DLOM: Der Fungibiltätsabschlag in der (Unternehmens-)Bewertung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 29. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


In der anglo-amerikanischen Bewertungsliteratur ist es weit verbreitet, dass Investoren für nicht-fungible Anteile einen Preisabschlag aufgrund des höheren Risikos fordern. Dieser sogenannte Fungibiltätsabschlag (DLOM) kann beispielsweise eine hohe Relevanz in IFRS 2-, IFRS 13- oder 409A-Bewertungen haben. Nachfolgend zeigen wir die Herkunft und Anwendungsfälle des DLOMs näher auf und gehen dabei auf die Stärken und Schwächen der Benchmark-Studien und von optionspreismodellbasierten Verfahren ein. ​



Definition & Herkunft

Der Discount for Lack of Marketability, kurz DLOM, bezeichnet in der Bewertung den Betrag, der vom Wert eines nicht-börsennotierten Unternehmensanteils abgezogen wird, um dessen eingeschränkte Verkäuflichkeit widerzuspiegeln. In der deutschen Bewertungspraxis werden häufiger die Begriffe Fungibilität bzw. Fungi­bili­täts­ab­​schlag anstatt Marktfähigkeit bzw. Marktfähigkeitsabschlag verwendet.

Die Marketability (Fungibilität) ist dabei von der Liquidity (Liquidität) abzugrenzen. Während die Liquidity lediglich berücksichtigt, ob ein Unternehmensanteil kurzfristig veräußerbar ist, umfasst die Marketability auch, dass der Verkauf des Unternehmensanteil zu niedrigen Kosten und zu einem mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehbaren Preis erfolgt. 

Neben dem DLOM ist auch ein Abschlag für fehlende Kontrolle (Discount for Lack of Control – DLOC) möglich, wobei die bestehende bzw. fehlende Kontrolle gemäß wissenschaftlichen Untersuchungen auch einen Einfluss auf den DLOM haben kann.

Seinen Ursprung hat der DLOM im anglo-amerikanischen Raum. Dort wurden bereits in den 1970er Jahren erste empirische Studien durchgeführt, die Evidenz für seine Existenz liefern. Mit der Berücksichtigung des DLOMs durch US-Steuerbehörden und US-Gerichte stieg die Bedeutung in der anglo-amerikanischen Be­wer­tungs­praxis schnell an. Mit der Zeit wurden unterschiedliche Vorgehensweisen zur Bestimmung des DLOMs ent­wickelt. Auf ausgewählte Ansätze mit hoher Praxisrelevanz wird untenstehend näher eingegangen.

Anwendungsfälle

Da mittels Bewertungsverfahren typischerweise Marktwerte ermittelt werden, ist es insbesondere in der anglo-amerikanischen Bewertungsliteratur anerkannt, dass Investoren für nicht-fungible Anteile einen Abschlag auf den Marktpreis aufgrund des höheren Risikos fordern. Nach Ansicht des Fachausschusses für Unternehmens­​bewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), dem führenden deutschen Standardsetzer in der Unternehmensbewertung, sind Unternehmensan­​teilsabschläge vom jeweiligen Anteilseigentümer abhängig (d.h. subjektiv). In Folge der Subjektivität sind Abschläge daher nicht bei einer objektivierten Anteilswertermittlung zu berücksichtigen. Da sich die deutschen Steuerbehörden und Gerichte stark an den Vorgaben der IDW Standards orientieren, ist das Anwendungsfeld in der deutschen Bewertungspraxis im Gegensatz zum US-amerikanischen Raum auf den ersten Blick begrenzt. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass insbesondere bei Bewertungen für Kaufpreisverhandlungen DLOMs relevant sein können.

Weitere Anwendungsfälle ergeben sich bei der Bewertung von Mitarbeiter-Optionsprogrammen nach dem internationalen Bilanzierungsstandard IFRS 2 oder bei der Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 bzw. IFRS 13. Auch für deutsche Unternehmen kann eine sogenannte 409A-Bewertung in den USA, in welcher häufig DLOMs zu Anwendung kommen, notwendig sein, bspw. wenn US-Mitarbeiter mittels Mitarbeiter-Optionsprogramm incentiviert werden.

