Anforderungen an eine Entgelterhöhung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG

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​​​​​veröffentlicht am 29. August 2024

Urteil des OLG Zweibrücken vom 20.8.2024 – 8 U 62/23


Der klagende Verein, der in der beim Bundesamt für Justiz geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen ist, hat die Beklagte, die vollstationäre Pflegeeinrichtungen betreibt, wegen eines eine Entgelterhöhung betreffenden Schreibens auf Unterlassung und Folgenbeseitigung sowie die Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.​
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Der Kläger rügte im Hinblick auf das Schreiben Folgendes:
  • Das Anschreiben unterscheide nicht zwischen Einzel- und Doppelzimmern.
  • Es führe den Umlagemaßstab nicht an.
  • Die Begründungen für die einzelnen Kostensteigerungen seien nicht hinreichend dargetan; die Mieterhöhung und die Instandhaltungskostensteigerungen hätten konkret beziffert werden müssen.
  • Durch das Schreiben werde der Eindruck erweckt, dass die Erhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner wirksam werde, es hätte eine von beiden Seiten zu unterzeichnende Nachtragsvereinbarung vorgesehen werden müssen.

Nachdem das Landgericht Frankenthal 6.7.2023 – 3 O 293/22 die Klage abgewiesen hatte, legte der klagende Verein beim OLG Zweibrücken Berufung ein.

Das OLG Zweibrücken hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und u. a. wie folgt neu gefasst:
​Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen Heimverträge bestehen, Entgelterhöhungen geltend zu machen,

​​​a) ohne die beabsichtigte Entgelterhöhung in den einzelnen Positionen für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage Kostensteigerungen ergeben, kalkulatorisch nachvollziehbar zu begründen.​

Das OLG Zweibrücken führt insoweit aus, dass in dem Ankündigungsschreiben entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG nicht der Maßstab benannt werde, in dem die von der Kostensteigerung betroffenen Positionen auf die Entgelte bzw. die Entgeltpositionen kalkulatorisch umgelegt würden.

Als Umlagemaßstab käme etwa die Fläche des individuellen Wohnraums in Quadratmeter, die Zahl der Bewohner nach Köpfen oder der Energieverbrauch nach verbrauchten Einheiten in Betracht. Der von der Beklagten benutzte Begriff „pflegetäglich“ stelle keinen Umlage- sondern einen Abrechnungsmaßstab dar. Auch aus der Adressierung des Schreibens an „alle Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Betreuer“​ sei der Umlagemaßstab jedenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu entnehmen. Insbesondere ließe diese Adressierung nicht sicher erkennen, ob der Umlagemaßstab sich aus der Kopfzahl der gegenwärtigen Bewohner des Heimes oder – wie von der Beklagtenseite im Termin auf Nachfrage des Senats angegeben – der Zahl der möglichen Heimbewohner oder Heimplätze ergäbe.

b) den Eindruck zu erwecken, dass die geltend gemachten Entgelterhöhungen auch ohne Zustimmung der angeschriebenen Verbraucher wirksam sind, wenn dies jeweils wie in dem Schreiben der Beklagten vom 1.6.2022 geschieht.​​

Dies folge schon aus dem Betreff des Schreibens, in dem der weitere Inhalt als bloße, den Bewohnern lediglich zur Kenntnis zu bringende „Mitteilung über die Überhöhung […]“ gekennzeichnet werde und setze sich im Einleitungssatz fort, in welchem es heißt:

„Wir möchten Sie über die Anpassung des von Ihnen zu zahlenden Heimentgeltes ab dem 1. Juli 2022 informieren, welche gemäß § 9 Abs. 2 WBVG den Bewohnern vier Wochen vor dem Berechnungszeitpunkt schriftlich mitzuteilen und zu begründen ist.“


Das OLG führt weiter aus, dass der angesprochene Heimbewohner aus der sprachlichen Darstellung des Erhöhungsschreibens an keiner Stelle auch nur erahnen könne, dass es sich nur um eine beabsichtigte Erhöhung handele, also das Begehren der Einrichtung in irgendeiner Weise von seiner Zustimmung abhängig sei. Darüber hinaus werde dem Verbraucher als unbefangenem Leser sogar im starken Maß suggeriert, dass die Entgelterhöhung für ihn alternativlos sei und daher selbst ein erforderlicher Widerspruch nicht erfolgsversprechend oder auch nur möglich wäre.

Da das Ankündigungsschreiben die nach § 9 Abs. 1 und 2 WBVG notwendigen Voraussetzungen nicht alle beachtet habe, sei die geforderte Entgelterhöhung unwirksam.​​​​

AUTORIN

Birgit Rehborn

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