Aufhebung der KWK-Eigenstrombelastung als Prüfstein des Europa- und Verfassungsrechts

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​Die Bundesregierung ist mit der Aufhebung aller Regelung zur Wahrung der Anforderungen des europäischen Beihilferechts im KWKG ohne eine Abstimmung mit der EU-Kommission vorgeprescht. Die Rücknahme der EEG-Umlagebelastung von KWK-Eigenstrom erfolgte aber nur mit Wirkung für die Zukunft. Danach ist fraglich, ob die für die Vergangenheit verbleibenden Vertrauensschäden im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch beseitigt werden oder ob Unternehmen versuchen werden, die verbleibenden Schäden gerichtlich durchzusetzen.

 

EEG-rechtlicher Schlingerkurs KWK-Eigenstrom


Der Deutsche Bundestag hat im Rahmen der Novelle des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) europarechtlich begründeter Regelungen für KWK-Anlagen im EEG, KWKG und EnWG, darunter auch die möglicherweise ohnehin europa- und verfassungsrechtswidrige Belastung neuer KWK-Anlagen mit der EEG-Umlage auf Eigenstrom, zurückgenommen. Damit wird der EEG-rechtliche Schlingerkurs der Bundesregierung bei der KWK-Eigenstromentlastung, der durch Kommunikationspannen, intransparente europäische Abstimmungsprozesse, politische Blockaden und umweltenergiepolitische Orientierungslosigkeit geprägt war, durch ein nach wie vor unschlüssiges Nachjustieren fortgesetzt. Dabei war die Motivation des Gesetzgebers wohl auch weniger eine energiepolitische Kurskorrektur, sondern vermutlich eher eine Reaktion auf das Urteil des EuGH zum fehlenden Beihilfencharakter des EEG 2012 (EuGH, Urteil vom 28. März 2019 – C-405/16 P –), welches nach Auffassung der Bundesregierung auf das KWKG übertragbar ist. Nachdem es hierzu bislang noch keine offizielle Stellungnahme der EU-Kommission gibt, ist die Bundesregierung hier mit einer schnellen Umsetzung vorgeprescht.

 

Ein Schritt zurück: Rückwirkende Erhöhung der EEG-Umlage auf KWK-Eigenstrom


Mit dem Energiesammelgesetz vom Frühjahr 2019 hat der Gesetzgeber rückwirkend zum 01.01.2018 die EEG-Umlageentlastung für Eigenstrom von Betreibern neuer KWK-Anlagen, die seit dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden und eine elektrische Leistung über 1 MW bis 10 MW aufweisen, nur noch für die ersten 3.500 Vollbenutzungsstunden eines Jahres auf 40% der EEG-Umlage reduziert. Für darüber hinausgehende selbst genutzte KWK-Strommengen mussten je nach Umfang der Überschreitung der 3.500 Vbh-Schwelle 100% bis 160% der EEG-Umlage (sog. „Claw Back – Mechanismus“) abgeführt werden. Damit wurde das Vertrauen in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für neue KWK-Investition und verlässliche Rahmenbedingungen durch die Energiepolitik erschüttert.

 

Ein halber Schritt vor: Rückwirkende Absenkung der EEG-Umlage


Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Regelung stellt nun wieder den ursprünglichen Zustand des EEG 2014 her: Neue KWK-Anlagen müssen für die selbstgenutzte KWK-Strommenge ab dem 1.1.2019 wie alle anderen KWKG- und EEG-Neuanlagen nur noch eine anteilige EEG-Umlage in Höhe von 40% entrichten. Die Beschränkung dieser Regelung auf 3.500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr sowie der Claw-Back-Mechanismus entfällt für diese KWK-Anlagen. Für das Jahr 2018 bleibt diese einschränkende Regelung samt Rückholmechanismus aber bestehen. Es erfolgt keine „Rückvergütung“ für das Jahr 2018. Damit bleibt der Vertrauensschaden der betroffenen KWK-Anlagenbetreiber für das Jahr 2018 unschlüssigerweise bestehen.

 

Die Gerichte müssen es richten?