Ausgewählte Ansätze mit hoher praktischer Relevanz​

In den letzten Jahrzehnten wurden unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des DLOMs entwickelt. Eine hohe praktische Relevanz haben insbesondere Benchmark-Studien und optionspreismodellbasierte Verfahren. 

Benchmark-Studien ​

In diesen Studien werden die DLOMs entweder auf Basis von Restricted Stock- oder Pre-IPO-Transaktionen ermittelt. 

Im anglo-amerikanischen Raum sind Restricted Stocks (d.h. Aktien mit zeitlich limitierter Handelsbeschrän­​kung) verbreitet. Diese werden insbesondere von börsennotierten Gesellschaften an Mitarbeiter als aktien­basier­te Vergütung ausgegeben. Für die Ermittlung des DLOMs werden die Transaktionspreise der Restricted Stocks mit dem zum Transaktionszeitpunkt gültigen Aktienkurs verglichen. Dabei ist sicherzustellen, dass sich die Restricted Stocks von den normalen Aktien lediglich durch die eingeschränkte Handelbarkeit unter​­schei­den. Anderenfalls wäre der niedrige Preis auch durch andere Faktoren (beispielsweise fehlendem Divi­den­den­an­spruch oder Stimmrecht) zu erklären.

Seit den ersten Studien in den 1970er Jahren, welche auf Daten der späten 1960er Jahren basieren, wurden zahlreiche weitere Restricted Stock-Studien in den USA durchgeführt. Die letzten bekannteren Studien basieren auf Transaktionen aus den 1990er Jahren. Im Median ermitteln die früheren Studien häufig DLOMs von 30-35 Prozent, während in späteren Studien DLOMs von 20-27 Prozent ermittelt wurden. In der Fach­li­tera­tur werden insbesondere die veralteten Daten kritisch gesehen. Weiter hat sich die Gesetzgebung, auf denen die Restricted Stocks basieren, im Laufe der Jahrzehnte deutlich geändert. Dabei ist insbesondere die vor­ge­schrie­be­ne Haltedauer erheblich gesunken. Dies erklärt u.a., weshalb sich die DLOMs in den Restricted Stock-Studien rückläufig entwickeln. In der Literatur wird zudem diskutiert, ob das Risikoprofil von börsennotierten Unternehmen als Grundlage der Restricted-Stock Studien vergleichbar mit dem Risikoprofil von kleineren, nicht-börsennotierten Unternehmen, auf die der DLOM angewendet wird, ist.

Ein weiterer Ansatz von Benchmark-Studien ist der Vergleich von Pre-IPO-Transaktionen mit dem IPO-Preis. Die Preisdifferenz ist gemäß dieser Studien durch die fehlende Fungibilität in der Periode vor dem IPO zu erklären. In Pre-IPO-Studien wurden zum Teil deutlich höhere DLOMs als auf Basis der Restricted Stocks ermittelt. Fraglich ist, ob die Transaktionen zu drittüblichen Preisen (at arm’s length) durchgeführt wurden. Weiter ist der Beobachtungszeitraum der Studien von hoher Bedeutung. Zu Zeiten des neuen Markts können erhebliche Verzerrungen in den Grunddaten vorliegen. Zudem werden Transaktionspreise von unterschiedlichen Stich­ta­gen miteinander verglichen. Die Ertragssituation der Unternehmen kann sich in dieser Zeit beispielsweise erheblich ändern, sodass die Preisdifferenz durch andere Gründe erklärbar ist. Es besteht die Möglichkeit, eine veränderte Ertragssituation über eine Korrektur (beispielsweise Multiple-basiert) zu bereinigen. Die Belast​­bar­keit ist dennoch zu hinterfragen. Die in der Praxis häufig verwendeten Studien sind ebenfalls mehrere Jahr­zehn­te alt, sodass sich die Frage der Datenaktualität und der Bezug zum Bewertungsstichtag auch bei dieser Form der Benchmark-Studie stellt. 

