzes für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung, insbesondere für die Belieferung, mit Fernwärme zu allgemeinen Bedingungen (§ 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV). Dabei hat die Rechtsprechung einen weiten Fernwärmebegriff geprägt, sodass die AVBFernwärmeV unabhängig von der Entfernung zwischen der Erzeugungsanlage und dem Verbraucher und auch ohne ein öffentliches Versorgungsnetz nahezu jede Form der Wärme- und Kältebelieferung umfasst, soweit der Versorger in Wärmeversorgungsanlagen investiert hat. Damit sind nahezu alle Formen der Wärmelieferung von der Auskoppelung aus Großkraftwerken mit regionalen Fernwärmenetzverbünden, über städtische KWK-Versorgung, ländliche Bio-Nahwärmenetze bis hin zur Contracting-Belieferung innerhalb von privaten Arealen und Gebäuden von der AVBFernwärmeV umfasst. In Bezug auf die Messung und Abrechnung der Fernwärme (§§ 18 AVBFernwärmeV ff.) beziehen sich die Regelungen der AVBFernwärmeV auf die Belieferung, die in der Regel mindestens auch an der Übergabestelle gemessen wird. Damit sind zunächst alle Fernwärmelieferanten von der Novellierung des § 18 AVBFernwärmeV betroffen.


Die Fernwärmeabrechnungsverordnung regelt zukünftig zusätzliche besondere Anforderungen an die Messung und Abrechnung von Fernwärme und Fernkälte im Sinne der Fernwärmeabrechnungsverordnung. Dabei wird mit der Fernwärmeabrechnungsverordnung erstmals eine gesetzliche Fernwärme- und Fernkältedefinition vorgenommen, die wesentlich enger als die bisherige Definition der Rechtsprechung ist.

 

Nach § 1 Abs. 2 und 3 FwAbrV ist der Fernwärmebegriff auf die Lieferung über ein Netz zwischen mehreren Gebäuden beschränkt. Insofern ist die Contractingbelieferung innerhalb eines Gebäudes vom Anwendungsbereich der Fernwärmeabrechnungsverordnung ausgeschlossen. Ein Teil der Contractingversorger ist deshalb von den Neuerungen der Fernwärmeabrechnungsverordnung möglicherweise überhaupt nicht betroffen.


Die Heizkostenverordnung regelt dagegen nur die Verteilung von Heizungs- und Warmwasserkosten (sog. „Untermessung” oder „Submetering”). Dabei ist die Verteilung vorrangig ein Problem der miet- und WEG-rechtlichen Wärmelieferpflichten von Immobilieneigentümern, da der Vermieter oder die Wohnungseigentümergemeinschaft die am Hausanschluss bezogene Fernwärme oder die in der Heizungsanlage erzeugte Wärme auf die Wohnungsnutzer einer Mehrparteienimmobilie verteilen müssen. Ein Großteil der Fernwärmeversorger kann die Novellierung der Heizkostenverordnung deshalb ausblenden.


Ausnahmsweise können auch Fernwärmeversorger zur Verteilung verpflichtet sein, wenn sie nicht den Immobilieneigentümer beliefern, sondern unmittelbar mit einzelnen Immobiliennutzern Lieferverträge schließen (sog. „(Mieter-)Direktbelieferung”). Wollen oder können sie nach den technischen Zwängen des bestehenden Mess- und Sekundärwärmebereitstellungskonzepts nicht jede einzelne Wohneinheit messen, so können sie auch nur die Lieferung für die Gesamtimmobilie messen und müssen die hierfür gemessenen Wärmemengen nach HeizKostV auf die einzelnen Nutzer verteilen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 4, Abs. 7 AVBFernwärmeV). In diesem besonderen Fall befinden sich dann auch Fernwärmelieferanten im Anwendungsbereich der HeizKostV.


Grundsätzlich sieht die HeizKostV eine nach Raumheizung und Warmwasserbereitung sowie nach Wohnungsfläche und Verbrauch getrennte Verteilung vor, die zum Teil auch mit ungeeichten, d.h. entsprechend ungenauen Messgeräten (z.B. sog. „Verdunstungszähler”) erfasst werden darf. Dabei ist in der Entwicklung der HeizkostenV aus umweltpolitischen Gründen eine Tendenz zur zunehmenden Verteilung nach Verbrauch und Erfassung durch geeichte Messgeräte zu beobachten, die jetzt durch die Verordnungsnovellierung fortgesetzt wird. 

