Early Tax Birds 15/2025: BFH zur Arbeitgebereigenschaft einer Betriebsstätte nach Abkommensrecht

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 15/2025 (14. – 20. April 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 21. April 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi, ist bekanntlich das älteste und höchste Fest im christlichen Kirchenjahr. Es ist daher nur angemessen, dass es steuerlich diese Woche nicht allzu viel zu vermelden gibt, um nicht vom Wesentlichen im Leben abzulenken. Das freut auch die Early Tax Birds. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen nachträglich zum „stillen Feiertag“ frohe Ostern.

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste österliche Grüße
Prof. Dr. Florian Haase und das Redaktionsteam​​

  
Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Anwendung des BFH-Urteils vom 5. Oktober 1977, BStBl II 1978 S. 50 für Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Das BMF hat sich mit Schreiben vom 15. April 2025 zur Anwendung des BFH-Urteils vom 5. Oktober 1977 (I R 250/75) geäußert. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist das Urteil des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus insoweit nicht mehr anzuwenden, als für die Zwecke der Anwendung eines DBA Schiffe auf hoher See als schwimmende Gebietsteile des Staates anzusehen sind, dessen Flagge sie führen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellen – in Übereinstimmung mit der geltenden völkerrechtlichen Sichtweise – Schiffe auf hoher See abkommensrechtlich kein Staats- oder Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats dar. Dies gilt nicht, wenn ein anzuwendendes DBA eine hiervon abweichende Bestimmung enthält, beispielsweise, wenn sich nach dem Wortlaut des anzuwendenden DBA der Geltungsbereich des DBA und des innerstaatlichen Steuerrechts entsprechen. Stellt ein DBA für die Definition des Vertragsstaats Deutschland in geographischer Hinsicht auf den „Geltungsbereich des Grundgesetzes für Deutschland“ ab, ist davon auszugehen, dass hiermit das Staatsgebiet gemeint ist. Hiervon unberührt bestimmt sich in Übereinstimmung mit dem Seevölkerrecht die Staatsangehörigkeit eines Schiffes sowie das auf einem Schiff geltende Rechtsregime anhand von dessen Beflaggung. Bezüglich der Ermittlung des steuerpflichtigen bzw. steuerfreien Arbeitslohns und der Berücksichtigung nach dem anzuwendenden DBA verweist das Schreiben auf das BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2023.​ Die geänderte Verwaltungsauffassung ist erstmals für Veranlagungszeiträume anzuwenden, die mit Ablauf des 31. Dezember 2025 beginnen.
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Ermässigter Steuersatz auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln als Brennholz​

Mit Urteil vom 21. April 2022, V R 2/22 (V R 6/18), hat der BFH als Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 3. Februar 2022, C-515/20, entschieden, dass Holzhackschnitzel nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG der Steuersatzermäßigung unterliegen, wenn sie bei richtlinienkonformer Auslegung Brennholz sind. Mit dem BMF-Schreiben vom 17. April 2025 wurde zur Qualifikation von Holzhackschnitzeln als Brennholz Folgendes festgestellt: Holzhackschnitzel sind dann als Brennholz anzusehen, wenn sie in Position 4401 des Zolltarifs eingereiht werden und sie nach ihren objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt sind. Abweichend vom BMF-Schreiben vom 4. April 2023 (BStBl I S. 733)​ ist die Abgabemenge nicht maßgeblich für die Beurteilung, ob Holzhackschnitzel als Brennholz anzusehen sind.
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Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
EU setzt Gegenmassnahmen gegen US-Handelszölle aus

