Stromlieferungen im Quartier

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​veröffentlicht am 4. Juni 2018

 

Veränderungen machen bekanntlich auch vor dem Strommarkt nicht halt. Durch die Energiewende werden zentrale (Groß-)Erzeugungsanlagen stetig durch kleinere dezentrale Erzeugungsanlagen abgelöst. Seit einiger Zeit lässt sich zudem beobachten, dass ein weiterer „Akteur” auf dem Markt in Erscheinung tritt: der Energiespeicher. Die Energiewirtschaft scheint sich mit der Einordnung dieses neuen Akteurs allerdings mitunter (noch) schwer zu tun: Ist er Verbraucher? Erzeuger? Teil des Verteilernetzes? Oder von allem ein bisschen?

 

 

Teil 1: Voraussetzungen von Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a Energiewirtschaftsgesetz in Abgrenzung zum Stromnetz der allgemeinen Versorgung

Ausgangspunkt: Stromseitige Erschließung von Quartieren

Quartierskonzepte sind derzeit in aller Munde. Städte entwickeln neue Wohn- und Gewerbequartiere landauf, landab. Gefragt sind Ideen und Lösungen, um die Anforderungen und die Komplexität moderner Stadtentwicklung zu lösen, beispielhaft sei die Integration von Park- und Lademöglichkeiten der E-Mobilität in Großstädten genannt. Gefragt sind seitens der Kommunen und der Wohnungswirtschaft zunehmend auch moderne energetische Quartierskonzepte. Damit gehen Erwartungen an die Energiewirtschaft einher, da sich dieser so auch Chancen für neue Geschäftsmodelle bieten.

 

Wirtschaftlich nachvollziehbar bleibt die Wärmeversorgung das „Ausgangsgeschäftsmodell” für Stadtwerke und Energieversorger insbesondere im Quartier. Doch viele Versorger übernehmen mittlerweile auch die dezentrale KWK- oder PV-Stromlieferung innerhalb eines Quartieres. Diese Konzepte sind in der Vergangenheit häufig vernachlässigt worden, da die stromseitige Erschließung von Quartieren aufgrund der Regulierungs- und Gesetzesvorgaben deutlich komplexer ist als der Aufbau einer dezentralen Wärmeversorgung.

 

Oftmals erfolgt die Stromdurchleitung im Quartier dabei durch eine sogenannte Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24 a) Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Materie fand indessen regelmäßig nicht statt.

 

Wir möchten daher in einer dreiteiligen Serie auf Problemstellungen und mögliche Lösungsansätze im Bereich der Quartiersversorgung aufmerksam machen. In diesem ersten Teil beleuchten wir die Voraussetzungen der Kundenanlage in Abgrenzung zum Stromnetz (der allgemeinen Versorgung). Anknüpfungspunkte sind ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG Frankfurt) und zwei Entscheidungen der Bundesnetzagentur (BNetzA), die sich vertieft mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Kundenanlagen im Bereich von Wohn- und Gewerbequartieren beschäftigen.
 

Regulierungsgrundlagen: Abgrenzung Stromnetz der allgemeinen Versorgung, geschlossenes Verteilernetz, Kundenanlage

Abzugrenzen von der Kundenanlage sind das Stromnetz (vgl. § 3 Nr. 16 EnWG) – ggf. in der besonderen Ausprägung des Netzes der allgemeinen Versorgung, § 3 Nr. 17 EnWG – und das geschlossene Verteilernetz (vgl. § 110 EnWG). Diese Abgrenzung ist entscheidend, da sie sich unmittelbar auf die Regulierungsbedürftigkeit der Energieanlage auswirkt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber die Abgrenzung nicht als eine Thematik behandelt, sondern die Voraussetzungen und Definitionen an den unterschiedlichsten Stellen im Energiewirtschaftsgesetz geregelt hat. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Überblick:

 