 

AVBFernwärmeV: Mess- und Abrechnungspflichten nur ausgelagert oder eingeschränkt?

Die AVBFernwärmeV werden durch eine Auslagerung von Mess- und Abrechnungsregelungen des § 18 und § 24 AVBFernwärmeV auf die Fernwärmeabrechnungsverordnung novelliert. Die Vorgabe eichrechtlicher Verbrauchsmessungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AVBFernwärmeV) die Abrechnungsvorschriften des § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AVBFernwärmeV werden in die Fernwärmeabrechnungsverordnung (§ 2 FwAbrV bzw. §§ 4 und 5 FwAbrV) ausgelagert. Dabei ist fraglich, ob mit dieser Auslagerung aufgrund des engeren Anwendungsbereichs der Fernwärmeabrechungsverordnung kleinere Contractingversorgungsfälle von bisherigen Mess-, Abrechnungs- und Informationsanforderungen befreit werden. Oder umgekehrt bei einer Anwendung der neuen Fernwärmedefinition der Fernwärmeabrechnungsverordnung auf die AVBFernwärmeV diese auch aus dem Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV fallen.

 

FwAbrV: Mehr Verbrauchsmessung und Information

Jedenfalls sieht die Fernwärmeabrechnungsverordnung die identische Fortführung der eichrechtlichen Messanforderungen für die Belieferung (§ 2 Abs. 1 FwAbrV) mit der Möglichkeit einer Verteilungsmessung durch ungeeichte Untermessgeräte (§ 18 Abs. 1a AVBFernwärmeV-RefE) vor. Neu kommt hinzu, dass für mehrere Gebäude – auch wenn diese einem Kunden gehören – eine geeichte Untermessung für jedes Gebäude vorgehalten werden muss (§ 2 Abs. 2 FwAbrV). Insofern kommen hier auf Betreiber von großen Mehrparteien- und Mehrgebäudeobjekten, wie z.B. typischerweise bei Immobilien des sozialen Wohnungsbaus, voraussichtlich Nachrüstkosten zu.


Weiterhin schreibt die FwAbrV die Nachrüstung fernablesbarer Messeinrichtungen bis einschließlich 31. Dezember 2026 vor (§ 3 FwAbrV).


Vor allem verschärft die FwAbrV die Abrechnungs- und Informationsvorgaben erheblich. Mit der spätestens ab 2026 zu erfüllenden Fernablesbarkeit müssen in der Heiz- bzw. Kühlperiode monatliche Abrechnungen- und Verbrauchsinformationen erteilt werden (§4 Abs. 4 FwAbrV). Ähnlich wie bei den Strominformationspflichten müssen Unternehmen dabei neben dem Verbrauch auch Informationen über den Anteil der eingesetzten Energieträger und Wärme- bzw. Kältegewinnungstechnologien, die jährlichen Treibhausgasemissionen und wärmespezifischen Steuern und Abgaben (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 – 3 FwAbrV) sowie über den Erneuerbare-Energien-Anteil und die Gesamtenergieeffizienz (§ 5 Abs. 2 FwAbrV) erteilen.

 

Erheblichen Aufwand wird die Informationspflicht zu Verbrauchsvergleichsdaten bereiten (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 6 FwAbrV). Aufgrund der Vorgabe der Temperaturschwankungsbereinigung für individuelle Vergleichsdaten und der Ermittlung eines Durchschnittskunden derselben Nutzerkategorie für allgemeine Vergleichsdaten als Vergleichsmaßstab kommt hier erheblicher Aufwand auf die Versorger zu. Auf Verlangen des Kunden sind diese Daten aggregiert einem Energieberater zur Verfügung zu stellen.


Das Postulat der Unentgeltlichkeit (§ 5 Abs. 1 FwAbrV) ist dabei verbraucherschutzrechtliche Augenwischerei, da in jedem Wirtschaftssystem Kosten refinanziert werden müssen und das Gesetz so eine verursachergerechte und transparente Kostenzu- und ausweisung unmöglich macht. Wie schon beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und jüngst Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) fehlt eine Regelung zur Weiterwälzung der Kosten auf die Verbraucher, sodass hier Streitigkeiten und wirtschaftliche Schäden für die Fernwärme- und Fernkälteversorgung vorprogrammiert sind.