Die EU-Kommission hat am 14. April 2025 zwei Rechtsakte erlassen, mit denen sie ihre Gegenmaßnahmen gegen ungerechtfertigte US-Handelszölle einführt bzw. aussetzt: Mit dem ersten Rechtsakt werden die eigentlichen EU-Gegenmaßnahmen eingeführt. Der zweite Rechtsakt setzt alle diese Maßnahmen bis zum 14. Juli 2025 aus. Letzteres wurde beschlossen, um Zeit und Raum für Verhandlungen zwischen der EU und den USA zu schaffen. Die Entscheidung - mit der die geplanten Gegenmaßnahmen der EU gegen die US-Zölle auf EU-Stahl- und Aluminiumimporte für bis zu 90 Tage ausgesetzt werden - wurde als Reaktion darauf getroffen, dass die USA ihrerseits ihre so genannten reziproken Zölle um 90 Tage aufgeschoben haben. Die Aussetzung wurde in der vergangenen Woche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt und ist heute in Kraft getreten.
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​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Keine Arbeitgebereigenschaft einer Betriebsstätte nach Abkommensrecht​

Unser Urteil der Woche befasst sich mit der Entscheidung des BFH vom 12. Dezember 2024, VI R 25/22. Im Streitfall klagte eine in Deutschland ansässige Europäische Aktiengesellschaft, die in zahlreichen Staaten Zweigniederlassungen unterhält. Die dort zivilrechtlich bei der Klägerin angestellten Arbeitnehmer sind in ihrem jeweiligen Aufenthaltsstaat ansässig, reisen jedoch unregelmäßig und jeweils unter 183 Tagen im Jahr nach Deutschland, etwa zu Schulungen oder Workshops. Die Reisekosten und das volle Entgelt werden von den Auslandsniederlassungen getragen, ohne dass das deutsche Stammhaus hierfür eine Kostenerstattung vornimmt. Für den Streitzeitraum hatte die Klägerin auf Grundlage einer Anrufungsauskunft des Finanzamtes bereits in der Lohnsteuer-Anmeldung für den Februar 2020 eine geschätzte Lohnsteuer auf die inländischen Dienstreisen der ausländischen Mitarbeiter angemeldet. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab.

In ihrer Revision rügte die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts und beantragte, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Sie vertrat die Auffassung, dass nach den einschlägigen DBA – u.a. dem DBA‑Niederlande 2012/2016, dem DBA‑Japan 2015 und dem DBA‑Frankreich 1959/2015 – ausländische Betriebsstätten als Arbeitgeber im Abkommensrecht zu qualifizieren seien, sodass das Besteuerungsrecht für die Arbeitslöhne den jeweiligen Tätigkeitsstaaten zuzuordnen wäre. Das Finanzamt hielt stattdessen daran fest, dass nach nationalem Recht (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG) die deutsche Muttergesellschaft Arbeitgeberin sei, weil sie die Lohnzahlungen veranlasse und die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen trage.
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Er stellte klar, dass eine ausländische Betriebsstätte einer inländischen juristischen Person nicht als eigenständiger Arbeitgeber im Sinne der maßgeblichen DBA anzusehen ist, weil entscheidend sei, wer die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern übernehme und die Lohnzahlungen tatsächlich veranlasse. Wie vom Finanzamt festgestellt, sei dies im vorliegenden Sachverhalt die deutsche Muttergesellschaft. Weder der Authorised OECD Approach (AOA) noch das Korrespondenzprinzip zwischen Betriebsausgabenabzug und Abkommensrecht würde nach Auffassung des BFH diese Einordnung ändern. Auch eine europarechtliche oder verfassungsrechtliche Beanstandung (Art. 49, Art. 54, Art. 45 AEUV; Art. 3 Abs. 1 GG) scheiden aus, da im vorliegenden Sachverhalt keine Diskriminierung oder unverhältnismäßige Beschränkung vorliege. Damit gilt die deutsche Muttergesellschaft als Arbeitgeberin im Sinne der DBA, und das Besteuerungsrecht steht auch nach den maßgeblichen DBA-Regelungen Deutschland als Tätigkeitsstaat zu.

