ESG-Faktoren in der Unternehmensbewertung – Relevanz und Herausforderungen

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 25. März 2025 I Lesedauer ca. 6 Minuten


Nachhaltigkeit gewinnt in der Finanzwelt zunehmend an Bedeutung – doch wie relevant sind ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) tatsächlich in der Unternehmensbewertung? Unsere Umfrage von Bewertungsexperten zeigt: Während ESG-Kriterien als relevant anerkannt werden, mangelt es noch an der praktischen Integration in Bewertungsmodelle. Fehlende Standardisierung, unzureichende Daten und methodische Unsicherheiten bremsen den Fortschritt. Was die wichtigsten Erkenntnisse unserer Umfrage sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.

ESG-Faktoren in der Unternehmensbewertung – Relevanz und Herausforderungen

Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren gewinnt in der Unternehmensbewertung zunehmend an Bedeutung. Eine von uns durchgeführte und in der Fachzeitschrift „Corporate Finance“ veröffentlichte Umfrage unter den Mitgliedern der European Association of Certified Valuators and Analysts (EACVA) zeigt jedoch, dass ESG-Aspekte bislang nur teilweise in Bewertungsmodelle integriert werden. Dies veranschaulicht, dass trotz des steigenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit in der Finanzwelt noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ESG-Faktoren nicht nur als zusätzliche Berichtspflicht zu sehen, sondern aktiv in ihre Bewertungsprozesse zu integrieren.

Zentrale Erkenntnisse unserer Umfrage​

  1. ​​Begrenzte ESG-Integration ​​​​​
    Nur knapp die Hälfte der Befragten berücksichtigen ESG-Faktoren in Discounted-Cashflow (DCF)-Modellen und lediglich 8 % in Multiplikatorbewertungen. Viele Bewerter tun sich schwer, ESG-Faktoren methodisch konsistent in bestehende Modelle einzubinden. Dies liegt nicht nur an der Datenlage, sondern auch an Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen finanziellen Auswirkungen von ESG-Initiativen.
  2. Branchenspezifische Unterschiede
    ESG wird besonders in energieintensiven Branchen wie Energieversorgung, Chemie, Automobil und Metall als relevant angesehen. Unternehmen in diesen Branchen sind oft stärker von regulatorischen Anforderungen betroffen, wodurch ESG-Faktoren generell auch in Unternehmensbewertungen eine größere Rolle spielen. In weniger regulierten Sektoren hingegen besteht noch Zurückhaltung bei der Integration.​
  3. Herausforderungen bei der Integration
    Aktuell fehlt eine transparente Quantifizierung von ESG-Faktoren. Insbesondere variierende ESG-Ratings, mangelnde Standardisierung und das Risiko der Doppelbewertung erschweren die Anwendung. Des Weiteren ist die Datenlage oft unzureichend, was zu Unsicherheiten in der Bewertung führt. Zudem fehlt es an klaren Richtlinien, wie ESG-Faktoren in finanzielle Modelle zu integrieren sind.
  4. Relevanz für Unternehmenswerte
    ESG-Faktoren beeinflussen insbesondere Investitionen, Energiekosten und Erträge. Während nachhaltige Unternehmen oft einen höheren Unternehmenswert erzielen, sind die Auswirkungen insgesamt schwer vorhersehbar. Einige Studien zeigen, dass ESG-Kriterien langfristig zu stabileren Erträgen und geringeren Risiken führen können. Dennoch bleibt die Frage, in welchem Umfang Investoren ESG-Aspekte tatsächlich monetär bewerten.
  5. Praktische Umsetzung
    Anpassungen erfolgen derzeit vorrangig bei Cashflows. Langfristige Effekte auf den Terminal Value werden hingegen seltener modelliert. Einige Bewerter experimentieren mit erweiterten Planungszeiträumen, um ESG-Faktoren adäquat zu erfassen. Zudem besteht Unsicherheit, ob ESG-Faktoren in den Kapitalkosten abgebildet werden sollten oder ob sie als separates Risiko betrachtet werden müssen.
  6. ESG-Ratings als Messinstrument
    Viele Bewerter nutzen ESG-Ratings, oft aufgrund ihrer Verfügbarkeit und nicht wegen fundierter Methodik. Unterschiedliche Bewertungsmethoden und mangelnde Transparenz der Ratingagenturen stellen hier eine besondere Herausforderung dar. Dies führt dazu, dass Unternehmen je nach gewählter Ratingagentur sehr unterschiedliche ESG-Scores erhalten können.

Handlungsbedarf und Zukunftsaussichten 

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen deutlich, dass es an einer einheitlichen Vorgehensweise für die Integration von ESG in die Unternehmensbewertung fehlt. Bewertungspraktiker fordern zunehmend standardisierte Leitlinien, um ESG-Faktoren konsistent einbinden zu können. Ein weiterer Ausbau der ESG-Datenbasis, die Schaffung regulatorischer Rahmenbedingungen sowie eine verbesserte Transparenz bei den ESG-Ratings könnten hierbei helfen. Zudem ist die Entwicklung von Methoden notwendig, die eine objektivere Bewertung von ESG-Faktoren ermöglichen, um deren Einfluss auf den Unternehmenswert besser quantifizierbar zu machen.
 
Die Teilnehmenden der Umfrage erwarten, dass ESG-Kriterien künftig eine noch größere Rolle bei Investitionsentscheidungen und Unternehmensbewertungen spielen werden und auch Investoren und Stakeholder legen verstärkt Wert auf nachhaltige Unternehmenspraktiken. Dies dürfte sich mittel- bis langfristig auch in Bewertungsmodellen widerspiegeln.

Fazit 

ESG-Faktoren werden in der Praxis noch nicht einheitlich in Unternehmensbewertungen integriert, gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Eine Standardisierung von Bewertungsmethoden sowie eine genauere Quantifizierung sind erforderlich, um ESG-Spezifika effektiv in die Bewertungspraxis einzubinden. Angesichts der wachsenden regulatorischen Anforderungen sollten Unternehmen und Bewerter ESG-Fragen strategisch in ihre Analysen einfließen lassen. Aufgrund fehlender Vorschriften und einer Vielzahl von Herausforderungen ist eine gründliche Analyse der zugrundeliegenden Daten jedoch entscheidend für die erfolgreiche Einbeziehung von ESG-Faktoren in eine Unternehmensbewertung. Die Entwicklung neuer Bewertungsansätze wird entscheidend sein, um diese dauerhaft in die Praxis der Unternehmensbewertung einzubinden.​​
​​​

Aus dem Newsletter



​​




Kontakt

Contact Person Picture

Cyril Prengel

Diplom-Kaufmann, EMBA (M&A), Certified Valuation Analyst (CVA)

Partner

+49 911 9193 3350

Anfrage senden

Contact Person Picture

Thomas Götz

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Associate Partner

+49 911 9193 1499

Anfrage senden

Contact Person Picture

Heidi Beyer

Associate

+49 911 9193 1012

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu