Singapur International Arbitration Center (SIAC) erlässt neue Schiedsregeln

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​Am 1. August 2016 trat die 6. Edition der Schiedsregeln des SIAC (SIAC-Rules 2016) in Kraft. Singapur will seine Position als anerkanntes „Arbitration-Hub” in der Asien-Pazifik-Region weiter ausbauen und in der internationalen Schiedspraxis eine besondere Stellung einnehmen. Dabei könnten die neuen SIAC Rules 2016 eine Rolle spielen, indem sie die Schiedsverfahren effektiver und effizienter gestalten.
 

 

Singapur als Arbitration-Hub

Singapur gewinnt seit der Gründung des SIAC im Jahr 1991 als Standort für Schiedsverfahren immer mehr an Bedeutung. Das zeigt der immense Zuwachs an Fällen in den letzten Jahrzehnten: Während sich das Fallaufkommen im Jahr 2000 auf lediglich 58 Schiedsverfahren belief, verzeichnete das SIAC 2015 bereits 271 Fälle. Damit liegt es vor dem Deutschen Institut für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), das im gleichen Jahr auf 140 Fälle kam. Der asiatische Wettbewerber, das 1985 gegründete Hong Kong International Arbitration Centre (HKIAC), zählte 2015 ebenfalls 271 Schiedsfälle.
 
Der Erfolgskurs wurzelt dabei nicht nur in der zentralen Lage Singapurs in der Asien-Pazifik-Region, dem transparenten und modernen Rechtsrahmen sowie der hohen Zahl an gut ausgebildeten lokalen und internationalen Juristen, sondern auch im politischen Bestreben, Singapur als Schiedsstandort zu etablieren. Daher verwundert es nicht, dass die die Verfahrensregeln des SIAC (Arbitration Rules) über die letzten Jahre im Abstand von jeweils 36 Monaten stets angepasst wurden.
 

Arbitration in der Vertragsgestaltung im Asien-Pazifik-Raum

Arbitration hat als alternative Streitbeilegung neben der Möglichkeit, ein staatliches Gericht mit der Streitschlichtung zu betrauen, eine immense Bedeutung in der Gestaltung internationaler Verträge. Gründe hierfür sind die Professionalität der Schiedsrichter und die i.d.R. kürzeren Verfahrensdauern, v.a. aber auch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Schiedsurteilen. Wichtigstes Regelwerk ist dabei das New Yorker Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen). Anders als ausländische Gerichtsurteile sind – soweit das jeweilige Land des Vollstreckungsschuldners dem New Yorker Übereinkommen beigetreten ist – Schiedsurteile u.U. auch in rechtlich komplizierteren Staaten, wie etwa Vietnam und Kambodscha, vollstreckbar. Neben bspw. China und Indien sind sämtliche Staaten der südostasiatischen Staatengemeinschaft (ASEAN) Mitglied des New Yorker Übereinkommens.
 
Wichtig ist jedoch, dass die Vertragsparteien die Schiedsklausel wirksam vereinbaren und keine wesentlichen Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisse (abhängig von einzelstaatlichen Vorbehalten zum New Yorker Übereinkommen bestehen. So müssen bei der Vertragsgestaltung in der Asien-Pazifik-Region auch der Zusammenhang zur Rechtswahl sowie einzelstaatliche Order-Public-Vorbehalte, etwa bei der Vertragssprache oder einzelnen Vertragsklauseln im Hinblick auf eine mögliche künftige Vollstreckung beachtet werden. Bspw. werden in Vietnam nur Schiedsurteile im Rahmen des New Yorker Übereinkommens anerkannt und vollstreckt, soweit sie u.a. der Verfassung und den Gesetzen Vietnams entsprechen. In einigen ASEAN-Staaten erfolgt eine Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsurteilen nur dann, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als „commercial” im Sinne des Landesrechts angesehen wird. Hierzu zählen Länder wie die Philippinen, Vietnam, Malaysia und Indonesien. Dort ist es u.U. bereits bei der Vertragsgestaltung, insb.aber in der Vorbereitungsphase eines Schiedsverfahrens notwendig, die landesrechtliche Auslegung des Begriffs „commercial” und die Spruchpraxis der Landesgerichte zu beachten.

 
Neuerungen durch die SIAC-Rules 2016

Die SIAC-Rules 2016 enthalten zum einen verfahrensrechtliche Innovationen und zum anderen Verbesserungen bestehender Verfahrensregeln. Ziel der Regeln ist es, nicht nur eine Effizienzsteigerung der SIAC-Verfahren zu erreichen, sondern auch den Ansprüchen von Parteien aus unterschiedlichen Rechtssystemen und Rechtskulturen gerecht zu werden.
 