Ergänzend zu diesem Urteil hat der BFH in zwei weiteren Urteilen (VI R 26/22 und VI R 27/22​) eine im wesentliche inhaltsgleiche Entscheidung getroffen. Zusammen mit den beiden inhaltsgleichen Urteilen hat sich der BFH in seinen Entscheidungen zu den folgenden DBA geäußert:

- DBA-Niederlande 2012/2016

​- DBA-Japan 2015

- DBA-Großbritannien 2010/2014

- DBA-Spanien 2011

- DBA-Australien 2015

- DBA-Irland 2011/2014

- DBA-Belgien 1967/2010

- DBA-Schweiz 1971/2010

- DBA-Italien 1989

- DBA-Dänemark 1995

- DBA-Kanada 2001

- DBA-Singapur 2004

- DBA-Norwegen 1991/2013

- DBA-Griechenland 1966 

- DBA-Frankreich 1959/2015

- DBA-Schweden 1992

- DBA-Taiwan 2011

- DBA-Malaysia 2010

- DBA-China 2014

- DBA-Indien 1995

- DBA-Korea 2000

- DBA-Frankreich 1959/2015 


Haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a EStG): EuGH-Vorlage zu Leistungen am Wohnsitz in der Schweiz​

Das FG Köln (7 K 1204/22 vom 20.2.2025​) hat dem EuGH einen Sachverhalt zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Steuerbegünstigungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen sowie Handwerkerleistungen in einem Haushalt sind in § 35a Abs. 4 EStG an die Voraussetzung geknüpft, dass sie in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht werden müssen. 
Ein Schweizer Ehepaar (Ehemann: unterliegt der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland, da er unter der Woche in Deutschland während der Tätigkeit einen Wohnsitz in Deutschland hat. Die Ehefrau beantragte die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1a EStG) begehrte dagegen die Steuerbegünstigung für Leistungen, die in ihrem in der Schweiz belegenem Wohnsitz ausgeübt wurden. Das FG hat Zweifel daran, ob der Ausschluss der Leistungen im Schweizer Haushalt mit dem Freizügigkeitsabkommen EU/Schweiz vereinbar ist. ​​​

 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
​ III R 10/24
​20. Februar 2025
Keine Abzweigung von Kindergeld an ein volljähriges Kind nach § 74 EStG bei mangelnder Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes
​​IX R 2/24


​3. Dezember 2024​
Nur noch anteiliger Schuldzinsenabzug bei unentgeltlicher Übertragung eines Teils des Vermietungsobjekts
​V R 10/22
19. Dezember 2024
Steuerbefreiung von in einem Krankenhaus erbrachten medizinischen Leistungen
VI R 3/23
5. Februar 2025
Kein Werbungskostenabzug bei Umzug des Steuerpflichtigen wegen Einrichtung eines Arbeitszimmers
​X R 35/19
​29. Januar 2025
X R 6/23​
​29. Januar 2025
Ertragsteuerrechtliche Abziehbarkeit von Vermögensabschöpfungen
​X K 1/24
​6. November 2024
Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer: Regelmäßig Vorrang der Geldentschädigung vor der Wiedergutmachung in anderer Weise
​XI R 5/23
​13. November 2024
Zum Leistungsaustausch eines Fitnessstudios im Lockdown (I)
​IX R 3/24
​3. Dezember 2024
Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 03.12.2024  IX R 2/24 - Nur noch anteiliger Schuldzinsenabzug bei unentgeltlicher Übertragung eines Teils des Vermietungsobjekts
​V B 57/23
​24. März 2025
Verfahrenstrennung bei einem einzigen Klagegegenstand
​VIII B 5/18
​28. August 2018
Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
​X B 112, 117/24
​27. März 2025
Verfahrenspflichten des FG bei angeordneter Betreuung
​XI R 36/22
​13. November 2024
Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 13.11.2024 XI R 5/23 - Zum Leistungsaustausch eines Fitnessstudios im Lockdown (II)
​XI R 6/22
​23. Oktober 2024
Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Bonuszahlungen im sogenannten Zentralregulierungsgeschäft

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Philip Nürnberg

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