Das EuGH-Urteil zum fehlenden Beihilfencharakter des EEG und die nun beabsichtigte Rücknahme liefern aber weitere Argumente für die Europa- und Verfassungsrechtswidrigkeit des nachträglichen Entzugs der EEG-Umlageprivilegierung. Zwar handelt es sich bei der Verschlechterung der förderrechtlichen Rahmenbedingungen für eine Investition nur um einen Fall sog. „unechter“ Rückwirkung, für den nur ein eingeschränkter Vertrauensschutz gilt. Nach den bisherigen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz-Grundsätzen liegt aber für den gesetzgeberischen Schlingerkurs zum KWK-Eigenstromprivileg noch nicht einmal diese Mindestanforderungen vor.


Betroffene KWKG-Anlagenbetreiber, insbesondere soweit sie als de-minimis-Stadtwerk gleichzeitig Netzbetreiber sind, sollten deshalb erwägen, bereits gezahlte EEG-Umlagen für 2018 zurückzufordern. Allerdings bedarf die Inanspruchnahme europa- oder verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes eines langen Atems: Ob ein Eingangsgericht über ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH den Weg zu europäischen Rechtsschutz eröffnet, ist nicht einklagbar. Auch wenn ein Vorabentscheidungsverfahren des EuGH als gerichtskostenfreies sog. „Zwischenverfahren“ das Prozesskostenrisiko nur unerheblich erhöht, führt der europarechtliche Argumentationsaufwand und die durch ein Zwischenverfahren eintretende Verfahrensverzögerung zu Mehraufwendungen. Entsprechendes gilt für die sog. „Richtervorlage“ zur Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung (Art. 100 Abs. 1 GG).


Insofern besteht zwar die Möglichkeit einer eigenen Verfassungsbeschwerde. Vor allem die verfassungsprozessrechtliche Voraussetzung der Erschöpfung des ordentlichen Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) führt aber zu einem hohen Verfahrensaufwand, einer langen Verfahrensdauer und entsprechenden verfahrensrechtlichen und tatsächlichen Risiken für die Inanspruchnahme verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes. Insofern sollten betroffene KWKG-Anlagenbetreiber ihren Durchsetzungsaufwand durch ein koordiniertes Vorgehen über ihre Verbände oder durch die Gründung einer Klägergemeinschaft verringern. Denn trotz des vergleichbaren Missverhältnisses zwischen Einzelschaden zu Einzelverfahrenskostenaufwand und Gesamtschaden ist das zur Ermöglichung von Rechtsschutz zur Lösung des vergleichbaren Dilemmas im Verbraucherschutzrecht geschaffene Musterfeststellungsklage (§§ 606 ZPO ff.) für die betroffenen KWKG-Anlagenbetreiber als Unternehmer in der Regel nicht anwendbar.

 

Was wurde sonst noch im KWKG aufgehoben ?


Außerdem wurden die beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalte für die KWK-Zuschläge für Bestandsanlagen (§ 13 Abs. 3 KWKG) aufgehoben sowie die Geltungsdauer des KWK-Gesetzes bis zum Jahre 2025 erweitert. Aufgrund der bisher ausstehenden europarechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission wurden die Bestandsanlagenförderungen nach §13 KWKG für das Jahr 2019 bislang nicht ausbezahlt. Insofern kann jetzt mit einer raschen Auszahlung der KWK-Zuschläge und einer Erledigung der zahlreichen Streitfälle europarechtlich begründeten Widerspruchsverfahren beim BAFA gerechnet werden.
Obwohl es nach der Entscheidung des EuGH zum fehlenden Beihilfecharakter des EEG naheliegend ist, auch beim KWKG von einem fehlenden Beihilfencharakter und damit von einer fehlenden Pflicht zur Genehmigung durch die EU-Kommission auszugehen ist, steht eine Abstimmung oder Bestätigung der EU-Kommission hierzu noch aus. Vor allem  muss das Gesetz jetzt noch den Bundesrat passieren und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, um Inkrafttreten zu können. Insofern bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat in Bezug auf die rückwirkende Aufhebung für das Kalenderjahr 2018 noch einmal nachbessert und die EU-Kommission die Auffassung der Bundesregierung ohne ein weiteres EuGH-Verfahren akzeptiert.

 

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