Aufbauend auf die Benchmark-Studien hat sich lange Zeit ein DLOM von ca. 20-35 Prozent als „Rule of Thumb“ (Faustformel) etabliert. Aufgrund der bestehenden Schwächen der Studien wird diese jedoch mittlerweile sehr kritisch gesehen. Pauschale Ansätze ausgehend von mittleren Studienergebnisse werden von US-Steuer­be­hör­den und Gerichten häufig abgelehnt. Sofern die Studien zur Bestimmung des DLOMs herangezogen werden, ist es empfehlenswert, einzelne vergleichbare Transaktionen auszuwählen und auf Basis der individuellen Peer Group einen DLOM zu ermitteln. Das Problem der Datenaktualität bleibt allerdings weiterhin bestehen.

Optionspreismodellbasierte Verfahren

Für ein besseres Verständnis der optionspreisbasierten Methoden ist es notwendig, sich zu verdeutlichen, dass das Fungibilitätsrisiko in zwei Richtungen (erschwerte Verlustbegrenzung sowie Gewinnrealisierung) ausgeprägt ist. Auf der einen Seite trägt der Erwerber das Risiko, dass er im Falle eines sinkenden Werts die Anteile nicht schnell veräußern und somit seinen Verlust nicht begrenzen kann. Schließlich geht ein Notverkauf (Fire Sale) in der Regel mit einem weiteren Wertabschlag einher. Auf der anderen Seite trägt der Erwerber auch das Risiko, dass er bei einer Wertsteigerung des Anteils diesen nicht unmittelbar zum aktuellen Wert veräußern kann. 

Mittlerweile bestehen zahlreiche Modelle, welche in der Regel nach ihrem Erfinder benannt sind. Zu den bekanntesten Modellen gehören: 
  • Chaffe-Modell
  • Longstaff-Modell
  • Finnerty-Modell
  • Ghaidarov-Modell
  • Asian-Put-Modell

Auch wenn die Modelle auf unterschiedlichen Ansätzen basieren, werden häufig dieselben Input-Faktoren verwendet: insbesondere die Laufzeit, Volatilität und Dividendenrendite.

Obwohl die Ableitung der Input-Faktoren herausfordernd sein kann, besteht die Möglichkeit, die Options­​preismodelle auf die spezifische Bewertungsherausforderung auszurichten. Das Problem der Datenaktualität besteht in keinem dieser Ansätze. Für die Ermittlung der Volatilität kann auf anerkannte Ansätze zurückge­​griffen werden. Typischerweise erfolgt bei nicht-börsennotierten Unternehmen die Volatilitäts­​ermittlung mittels Peer Group. Denkbar ist dabei die Verwendung von historischen oder impliziten Volatilitäten. Die Volatilität fungiert als Maß für die Unsicherheit. Eine höhere Volatilität bedeutet, dass die zukünftige Preisentwicklung unsicherer ist. Im Kontext des DLOMs bedeutet dies, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Preisänderung innerhalb des Veräußerungszeitraums bei Unternehmen mit höherer Unsicherheit (Volatilität) höher ist. Der DLOM für diese Unternehmen fällt entsprechend höher aus. Die Laufzeit ist in optionspreismodellbasierten Verfahren ebenfalls freiwählbar und auf das Bewertungsobjekt oder Branchenbesonderheiten anpassbar und nicht implizit auf Basis der Studiendaten vorgegeben. Die Laufzeit (d.h. die Zeit, die für eine Veräußerung (kein Notverkauf) benötigt wird, ist von großer Bedeutung, da die Wahrscheinlichkeit für eine Preisänderung mit zunehmender Zeit steigt. Die Berücksichtigung der individuellen Ausschüttungssituation stellt einen großen Mehrwert dar, da Ausschüttungen eine Form der Teilliquidation sind und somit das Risko des Unterneh­​mensinhaber reduzieren.

