Fehler bei der Massenentlassungsanzeige sind teuer

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Fehler bei der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit führen in nachfolgenden Kündigungsschutzprozessen zur Unwirksamkeit der Kündigung, auch wenn die Agentur für Arbeit einen solchen nicht erkannt hat (Änderung der Rechtsprechung).
 
Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Mehrzahl von Arbeitnehmern zu entlassen, hat er nicht nur die durch das System der betriebsbedingten Kündigung gesetzten hohen Hürden zu überwinden, sondern auch die formell anspruchsvollen Vorgaben der Massenentlassungsanzeige nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu beachten. Fehler können dramatische wirtschaftliche Folgen zeigen.
 
Die Anzeigepflicht wird begründet, wenn innerhalb einer 30-Tage-Frist eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern entlassen werden sollen. Das KSchG sieht hierfür eine Staffelung nach Beschäftigtenzahl und Anzahl der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vor. Auch wenn der Unternehmer meint, aus seiner Sicht alle erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen durchgeführt zu haben, weil er beispielsweise mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen hat, kann er im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess das Nachsehen haben.
 
In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 (6 AZR 780/19) hat dessen 6. Senat sich abermals mit den formellen Tücken der Massenentlassungsanzeige auseinandersetzen müssen. Das Gericht hat entschieden, dass Fehler bei der Massenentlassungsanzeige in den nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren nicht mehr geheilt werden können. Solche vermeidbaren Fehler sind geeignet, den Arbeitgeber im Rechtsstreit enorm unter Druck zu setzen. Folgen sind entweder kostenintensive Abfindungsvergleiche oder die Niederlage im Arbeitsgerichtsprozess.
 
In letzterem Fall hat der Arbeitgeber die gesamte Vergütung des Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Ende nachträglich zahlen und den Arbeitnehmer weiter beschäftigen müssen. Im zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber zwar mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen, sodass unstreitig war, dass der Betriebsrat in die Entlassungsmaßnahme eingebunden war. Er hatte aber übersehen, der Massenentlassungsanzeige die gesetzlich geforderte Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG fordert dem Arbeitgeber ab, rechtzeitig vor der Durchführung des Personalabbaus den Betriebsrat einzubinden und ihm alle zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen. Nachfolgend muss der Arbeitgeber darauf achten, dass der Betriebsrat seine Stellungnahme zur beabsichtigten Personalmaßnahme erteilt. Unterlässt es der Arbeitgeber, diese Stellungnahme des Betriebsrats der Massenentlassungsanzeige beizufügen, so ist alleine aus diesem Grund die Massenentlassung fehlerhaft. 
 
Kann dann der Arbeitgeber im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess nicht darlegen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige unterrichtet hat, sind sämtliche Kündigungen von Arbeitnehmern, die vor den Arbeitsgerichten Kündigungsschutzklage erhoben hatten, alleine deshalb unwirksam. Es bedarf keiner Darlegung, dass die Folgen für den Arbeitgeber dramatisch sein können. Ist die Personalmaßnahme Bestandteil eines umfänglichen Restrukturierungsprogramms zur Sanierung des Unternehmens, so kann die Existenz des Arbeitgeberunternehmens auf dem Spiel stehen.
 
Fahrlässiger Umgang mit den Anzeigeerfordernissen kann demnach eine Kostenlawine auslösen. Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat betont, dass es auch nicht (mehr) darauf ankomme, ob die Agentur für Arbeit den Fehler bei der Massenentlassungsanzeige übersehen habe, da eine unrichtige Feststellung der Arbeitsverwaltung die Arbeitsgerichte nicht binde. In dieser Hinsicht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine beachtenswerte Änderung erfahren.Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts betont erneut das Bedürfnis, wichtige Prozesse der Unternehmensrestrukturierung von Beginn an professionell begleiten zu lassen.

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Cornelia Schmid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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