Saudi-Arabien: Das neue Beweisgesetz

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veröffentlicht am 19. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

Am 8. Juli 2022 ist in Saudi-Arabien ein neues Beweisgesetz in Kraft getreten. Das neue Gesetz zielt darauf ab, Unstimmigkeiten vor Gericht zu beseitigen. Das neue Be­weisgesetz ist eines der vier Gesetzesvorhaben, die Kronprinz Mohammed bin Salman im vergangenen Jahr angekündigt hat. Das neue Beweisrecht unterstützt die Verwirk­lichung der Vision 2030 des Königreichs und das Ziel Saudi-Arabiens, sein Justiz­wesen im Einklang mit globalen Methoden und Praktiken zu entwickeln. Es wird erwartet, dass das neue Gesetz zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen und ein attraktives rechtliches Umfeld schaffen wird, das ein größeres Vertrauen in Verträge und Verpflichtungen im Allgemeinen ermöglicht.

 

  

  
  

Die Gesetzesänderung steht im Einklang mit den Bestimmungen weltweit anerkannter Rechtsstandards und das Projekt wird als Kernstück eines rechtlichen Umfelds angesehen, das Investitionen anziehen und die gewünschten rechtlichen Ziele erreichen kann.
 
Das neue Beweisgesetz wird für alle zivil- und handelsrechtlichen Transaktionen gelten. Darüber hinaus ist es auch auf Strafsachen anwendbar, soweit es keine regulierende Bestimmung in der Strafprozessordnung gibt und die Norm ihrem Wesen nach im Strafrecht anwendbar ist. In Ermangelung einer Bestimmung im Zivil­pro­zess­recht vor dem Beschwerdeausschuss ist das Gesetz auch auf Verwaltungssachen anwendbar.
 
Das neue Beweisgesetz wird, wenn es in Kraft tritt, die Bestimmungen des Zivilprozessrechts und des Han­dels­gerichtsgesetzes zum Beweisrecht ersetzen, so dass alle Bestimmungen zum Beweisrecht in einem einzigen Gesetz enthalten sein werden.
 
Für den Fall, dass das Beweisrecht eine Lücke aufweist, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Vor­schriften der Zivilprozessordnung und des Handelsgerichtsgesetzes Anwendung finden. Sollte auch hier eine Regelungslücke bestehen, gelten die Grundsätze der Scharia.
 
Das neue Gesetz führt verschiedene Arten von Beweisen ein: gerichtliche und außergerichtliche Beweise sowie schriftliche Beweise in amtlichen und gewöhnlichen Dokumenten, digitale Beweise, Zeugenaussagen, Gewohn­heit und Brauch, Eid, Einsichtnahme und Erfahrung sowie alle Beweise, die in der Scharia oder einem anderen anwendbaren Gesetz vorgesehen sind.
 
Jede Verfügung, deren Wert einhunderttausend saudische Riyals oder den Gegenwert in ausländischer Wäh­rung übersteigt, und jede Verfügung, deren Wert nicht angegeben ist, bedarf der Schriftform. Dies gilt nicht, wenn die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben oder wenn es eine gesetzliche Bestimmung gibt, die eine nichtschriftliche Erklärung zulässt. 
 
Das Beweisgesetz erlaubt nun die Vorlage digitaler Beweismittel. Der Justizminister wird zusammen mit dem Obersten Justizrat Vorschriften über das elektronische Verfahren im Zusammenhang mit der Vorlage und Prüfung von Beweisen und dem Erlass von Urteilen auf dieser Grundlage erlassen. Das Gesetz verleiht dem digitalen Beweis den gleichen Beweiswert wie dem traditionellen schriftlichen Dokument.
 
Das Gericht hat das Recht, außerhalb des Königreichs aufgenommene Beweise anzuerkennen, einschließlich Papier- und digitale Dokumente, die von den zuständigen Behörden des Staates, in dem das Dokument aus­ge­stellt wurde, beglaubigt und von den zuständigen saudischen Behörden bestätigt werden müssen. Alle auslän­dischen Dokumente müssen vom saudischen Außenministerium und dem Justizministerium beglaubigt und ins Arabische übersetzt werden.
 
Das neue Gesetz betont, dass kein Zeuge aufgrund seiner Aussage Konsequenzen fürchten darf. Das Gericht muss jeden Versuch verhindern, den Zeugen einzuschüchtern oder zu beeinflussen. Darüber hinaus gibt es jetzt das Konzept der direkten Zeugenvernehmung. Prozessbeteiligte können nun Fragen direkt an den Zeugen stel­len. Sie müssen ihre Fragen nicht mehr direkt an den Richter richten, der nach eigenem Ermessen entscheiden kann, ob er die Frage an den Zeugen weiterleitet. Das Gericht kann nun auch von sich aus Zeugen aufrufen, ohne dass eine der Parteien dies beantragt hat.
 
Das neue Gesetz regelt auch die Hinzuziehung eines Sachverständigen. Der Richter darf nicht auf der Grundlage seines persönlichen Wissens urteilen.
 
Die Parteien können eigene, vom Beweisrecht abweichende Regelungen vereinbaren, die vom Gericht akzep­tiert werden müssen. So können die Parteien beispielsweise vereinbaren, das Ergebnis eines Sachver­stän­di­gen­gutachtens bei der Vorbereitung eines Rechtsstreits zu akzeptieren oder auf Antrag einer Partei bestimmte Dokumente von der Vorlage bei Gericht auszuschließen, um die Vertraulichkeit zu wahren.
 
Es gibt kein streng formalisiertes Verfahren zum Nachweis von Verpflichtungen zwischen den Parteien. Auf­grund des „Discovery-Konzepts” können die Parteien nun die Offenlegung von Dokumenten von der anderen Partei verlangen.

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Tarek Antaki

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