Die Regeln bieten die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsstreitigkeiten aus verschiedenen Verträgen im Rahmen eines Schiedsverfahrens zu klären. Parteien, die unterschiedliche Vertragsverhältnisse zueinander pflegen und sich im Rahmen mehrerer Vertragsverhältnisse streiten, können die Rechtsstreitigkeiten nun in einem Schiedsverfahren klären. Das dürfte zu einer Verfahrensbeschleunigung sowie zu Kostenersparnissen führen und letztendlich dem Rechtsfrieden dienen. Eine denkbare Fallkonstruktion wäre etwa ein eskalierendes Joint-Venture-Verhältnis, bei dem die Parteien neben dem Joint-Venture-Vertrag zusätzlich über verschiedene Liefer-, Dienst- oder Mietverträge rechtlich miteinander verbunden sind und beginnen, sich im Rahmen verschiedener Verträge zu streiten.
 
Weiterhin ermöglichen die SIAC-Rules 2016 unter bestimmten Umständen, dass mehrere Schiedsverfahren zwischen 2 Parteien zu einem Verfahren verbunden werden oder dass weitere Parteien einem Schiedsverfahren beitreten können. Auch diese Neuerungen dürften zu einer Effizienzsteigerung führen. Zurückkommend auf die Fallkonstruktion des eskalierenden Joint-Venture-Verhältnisses wäre die Verbindung verschiedener Schiedsverfahren zu einem Verfahren in einer derartigen Konstellation denkbar, bspw. wenn sich die Joint-Venture-Parteien im Rahmen unterschiedlicher Schiedsverfahren über die Gewinnverteilung und zugleich über die Stimmrechte streiten. Der Beitritt weiterer Parteien, bspw. bei einem Joint-Venture-Verhältnis zweier Unternehmensgruppen, bei denen neben dem eigentlichen Joint-Venture-Vertrag noch Lieferverträge zu Tochtergesellschaften eines Joint-Venture-Partners bestehen, dürfte ebenfalls dem umfänglichen Rechtsfrieden dienen.
 
Neu ist zudem auch die frühzeitige Abweisung von Schiedsklagen oder -verteidigung auf Antrag einer Partei, soweit sie unbegründet ist oder offensichtlich nicht in die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes fällt. Das dürfte Parteien vor sich in die Länge ziehenden Verfahren bewahren, in denen der Verfahrensgegner sich sprichwörtlichen „Nebelkerzen” bedient, was bei grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen und der Unkenntnis der jeweils anderen Rechtslage ein beliebtes Mittel des Angriffs oder der Verteidigung ist.
 
Auch das 2010 eingeführte beschleunigte Verfahren ist angepasst worden. So wurde die Streitwertobergrenze von 5 Mio. Singapur-Dollar auf 6 Mio. Singapur-Dollar (etwa 4 Mio. Euro) angehoben. Somit können noch mehr Schiedsverfahren unter den Regeln des beschleunigten Verfahrens vollzogen werden, was zu einer Effizienzsteigerung führen dürfte.
 
Weitere Änderungen sind u.a. neue Regelungen zum Schiedsort, der in Abwesenheit einer Vertragsbestimmung künftig auch durch die Schiedsrichter bestimmt werden kann und nicht mehr standardmäßig in Singapur liegt. Zudem wurde das Eilschiedsrichterverfahren weiter beschleunigt, sodass nun innerhalb von 14 Tagen ein Schiedsurteil ergehen muss.
 

Ausblick

Allein im Jahr 2015 hatten 84 Prozent aller bearbeiteten SIAC-Fälle einen internationalen Bezug. Sie kamen aus den verschiedensten Bereichen des Wirtschaftsrechts, v. a. aus dem Handels-, Vertriebs- und Gesellschaftsrecht. Aufgrund der mit der 6. Edition der Arbitration Rules einhergehenden Neuerungen in punkto Effizienz der Schiedsverfahren ist trotz des hohen Fallaufkommens im Jahr 2015 von einer weiteren Steigerung in 2016 auszugehen. Bestärkt wird die Prognose durch die in beschleunigten Verfahren erhöhte Streitwertgrenze, die zu einer erheblichen Kosten- und Zeitersparnis und somit zu einem größeren Interesse an SIAC-Schiedsverfahren führen könnte. Um von den neuen Verfahrensregeln zu profitieren, muss der Weg zum SIAC durch eine entsprechende Schiedsklausel im Vertrag geöffnet sein. Damit man nicht nur auf dem Papier obsiegt, sondern am Ende eines Streites auch die Vollstreckung vollziehen kann, sollte bereits bei der Vertragsgestaltung eine mögliche Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsurteils berücksichtigt werden.
    

zuletzt aktualisiert am 07.09.2016 

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