 

HeizKostV: Mehr Wettbewerb durch Fernablesung und Information

Die neuen Vorgaben der HeizKostV entsprechen weitgehend den neuen Vorgaben der FwAbrV, gehen jedoch an einigen Stellen sogar noch über diese hinaus:
Bezüglich der Fernablesbarkeit von Messgeräten bis spätestens Ende 2026 entsprechen die Vorgaben für Submetering-Messsysteme (z.B. Verteilungszähler am jeweiligen Heizkörper) (§ 5 Abs. 2 HeizKostV-RefE) denen der Hauptmesseinrichtungen. Darüber hinaus fordert die HeizKostV aber nunmehr auch für unabhängige Messstellenbetreiber die Anbindung über ein Smart-Meter-Gateway (§ 5 Abs. 5 Satz 4 HeizKostV-RefE), das heißt Wärmemessdaten sollen über das Internet abruffähig werden.


Neben der technischen Umsetzung erfordern die hiermit verbundenen Datenschutzvorgaben in der Regel einen hohen Aufwand, sodass mit einer erheblichen Kostenbelastung zu rechnen ist. Da Submetering-Dienstleister in der Regel nicht mit dem Wärmenetzbetreiber oder –Lieferanten identisch sind, führt die HeizKostV zu einer Bevorteilung von Wärmenetzbetreibern oder -Lieferanten gegenüber den etablierten Big-4 des oligopolistischen Submeteringmarkts. Darüber hinaus schreibt die HeizKostV die Interoperabilität der Submetering-Messsysteme (§ 5 Abs. 5 Satz 1 ff. HeizKostV-RefE) vor, um technische Hürden für einen Wettbewerb durch Wechsel des Messdienstleistungsunternehmens abzubauen. Insofern bietet die HeizKostV-Novelle neue Chancen für Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Immobilienunternehmen zum Einstieg in den bisher von monopolistischen Strukturen geprägten Submetering-Markt.


Auch bei den Abrechnungs- und Informationspflichten entspricht die HeizKostV der Verkürzung der Abrechnungs- und Informationsperiode und Ausweitung der Informationspflichten für Fernwärmelieferungen. In jedem Fall halbjährliche bzw. in der Regel sogar monatliche Abrechnung in der Heizperiode (§ 6a Abs. 1 HeizKostV-RefE) mit umfassenden Umweltauswirkungs- und Verbrauchsvergleichsinformationen (§ 6a Abs. 2 HeizKostV-RefE) werden damit unabhängig von der gewerblichen Fernwärmebelieferung oder Wärmelieferung durch den Vermieter oder die Wohnungseigentümergemeinschaft Standard. Dass dies bei der ohnehin schon komplexen Abrechnungs- und Verteilungssystematik der HeizKostV ungleich aufwendiger ist und angesichts der messtechnischen und verteilungssystematischen Ungenauigkeit der HeizKostV-Vorgaben eventuell zu mehr Verwirrung als Information der Verbraucher führt, haben die betroffenen Verbände bereits kritisch in das Verordnungsgebungsverfahren eingebracht. Insofern ist hier – trotz des Zeitdrucks im Verordnungsgebungsverfahren – noch mit Nachbesserungen zu rechnen.


Schließlich novelliert die HeizKostV das Verfahren zur Verteilung von Wärmekosten der Heizung und Warmwasserbereitung bei verbundenen Anlagen (§ 9 Abs. 2 HeiKostV-RefE), ohne jedoch die Problematik solarer Wärmeerzeugungskomponenten einer Lösung zuzuführen.


Die Erfüllung der Pflichten der HeizKostV wird zudem durch ein pauschales Sanktionsrecht des Verbrauchers abgesichert. Neben dem ohnehin schon bestehenden Abrechnungskürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizKostV sieht der Verordnungsentwurf weiter ein Abrechnungskürzungsrecht um 3 Prozent vor (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Heiz-KostV-RefE), soweit gegen die neuen Messausstattungs- oder Informationspflichten verstoßen wurde.

 


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