In der Fachliteratur werden intensiv die Stärken und Schwächen der Modelle diskutiert. Das individuelle Profil der Modelle determiniert den Anwendungsbereich. Beispielsweise basiert das Chaffe-Modell auf einer europäischen Put-Option. Mittels europäischer Option sichert sich der Optionsinhaber das Recht, seinen Anteil zu einem vorher festgelegten Preis zu verkaufen. Diese Form der Option sichert den Optionsinhaber damit gegen einen sinkenden Preis ab, sie kann jedoch lediglich nur am Ende der Laufzeit ausgeübt werden. Die Abbildung mittels europäischer Put-Option führt technisch dazu, dass für Unternehmen mit höheren Aus­schüttun­gen höhere Abschläge ermittelt werden. Vor dem Hintergrund der Risikoreduktion durch Aus­​­schüt­tungen ist dieses Ergebnis logisch nicht erklärbar. Eine Anwendung des Chaffe-Modells bei ausschüt​­tungs­star­ken Unternehmen ist daher nicht geeignet. Im Longstaff-Modell können bei längeren Laufzeiten und höheren Volatilitäten auch DLOMs von >100 Prozent ermittelt werden. Auch diese Ergebnisse sind logisch nicht begründbar und limitieren daher den Einsatzbereich des Modells. Das Finnerty-Modell hat hingegen eine Obergrenze von ca. 32 Prozent. D.h. mittels dieses Modells können keine DLOMs von > ca. 32 Prozent ermittelt werden. In der Praxis wird darin gelegentlich ein Vorteil gesehen, da der maximale DLOM in Einklang mit den mittleren Ergebnissen der Benchmark-Studien steht und somit schwer angreifbar ist. Jedoch kann es Situa­tio­nen geben, die einen deutlich höheren DLOM rechtfertigen. Die kurzen Ausführungen zeigen, dass die Modellwahl einzelfallabhängig ist.
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Einflussfaktoren

Unabhängig vom gewählten Ansatz (Benchmark-Studie oder optionspreisbasiertes Verfahren) ist es empfehlenswert qualitative Faktoren in den Überlegungen zu berücksichtigen. Wichtige Faktoren sind: 
  • Gesellschafterstruktur
  • Gesellschaftsrechtliche Übertragungsbeschränkungen
  • Veräußerungsmöglichkeiten
  • Kontrolle
  • Geschäftstätigkeit
  • Einnahmensicherheit
  • Ausschüttungsfähigkeit

Viele Faktoren können implizit in den Ansätzen berücksichtigt werden. In Benchmark-Studien können bei­spiels­wei­se Transaktionen von Vergleichsunternehmen mit ähnlicher Geschäftstätigkeit oder Ge­sell­­​schaf­ter­struk­tur hergezogen werden. Die Volatilität spiegelt implizit die Einnahmensicherheit des Unterneh­​mens wider und sollte nach Möglichkeit auf Basis von Unternehmen mit vergleichbarer Geschäftstätigkeit ermittelt werden. Die Ausschüttungsfähigkeit schlägt sich beispielsweise in der Dividendenrendite als Input-Faktor nieder.
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Fazit

Die Darstellung der unterschiedlichen Ansätze zeigt deutlich die Mehrwerte von optionspreisbasierten Modellen aufgrund des höheren Individualisierungsgrads und der gegebenen Datenaktualität auf. Für eine Gesamtwürdigung und Plausibilisierung der Ergebnisse ist aufgrund der bestehenden Schwächen weiterhin eine Methodenpluralität mit einer Bezugnahme zu den Benchmark-Studien empfehlenswert. Die Methodenwahl ist je Einzelfall in Abhängigkeit vom Bewertungsobjekt und -kontext zu treffen. Aufgrund der unterschiedlichen Stärken und Schwächen setzt dies neben dem Zugang zu umfangreichen Finanzinformationen auch ein detailliertes Verständnis für die unterschiedlichen Ansätze voraus.

Es wird sich zeigen, ob auch in Zukunft neue optionspreisbasierte Verfahren zu einer sukzessiven Verbesserung der bestehenden Schwächen führen und die praktische Relevanz von Benchmark-Studien weiter abnimmt.

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