Investitionsschutz in bewegten Zeiten: Der Brexit und seine Konsequenzen

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veröffentlicht am 25. April 2019


Mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union entfallen die mit dem Binnenmarkt verbundenen EU-internen Investitionssicherheiten. Für Investoren im Vereinigten Königreich stellt sich nun die Frage, wie Investitionen gesichert werden können.


Die rechtlichen Folgen des Brexit sind unklar, denn ein bilateraler Investitionsschutzvertrag zwischen der Europäischen Union und Großbritannien existiert bis heute nicht.


  

Das Vereinigte Königreich wird gemäß den Plänen zum 29. März 2019 aus der Europäischen Union ausschei­den. Der sog. Brexit, eine Wortneuschöpfung, die sich aus dem Wörterpaar „British Exit” zusammensetzt, ist die Folge eines Referendums vom 23. Juni 2016, bei dem 51,89 Prozent der Wähler des Vereinigten Königreichs für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben.


Der Brexit bereitet vielen Unternehmen in den verschiedensten Branchen Sorgen. Nach einer Studie der Confederation of British Industry, der größten Wirtschaftsorganisation Großbritanniens und Vertretung der Interessen der britischen Industrie, gaben vier von fünf Unternehmen an, ihre Investitionen aufgrund des Brexits zurückfahren zu wollen.


Den verhandelnden Parteien ist es in den zwei Jahren seit der Austrittserklärung nicht gelungen, den Brexit umfassend und rechtssicher zu regeln. Es kann festgehalten werden, dass im Falle eines Brexits ohne Austrittsabkommen viele für Investoren relevante Gesetzesänderungen in Großbritannien in Kraft treten werden. Werden keine Übergangsregelungen vereinbart, ist Großbritannien für europäische Investoren ab dem 30. März 2019 grundsätzlich wie ein Drittland zu behandeln. Um schwerwiegende Folgen zu vermeiden, sind umfassende Handels- und Wirtschaftsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union notwendig.


Investitionsförder- und Investitionsschutzverträge

Hierbei kommen die Grundsätze des Investitionsschutzes in Form von Investitionsförderungs- und Investitionsschutzverträgen (IFV) ins Spiel. Bei solchen Abkommen handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die zwischen zwei (bilateral) oder mehreren (multilateral) Ländern geschlossen werden. Weltweit existieren über 3.000 solcher Investitionsschutzverträge.


Die Bundesrepublik Deutschland hat seit 1959 mehr als 130 bilaterale Investitionsschutzverträge abgeschlossen. Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 wurde die Zuständigkeit für die Verhandlung und den Abschluss der Verträge auf die Europäische Union übertragen. Der EU-Kommission wird damit die Möglichkeit eingeräumt, für die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten Investitionsschutzabkommen zu vereinbaren.


Sinn und Zweck der IFV ist der Schutz der Investitionen vor Wertverlust. Dabei können sich grundsätzlich alle Investoren mit Zugehörigkeit zum Vertragsstaat auf das Abkommen berufen, wobei sich die Zugehörigkeit nach dem Sitz des Unternehmens bestimmt.


Die Bedeutung der IFV ergibt sich daraus, dass international tätige Investoren mit Investitionen im Ausland ein höheres Risiko eingehen als dies bei rein inländischen Investitionen der Fall ist. Das Risiko kann sich bspw. dann äußern, wenn Investoren ihre Interessen vor den lokalen Gerichten und gegenüber lokalen Regulierungsbehörden geltend machen müssen und hierbei im Vergleich zu einheimischen Unternehmen Nachteile erleiden.


Umgekehrt steigert die Existenz eines Investitionsschutzabkommens neben dem Schutz der Investoren die Attraktivität eines Landes für Unternehmen.


Typische Regelungsinhalte

Ein zentraler Aspekt der IFV betrifft für Investoren besonders relevante Regelungsinhalte, wie der Schutz des Eigentums gegen Enteignung ohne Entschädigung sowie der freie Transfer von Kapital und Erträgen.
Weiter werden die Vertragsstaaten üblicherweise verpflichtet, die Kapitalanlagen von Investoren in jedem Fall gerecht und billig zu behandeln und den ausländischen Kapitalanlagen im eigenen Hoheitsgebiet vollen Schutz und Sicherheit zu gewährleisten.


