Stimmverbote bei Aktiengesellschaften

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 10. Juli 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften (AG) halten regelmäßig auch selbst Aktien der von ihnen verwalteten Gesellschaft. Aufgrund dieser Doppelrolle kann es bei der Fassung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu Interessenkonflikten kommen. Diese Konflikte versucht das Gesetz im Interesse der Gesellschaft und den übrigen Aktionäre aufzulösen. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über dieses sehr praxisrelevante Thema vermitteln. Fehler auf diesem Gebiet  „​​straft"​ das Gesetz gegebenenfalls durch Eröffnung von Anfechtungsmöglichkeiten und die Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern. Grund genug, sich die entsprechenden Vorschriften noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. 


Grundlagen​


Die maßgeblichen Vorschriften für den Stimmrechtsausschluss finden sich für die AG in § 136 AktG. Demnach ist ein Aktionär grundsätzlich von der Ausübung seines Stimmrechts in der Hauptversammlung ausgeschlossen, wenn darüber beschlossen werden soll, ob er (1) ​selbst als Vorstand/Aufsichtsrat der Gesellschaft entlastet, (2) von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft befreit oder (3) durch die Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll. Das Stimmverbot erstreckt sich auch auf Stimmrechtsvertreter oder Treuhänder, sodass eine Umgehung des Stimmrechtsausschlusses unmöglich gemacht werden soll.

Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 AktG

Das Stimmverbot erfasst nicht nur Fälle, in denen der Aktionär unmittelbarselbst betroffen ist, sondern auch Stimmrechte, die er als Vertreter eines Dritten ausübt, sowie Dritte, die als Vertreter des betroffenen Aktionärs das Stimmrecht für diesen ausüben. 

Der Stimmrechtsausschluss kann daneben sogar andere Gesellschaften erfassen, wenn diese Aktionäre der beschließenden Gesellschaft sind. Darüber hinaus kann sich das Abstimmungsverbot für diese Drittgesellschaft auch auf deren Gesellschafter persönlich erstrecken und umgekehrt. Sofern also ein Gesellschafter einer GmbH persönlich auch Aktien einer AG hält und im Rahmen der Hauptversammlung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der GmbH abgestimmt werden soll, kann dieser Aktionär einem Stimmverbot unterliegen. Dies aber nur, wenn die Beteiligung von einer gewissen wirtschaftlichen Bedeutung ist, sodass es möglich erscheint, dass er vom Gesellschaftsinteresse abweichend abstimmt. Angenommen wird dies, wenn der Gesellschafter eine wsentlich höhere Beteiligung an der GmbH (Drittgesellschaft) als an der AG hält. Hier wird der Zweck der Vorschrift, Interessenkonflikte aufzulösen und zu vermeiden, deutlich.

Im GmbH-Recht findet sich mit § 47 Abs. 4 GmbHG eine vergleichbare Vorschrift. Inhaltlich ist der Anwendungsbereich hier noch etwas weiter gefasst als bei der AG.

Eine Ausnahme vom Stimmverbot gilt hingegen bei der Ein-Personen-Gesellschaft oder wenn alle Anteilseigner gleichmäßig befangen sind, da ansonsten eine Beschlussfassung schlechthin nicht möglich wäre. 

Der Ausschluss der betreffenden Person von der Stimmabgabe obliegt dem Versammlungsleiter. Dieser sollte bei Anzeichen oder Hinweisen auf ein mögliches Stimmverbot gezielte Nachfragen stellen. Allerdings ist im Rahmen der Versammlung eine tiefergehende Untersuchung der Umstände oftmals nicht möglich. Empfohlen wird daher teilweise einen Stimmrechtsausschluss nur bei evidenten Fällen anzuordnen, da der unrechtmäßige Ausschluss seinerseits Anfechtungsrisiken birgt. 

Mit der Anordnung des Stimmverbots durch den Versammlungsleiter ist kein Verlust der sonstigen Mitgliedschaftsrechte verbunden. Der Stimmrechtsausschluss umfasst auch nur den jeweiligen Beschlussgegenstand. So kann der jeweilige Aktionär trotzdem der Versammlung beiwohnen, Anträge stellen und seine Auskunftsrechte wahrnehmen.

Grundsätzlich gilt, dass Stimmen die unter Verstoß gegen ein Stimmverbot abgegeben wurden, gemäß § 134 BGB nichtig sind; der gefasste Hauptversammlungsbeschluss hingegen ist grundsätzlich wirksam. Wirken sich die unter Missachtung des Stimmverbots abgegebene Stimmen auf das Beschlussergebnis aus, besteht dann die Möglichkeit zur Anfechtung des Hauptversammlungsbeschluss. In solchen Fällen trifft die Gesellschaft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast, dass Stimmen zu Recht von der Abstimmung ausgeschlossen wurden bzw. zu Unrecht berücksichtigte Stimmen für das Ergebnis des Beschlusses nicht ursächlich waren. Neben der Möglichkeit zur Anfechtung können sich Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär aus der verbotswidrigen Abstimmung ergeben. Auch der Versammlungsleiter kann sich haftbar machen, wenn er bei evidenten Fällen keine Maßnahmen ergreift. Gerade für den Versammlungsleiter ergeben sich also Fallstricke, da ein unrechtmäßiger Ausschluss ebenso wie ein nicht erfolgter Ausschluss jeweils Anfechtungsrisiken und Haftung auslösen können.

Neben den zivilrechtlichen Folgen können Bußgelder gemäß § 405 Abs. 3 Nr. 5 AktG verhängt werden, wenn Betroffene im Wege der Stimmrechtsvertretung versuchen, ihr Stimmrecht auszuüben.

Fazit

Stimmrechtsausschlüsse sind gerade in der Hauptversammlungssaison von erhöhter Bedeutung und können bei komplexen Konstellationen unter Beteiligung von weiteren Gesellschaften für Schwierigkeiten sorgen. Beteiligte sollten sich daher immer wieder die Interessenlagen der einzelnen Abstimmenden vergegenwärtigen und sich hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte sensibilisieren. Im Zweifel sollte Rechtsrat eingeholt werden.​​​

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