Rechtsfolgen im Überblick 

Der Begriff des Energieversorgungsnetzes gemäß § 3 Nr. 16 EnWG erfasst Stromnetze aller Spannungsebenen und überspannt damit alle spezielleren Netzbegriffe des EnWG. Unter dem Stromnetz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 3 Nr. 17 EnWG versteht man im Besonderen Netze, die der Verteilung von Energie an nicht von vornherein bestimmte Letztverbraucher dienen, sondern grundsätzlich allen offen stehen. Hierunter fallen regelmäßig alle Versorgungseinrichtungen, die keine Kundenanlagen sind. Die Begriffe der Kundenanlage einerseits und des Energieversorgungsnetzes andererseits schließen sich vielmehr aus. Dieses Verständnis ist schon unionsrechtlich geboten, da nach den europäischen Richtlinien Energieversorgungsnetze zwingend der Regulierung unterliegen (Gemeinsames Positionspapier der Regulierungsbehörden der Länder und der BNetzA zu geschlossenen Verteilernetzen nach § 110 EnWG vom 23. Februar 2012, S. 8).

 

Im Fokus steht demzufolge die Abgrenzung der Kriterien für das Stromnetz der allgemeinen Versorgung einerseits und die der Kundenanlage andererseits. Geregelt sind die Voraussetzungen der „allgemeinen” Kundenanlage in § 3 Nr. 24 lit. a) und der Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung in § 3 Nr. 24 lit. b) EnWG. Diese unterliegen jeweils nicht der Regulierung und sind daher für die Realisierung von Quartierskonzepten besonders interessant. Ihre Betreiber haben nur die Anforderungen an Energieanlagen nach § 49 EnWG und des Kartellrechts (GWB) zu beachten.

 

Das – an dieser Stelle nicht näher untersuchte – geschlossene Verteilernetz ist in § 110 EnWG definiert. Die Einstufung als solches erfolgt durch die zuständige Behörde. Für den Betrieb von Versorgungseinrichtungen im Wohnquartier scheidet das geschlossene Verteilernetz schon daher als mögliches Modell aus, weil die gesetzliche Regelung in § 110 Abs. 2 S. 2 EnWG ausdrücklich regelt, dass die Einstufung nur erfolgt, „wenn keine Letztverbraucher, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, über das Netz versorgt werden oder nur eine geringe Zahl von solchen Letztverbrauchern, wenn diese ein Beschäftigungsverhältnis oder eine vergleichbare Beziehung zum Eigentümer oder Betreiber des Netzes unterhalten.”

 

Voraussetzungen von Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24 a/b EnWG

Voraussetzung für eine Kundenanlage ist gemäß § 3 Nr. 24 a) EnWG das Vorliegen einer Energieanlage zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befindet, mit einem Energieversorgungsnetz oder einer Erzeugungsanlage verbunden und unbedeutend für den Wettbewerb ist, wobei v.a. die Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher und die durchgeleiteten Mengen maßgeblich sind. Des Weiteren ist die unentgeltliche und diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung für die Durchleitung erforderlich, das heißt, es dürfen keine – auch keine „versteckten” – Netzentgelte erhoben werden. Beispielhaft für eine Kundenanlage ist die Anbindung einer PV-Anlage oder eines BHKW in einem Mehrfamilienhaus.

 

§ 3 Nr. 24 b) EnWG definiert die Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung. Hierbei handelt es sich um eine Energieanlage zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörigen Betriebsgebiet befindet, mit einem Energieversorgungsnetz oder einer Erzeugungsanlage verbunden ist und fast ausschließlich der Versorgung des eigenen oder von verbundenen Unternehmen dient. Auch hier ist die unentgeltliche und diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung für die Durchleitung Voraussetzung. Als klassisches Einsatzbeispiel einer Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung ist ein Krankenhaus mit extern betriebener Cafeteria zu nennen.

