Anonyme Anzeigen über externe Hinweisgebersysteme als Basis einer Durchsuchungsanordnung!

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veröffentlicht am 29.02.2024


Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 14.02.2024 entschieden, dass eine anonyme Anzeige über ein externes Hinweisgebersystem eine ausreichende Verdachtsgrundlage für eine Durchsuchung nach § 102 StPO darstellen kann (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14.02.2024 – 18 Qs 49/23 –, juris). Voraussetzung ist, dass die anonyme Anzeige von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wird. Zudem müssten die Eingriffsvoraussetzungen für eine Durchsuchung von der Ermittlungsbehörde besonders sorgfältig geprüft werden. Diesbezüglich war ausreichend, dass im Zuge der Kommunikation mit der Hinweisgeberin über das Hinweisgeber-Tool durch Nachfragen, die Angaben auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft sowie durch weitere Ermittlungen auf Basis der Angaben, diese gestützt und ergänzt wurden. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass ein funktionierendes Hinweisgebersystem effektiv zur Aufdeckung sowie Aufklärung von Missständen beitragen kann und es dabei auf eine sorgfältige Bearbeitung der anonymen Hinweise ankommt. Ebenso wird durch sie aber verdeutlicht, wie wichtig, auch ohne gesetzliche Verpflichtung, interne Hinweisgebersysteme sein können.

Worum ging es?

Entschieden hatte das Landgericht über eine Beschwerde einer Beschuldigten gegen mehrere Durchsuchungsbeschlüsse, die sich auf die Geschäftsräume und die Wohnung der Beschuldigten bezogen. Die Beschwerdeführerin hatte u.a. moniert, dass ein anonymer Hinweis für die Anordnung von Durchsuchungsmaßnahmen nicht ausreichend sei. Gegen die Beschwerdeführerin wird ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Beihilfe zum Betrug geführt. U.a. soll sie innerhalb der von ihr betriebenen Apotheken in Zusammenwirken mit mehreren Kunden die Abgabe von tatsächlich nicht ausgehändigten Medikamenten auf den von den Kunden mitgebrachten Privatrezepten quittiert haben. Die Kunden hätten diese Rezepte sodann bei ihren privaten Krankenversicherungen eingereicht und sich den tatsächlich nicht verauslagten Betrag erstatten lassen. Das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte wurde durch einen anonymen Hinweis einer Mitarbeiterin über das Hinweisgebersystem der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) angestoßen. Die ZKG nutzt dabei ein zentrales anonymes Hinweisgebersystem eines Drittanbieters im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Aufgrund der Hinweise über dieses System erließ das zuständige Amtsgericht die oben genannten Durchsuchungsbeschlüsse.

Effektives Hinweisgebersystem entscheidungserheblich

Maßgeblich für die Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsbeschlüsse durch das Gericht war in diesem Fall, dass der anonyme Hinweis selbst von beträchtlicher sachlicher Qualität war und auch im Rahmen der Bearbeitung der Hinweise diese durch Nachfragen und weitere Ermittlungen auf ihre Glaubhaftigkeit geprüft und weiter untermauert wurden.

Grundsätzlich bedarf es für die Zulässigkeit der Durchsuchung aufgrund der Eingriffsintensität einer solchen Maßnahme Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Gerade in einem frühen Ermittlungsstadium muss der Verdacht auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden können, die darauf hinweisen, dass eine Straftat begangen wurde.

Bei anonymen Aussagen stellt die Rechtsprechung bereits seit längerem darauf ab, dass diese als Grundlage für eine stark in Grundrechtspositionen eingreifende Zwangsmaßnahme wie der Durchsuchung nur dienen können, wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität sind der mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden ist. Eine anonyme Anzeige, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist grundsätzlich nicht ausreichend, um einen Anfangsverdacht zu begründen. Wegen der erhöhten Gefahr und des schwer bewertbaren Risikos einer falschen Verdächtigung bei solchen Meldungen müssen die Eingriffsvoraussetzungen zudem besonders sorgfältig geprüft werden. Nun wurde dies auch erstmalig im Zusammenhang mit einem anonymen Hinweis im Rahmen eines Hinweisgebersystems nach HinSchG bestätigt.

In dem zu entscheidenden Fall stellte das Landgericht fest, dass die Ermittlungsbehörden den gesteigerten Prüfungsanforderungen nachkamen, indem sie die Behauptungen durch Nachfragen über das angebotene Hinweisgeber-Tool zum einen auf ihre Glaubhaftigkeit prüfte sowie durch weitere Ermittlungen auf Basis der Angaben diese stützte und ergänzte. Zudem sei der Gehalt der anonymen Anzeige aber auch für sich genommen bereits äußerst detailliert und von außerordentlicher sachlicher Qualität. Die anonyme Person reagierte zuverlässig auf Nachfragen und differenzierte in der Kommunikation zwischen ihr bekannten Umständen und solchen, hinsichtlich derer sie in Unkenntnis war. Allein dies genügte schon den Anforderungen an die anonyme Anzeige. Zusätzlich lieferte die Person aber auch noch schriftliche Beweismittel. Man sieht also, es kommt entscheidend auf die Qualität der Meldung, aber gerade auch darauf an, dass der Verantwortliche für die Entgegennahme von anonymen Meldungen den Fall korrekt einordnet und die richtigen Schritte unternimmt. Gerade, wenn bzgl. des gemeldeten Sachverhalts noch Zweifel bestehen.

Und was muss ich jetzt beachten?

Das Urteil verdeutlicht einmal mehr, von welcher Wichtigkeit interne, eigene, Hinweisgebersysteme sind. Gehen Meldungen intern ein, besteht für mich die Möglichkeit zu agieren. 
Aber ein Hinweisgebersystem ist nur so effektiv wie dessen Umsetzung – dies umfasst sowohl die Implementierung des Hinweisgeberkanals als auch die Verarbeitung der Hinweise. Erforderlich ist neben der erfolgreichen Implementierung also insbesondere die Etablierung eines effektiven „Case-Managements” bzgl. der Frage nach dem Umgang mit Meldungen.

Zu berücksichtigen ist sowohl die Definition klarer Meldekategorien wie Verstöße gegen interne Richtlinien, strafbewährter Verhaltensweisen sowie typischer Fallgruppen (z.B. Steuern, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte), als auch die Definition von Zugriffsrechten und Eskalationsstufen. Essenziell ist zudem – wie der vorliegende Fall zeigt – die Einordnung und Bearbeitung von Hinweisen auf deren (straf-)rechtliche Relevanz. Sind Angaben anonymer Hinweise unklar bzw. mangelt es an sachlicher Qualität, muss durch Nachfragen und weitere Ermittlungen der Sachverhalt genau ausermittelt werden. Nur so kann im Fall vorliegender Missstände effektiv und endgültig gegen diese vorgegangen und bei etwaigen Falschverdächtigungen sichergestellt werden, dass diese nicht zu ungerechtfertigten Nachteilen für den Betroffenen führen.

Rödl & Partner steht Ihnen mit unserer multidisziplinären, rechtsgebietsübergreifenden Expertise zur Verfügung und unterstützt Sie – auch grenzüberschreitend – bei der erfolgreichen Einführung einer maßgeschneiderten und intuitiven Hinweisgeberlösung.

 

 

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