Das neue Stiftungsrecht: Teil I zur Erhaltung des Grundstockvermögens

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​​​​​​veröffentlicht am 31. Juli 2023; Autorinnen: Carola Biet und ​Dinah Gullnick

 

Durch die neuen gesetzlichen Regelungen und der damit bundesweiten Vereinheitlichung des Stiftungsrechtes wurden auch detaillierte Vorschriften zur Verwaltung und Verwendung des Grundstockvermögens getroffen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit § 83c Abs. 1 BGB n.F. und den entsprechenden Regelungen zum Erhalt sowie den Nutzungen des Grundstockvermögens.

 

Am 1. Juli 2023 ist das neue Stiftungsrecht in Kraft getreten. Von den inhaltlichen Änderungen ist mit § 83c Abs. 1 BGB n.F. auch der Erhalt des Grundstockvermögens betroffen. Die Rechtsvorschrift beinhaltet drei Aspekte:

  1. die Erhaltungspflicht als solche (Satz 1),
  2. die Pflicht der Zweckerfüllung mit den Nutzungen des Grundstockvermögens (Satz 2) sowie
  3. die Erlaubnis, Umschichtungszuwächse zur Zweckerfüllung zu verbrauchen (Satz 3).

 

Dieser Artikel wird sich mit den beiden ersten Sätzen befassen. In einem nächsten Artikel werden wir die Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens genauer betrachten und uns mit den Auswirkungen der Reform auf die Gliederung des Eigenkapitals auseinandersetzen.


Vermögenserhaltungspflicht gem. § 83c Abs. 1 S. 1 BGB n.F.

Die Pflicht zur Erhaltung des Grundstockvermögens war bereits vor der Reform als Voraussetzung in den §§ 80 ff. BGB enthalten, jedoch nur auf landesrechtlicher Ebene ausdrücklicher geregelt. Ab Juli 2023 ist eine Unterscheidung zwischen dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen vorzunehmen. Ersteres ist das ungeschmälert zu erhaltene Vermögen und setzt sich gem. § 83b Abs. 2 BGB n.F. aus dem gewidmeten Vermögen, den Zustiftung(-en) und dem Vermögen zusammen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde. Insgesamt dient das Grundstockvermögen der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks.


Allerdings liegt eine Ausnahme zur ungeschmälerten Erhaltung des Grundstockvermögens vor: Sofern eine Satzungsregelung oder eine entsprechende Vorschrift im Landesrecht vorgesehen ist, kann eine kurzfristige Verringerung des Grundstockvermögens erfolgen, welche jedoch mit einer Pflicht zur späteren Aufstockung einher geht.


Das sonstige Vermögen muss nicht dauerhaft erhalten werden und kann zur Zweckverwirklichung verwendet werden. Es teilt sich z.B. in Spenden, Zuschüsse oder sonstige Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf.

Zu der Frage, wie das Grundstockvermögen zu erhalten sei, hatten sich bereits vor der Reform verschiedene Ansätze entwickelt. Dem genauen Gesetzeswortlaut ab Juli 2023 ist keiner dieser Ansätze konkret zu entnehmen. Allerdings lässt die Gesetzesbegründung darauf schließen, dass der Gesetzgeber zu einem gegenständlichen Erhaltungsgebot tendiert, mit einer Möglichkeit des Stifters davon abzuweichen, sodass sich folgende Kernaussagen zusammenfassen lassen:

 

  1.  Zu erhalten ist ein Gesamtbestand austauschbarer Vermögensgegenstände,
  2. der Erhalt ist abhängig von der Nutzung des Vermögens zu bestimmen,
  3. bei nutzungsgebundenem Vermögen ist der Gebrauchswert zu erhalten,
  4. bei rentierlich genutztem Vermögen ist die Ertragskraft zu erhalten und
  5. Stifter können ein Erhaltungskonzept in der Satzung festschreiben.

 

Der erste Punkt greift den bereits bekannten Ansatz der Vermögens-/ und Substanzerhaltung auf und setzt voraus, dass Gegenstände als gewidmet identifizierbar sind. Bei einer Barausstattung einer Stiftung wäre Vorgenanntes beispielweise nur prüfbar, wenn der Gesamtbestand der gewidmeten Vermögensgegenstände auf separaten Bankkonten und -depots zu identifizieren ist und keine Vermischung mit anderen sonstigen Vermögen (z.B. Rücklagen) vorliegt oder dies buchhalterisch entsprechend abgebildet werden kann.1

 

Die Pflicht zur Vermögenserhaltung bzw. das Verbot des Verbrauchs des Grundstockvermögens ist im Ergebnis nicht pauschal gegenständlich oder als nomineller/realer Werterhalt zu verstehen. Jede Stiftung hat – abhängig von ihrem Zweck und Zeithorizont – die Anforderungen an ihre Vermögensverwaltung individuell zu konkretisieren. Auch zielt der Erhaltungsgrundsatz des Grundstockvermögens auf dieses als Ganzes ab und bezieht sich nicht explizit auf die einzelnen Vermögensgegenstände, welche das Grundstockvermögen bilden.


Für die übrigen Punkte ist auf die konkrete Art der Nutzung des Grundstockvermögens abzustellen und daher auf § 83c Abs. 1 S. 2 BGB n.F. zu verweisen.