 

Da es sich bei den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kundenanlage um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, bedürfen sie insbesondere in Zweifelsfällen der Auslegung durch die Regulierungsbehörden und die Gerichte. Im Nachfolgenden werden drei aktuelle Entscheidungen dargestellt, die sich vertieft mit den Voraussetzungen der „allgemeinen” Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24 a) auseinandersetzen.

 

Aktuelle Entscheidungen zur Bestimmung von „allgemeinen” Kundenanlagen

Die BNetzA hat mit zwei Beschlüssen die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kundenanlage konkretisiert. Auch das OLG Frankfurt hat in einer kürzlich getroffenen Entscheidung wichtige Klarstellungen zum Kundenanlagenbegriff getroffen.
 
Frage der räumlichen Abgrenzung einer Kundenanlage und der Anzahl der Wohneinheiten innerhalb einer Kundenanlage – BNetzA, Beschluss vom 3. April 2017 (Az. BK6-15-166)

 

In der GEWOBA-Entscheidung (Beschluss vom 3. April 2017 – BK6-15-166) befasst sich die BNetzA mit zwei großflächigen, jeweils mit Mehrfamilienhäusern bebauten Arealen, auf denen ein Unternehmen je ein BHKW zur Strom- und Wärmeversorgung errichten wollte. Ein Gebiet wird dabei von einer vierspurigen Straße durchquert, die mit einer Ampel versehen ist. Das andere Gebiet durchquert eine reine Anliegerstraße. Es befinden sich auf einem Areal 457 Wohnungen und auf dem anderen 515 Wohnungen. Die BNetzA befasst sich hier vor allem mit den Kriterien des räumlich zusammengehörenden Gebiets und der erforderlichen mangelnden Bedeutung für den Wettbewerb.

 

Zunächst stellt die BNetzA fest, dass durchquerende Straßen das räumlich zusammengehörige Gebiet in der Regel stören, wobei sich aber aus den Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergeben könne. Die streitgegenständliche vierspurige Straße würde in der Gesamtschau mit den weiteren örtlichen Gegebenheiten vorliegend den zusammenhängenden Charakter des Gebietes unterbrechen. Sie sei als räumliches Hindernis zu bewerten, das nicht ohne Weiteres überwunden werden könne, wie etwa reine Anliegerstraßen oder Zubringer, die ein ursprünglich zusammenhängendes Gebiet bloß erschließen. Auch das Vorliegen einer Ampelanlage spreche laut BNetzA nicht für ein einheitliches Gesamtbild, sondern sei eher als Indiz für den schwer überwindbaren Charakter der Straße zu sehen.

 

Bezüglich des zweiten Areals erklärt die BNetzA, dass eine Straße, die aus Sicht eines objektiven Betrachters lediglich die Qualität einer reinen Anliegerstraße habe und somit nur zur Nutzbarmachung des Gebietes diene, – wenn nicht andere Umstände dagegensprächen – in der Regel ein zusammengehöriges Gebiet nicht stört. In einer solchen Konstellation sei die Straße weniger als trennendes Element, sondern als erforderliche Verbindung des Gebietes anzusehen.

 

Jedoch statuiert die BNetzA in dieser Entscheidung, dass die bloße Anzahl der angeschlossenen und zu versorgenden Letztverbraucher, wenn sie so hoch ist wie im streitgegenständlichen Fall, schon allein aus qualitativen Gründen zur Regulierungsbedürftigkeit der Energieanlage führt, ohne dass noch weitere Merkmale hinzutreten müssen. Im Ergebnis hat die BNetzA das Vorliegen einer Kundenanlage in dem konkreten Fall verneint. Hierzu hat sie sich nicht auf die von ihr umfassend diskutierte räumliche Abgrenzung des Gebietes berufen, sondern vielmehr ausschließlich auf die Vielzahl der Letztverbraucher im Gebiet (ca. 400 bis 500 Wohneinheiten). Nach Auffassung der BNetzA sei dies mit den Vorgaben aus § 3 Nr. 24 a) EnWG nicht vereinbar.