Rechtsschutz bei Investitionsstreitigkeiten

Bei Bestehen von IFV existiert bei Investitionsstreitigkeiten i.d.R. die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren anzurufen, das den Investoren die Möglichkeit gibt, unabhängig von den staatlichen Gerichten vor Ort in einem internationalen Klageverfahren die Verletzungen der Investitionsschutzbestimmungen geltend zu machen.


Investitionsgerichte erleichtern den Investoren den Schutz der Kapitalanlage, da Verfahren vor diesen im Vergleich zu Verfahren vor örtlichen Gerichten Vorteile bringen, die in der Effizienz zum Ausdruck kommt. Den Vorteil spielen die Verfahren verstärkt dann aus, wenn in Bezug auf das Land, in dem investiert werden soll, geringere Maßstäbe an den Rechtstaat anzusetzen sind als dies in der Europäischen Union der Fall ist.

Investitionsrechtliche Schiedsverfahren existieren in verschiedenen Ausgestaltungen. Denkbar ist, dass ein ausländischer Investor ein Verfahren gegen den Staat, in dem er investiert hat, anstößt (Investor-state dispute settlement bzw. Investor-Staat-Streitbeilegung). Alternativ kann auch ein Staat das Verfahren für den Investor in einem Staat-Staat-Schiedsverfahren bestreiten. Inhalt ist in beiden Fällen der Verstoß gegen die Investitionsstandards.


Investitionen in Großbritannien – die Situation nach dem Brexit

Ab dem Zeitpunkt des Austritts aus der Europäischen Union finden die Regelungen des Binnenmarkts und der damit verbundene EU-interne Investitionsschutz keine Anwendung mehr.


Auch wenn das Klima durch die Ungewissheiten aufgrund des Brexits wenig investitionsfreundlich ist, dürfte sich an der Position Großbritanniens als ein führendes Investitionsland in Europa – insbesondere für Investoren aus dem angloamerikanischen Raum – jedoch wenig ändern. Denn grundsätzlich ist festzuhal­ten, dass Großbritannien ausländischen Investoren ein hohes Sicherheitsniveau bietet.


Großbritannien belegt auf dem Rule of Law Index 2016 des World Justice Projects, einer unabhängigen Institution, die u.a. vom amerikanischen Außenministerium und der amerikanischen Rechtsanwaltskammer unterstützt wird, den 10. Platz. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklungen der Rechtsstaatlichkeit auf der ganzen Welt zu untersuchen und zu dokumentieren.


Die Positionierung Großbritanniens neben weiteren EU-Mitgliedstaaten (unter den ersten 30 Plätzen befinden sich 16 Mitgliedstaaten der Europäischen Union) bringt zum Ausdruck, dass in der Europäischen Union und ihren Ländern nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen im gemeinsamen Binnenmarkt ein hohes Maß an Rechtssicherheit vorherrscht.


Die Situation in Großbritannien – mit unabhängigen Gerichten, einer starken Legislative und einer funktionierenden Verwaltung – wird auch nach dem Brexit in keiner Weise mit der Situation in Entwicklungsländern zu vergleichen sein, in denen andere Maßstäbe an die Rechtstaatlichkeit zu stellen sind.


Längerfristig dürften der britische Absatzmarkt, aber auch die geografische Nähe zu Europa für Investoren entscheidend sein. Deshalb kann auch ein ungeordneter Brexit nichts daran ändern, dass Europa für Großbritannien ein wichtiger Handelspartner ist – und umgekehrt.


Fazit

Auch wenn Großbritannien über ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit verfügt, sollten Unternehmen mit Investitionen in Großbritannien bereits jetzt eventuelle Risiken für ihre Investitionen prüfen lassen, um für alle Eventualitäten abgesichert zu sein.

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