Zweckerfüllung mit Nutzungen gem. § 83c Abs. 1 S. 2 BGB n.F.

Die Verwendung der Stiftungserträge war vor der Reform auf Bundesebene nicht bestimmt. Das Landesrecht sah vor, das die Erträge des Stiftungsvermögens für die Zweckerfüllung zu verwenden sind. Mit der Neufassung hält an Stelle der Erträge der Begriff der „Nutzungen“ Einzug in das Stiftungsrecht, die im Sinne des § 100 BGB als „Früchte“ oder „Gebrauchsvorteile“ einer Sache – hier also des Grundstockvermögens – zu verstehen sind.

 

Damit bestimmt der Stifter mit der Art und Weise, wie das Grundstockvermögen verwendet/verwaltet wird, im Wesentlichen den Maßstab für den Erhalt des Grundstockvermögens. Wird die Vermögensanlage gewählt, ist die Ertragskraft zu erhalten (s. Punkt 4 der Vermögenserhaltungspflicht), bei der Entscheidung für die zweckgebundene Nutzung hingegen der Gebrauchswert (s. Punkt 3 der Vermögenserhaltungspflicht). Daher sind diese beiden neuen Begriffe zu differenzieren. Vorab lässt sich bereits sagen, dass alle Nutzungen des Stiftungsvermögens unmittelbar oder mittelbar mit der Erfüllung des Stiftungszwecks in Zusammenhang stehen müssen.


Gebrauchswert:

Die Gebrauchsvorteile im Sinne des § 100 BGB werden durch den unmittelbaren Gebrauch einer Sache oder eines Rechts erlangt. Die Verwertung (z.B. der Verkauf) zählt nicht zum Gebrauch. Je nach Objekt ist der Gebrauchswert schwer zu bestimmen, da keine gefestigten Maßstäbe existieren, und es wird daher in der Stiftungslandschaft zu Schwierigkeiten in der Bewertung und Prüfung kommen. Bei Wohn- und Gewerbeimmobilien kann gegebenenfalls noch auf Vergleichsmieten zurückgegriffen werden, bei Spezialimmobilien wie z.B. Krankenhäusern oder aber (umstrittenen) Gemäldesammlungen gestaltet sich die Wertermittlung hingegen schwierig und komplex.

 

Ertragskraft:

Als Früchte im Sinne des § 99 BGB sind neben den Erzeugnissen und der sonstigen Ausbeute auch die Erträge aus Rechten wie z.B. Mieten, Zinsen und Dividenden anzusehen. Wie bei den Gebrauchsvorteilen fällt die Verwertung auch hier nicht unter die Fruchtziehung. Aus der Betriebswirtschaft ist der Begriff der Ertragskraft als zukunftsbezogene Größe bekannt, die die (nachhaltig) erzielbaren Gewinne eines Unternehmens ausdrückt. Der in der Rechnungslegung für Kapitalgesellschaften geläufige Begriff der Ertragslage beschreibt hingegen eine Darstellung des gegenwärtig erzielten Jahresergebnisses anhand der Gewinn- und Verlustrechnung, mit der die Struktur der Aufwendungen und Erträge aufgeschlüsselt und der Einfluss periodenfremder Ergebnisse sichtbar gemacht wird.2 Die Gesetzesbegründung fordert lediglich, dass die Ertragskraft nicht geschmälert wird und bestimmt den Begriff nicht genauer. Es liegt mithin ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot der gleichbleibenden Erhaltung der Ertragskraft des Stiftungsvermögens und dem Verbot des Verbrauchs vor. Temporäre Ertragsminderungen und Aktienanlagen mit schwankenden Dividenden sollen weiterhin zulässig bleiben. Hierbei ist bei der Anlagenentscheidung von z.B. Aktien zu beachten, dass keine Wertanlage mit einem erheblichen Verlustrisiko auf Grund von Marktschwankungen getroffen wird.


Zwischenfazit

§ 83c Abs. 1 S. 1 BGB n.F. schreibt vor, dass das Grundstockvermögen ungeschmälert zu erhalten ist. Inwieweit dies den nominellen, den realen oder auch den gegenständlichen Wert betrifft ist nicht eindeutig geregelt. Es wird hierbei eher auf den Einzelfall unter Berücksichtigung der Stiftung, deren Zweck, den Stifterwillen und die Anlageoptionen, -horizont sowie das -umfeld ankommen. Vor allem der Stifterwille ist hervorzuheben und wird maßgeblich in der Auslegung sein, da dieser zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung bereits bestand und in der Satzung i.V.m. dem darauf basierenden Kapitalerhaltungskonzepts festgelegt wurde. Eindeutig lässt sich bereits jetzt sagen, dass durch die neue bundesweite Reform des Stiftungsrechts eine genaue Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Grundstockvermögen oder zum sonstigen Vermögen viel mehr an Bedeutung gewinnen wird.

 


 


 

Quelle:
1 Harald Spiegel; npoR 3/2023
2 EBJS/Böcking/Gros/Oser HGB § 264 Rn. 37, BeckOKHGB/Merk HGB § 264 Rn. 54-56.

 

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