 

Frage des räumlichen Zusammenhangs von Kundenanlagen – BNetzA, Beschluss vom 27. Juli 2017 (Az. BK6-16-279)

 

Die folgende Entscheidung der BNetzA (Beschluss vom 27. Juli 2017 – BK6 -16-279) befasst sich mit einer Reihenhaussiedlung, bestehend aus 20 Häusern, die von einer öffentlichen Straße gequert wird, die nach dem Bebauungsplan als verkehrsberuhigte reine Anliegerstraße nur die Erschließung der Siedlung bezweckt. Auch hier sollte ein gemeinsames BHKW für eine dezentrale Stromversorgung der angeschlossenen Haushalte sorgen.

 

Im Anschluss an die GEWOBA-Entscheidung legt die BNetzA hier zum ersten Mal Kriterien zur Ermittlung fest, ob eine Straße im jeweiligen Fall die räumliche Einheit eines Gebietes stört. In die notwendige Einzelfallbetrachtung sind nach Auffassung der Behörde einzubeziehen:

 

  • Bauart und Ausmaß der Verkehrsquerung(en)
  • Charakter der Straße als Hauptverkehrsstraße oder zum Zweck der Erschließung des Gebietes sowie
  • Art und Ausmaß der Nutzung

 

Die BNetzA differenziert damit zwischen verschiedenen Arten von Straßen und entscheidet in einer wertenden Einzelfall- und Gesamtbetrachtung anhand der von ihr herausgearbeiteten Kriterien, ob die gegebene Straßenquerung geeignet ist, den räumlichen Zusammenhang eines Gebietes zu trennen oder nicht.

 

Zudem betont sie, dass gemeinsam genutzte Versorgungsleitungen nicht über einen fehlenden räumlichen Zusammenhang hinweghelfen und dass die Auslegungen zum „unmittelbaren räumlichen Zusammenhang” in § 3 Nr. 19 EEG 2017 sowie zu „im räumlichen Zusammenhang” in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht auf die Definition der Kundenanlage übertragbar sind. Im Ergebnis hat die BNetzA entschieden, dass die betreffende Straße den Charakter des Gebietes nicht unterbricht, da sie eine reine Anliegerstraße sei, die nahezu ausschließlich der Erschließung dient. Zudem liegen auch die zu den Häusern gehörenden Stellplätze auf der anderen Straßenseite. Somit bestätigte die BNetzA im Ergebnis das Vorliegen einer Kundenanlage.

 

Frage der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Infrastruktur und der Anzahl der innerhalb einer Kundenanlage versorgten Kunden – OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8. März 2018 (Az. 11 W 40/16)

 

Mit der Abgrenzung der Kundenanlage hat sich jüngst auch das OLG Frankfurt (Az. 11 W 40/16) umfassend befasst.

 

Ausgangssituation

Gegenstand des Streits war ein neu errichtetes Mehrfamilienhausareal mit ca. 440 Wohneinheiten in 7 Wohngebäuden. Das architektonisch einheitlich geplante Areal wurde von einer Erschließungsstraße durchschnitten. Ein Tochterunternehmen des Immobilienbetreibers bot den Nutzern die Versorgung mit Strom an. Dabei war die Einstufung als Kundenanlage messtechnische und wirtschaftliche Grundlage des Versorgungskonzepts. Der Netzeigentümer und der Netzbetreiber gingen jedoch davon aus, dass es sich bei den Stromverteilungsanlagen um ein Energieversorgungsnetz handelt. Die daraufhin mit der Angelegenheit befasste Landesregulierungsbehörde Hessen stufte die betreffende Energieanlage als Kundenanlage nach § 3 Nr. 24 a) EnWG ein.
 

Entscheidungsgründe

Das OLG Frankfurt hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer Kundenanlage jedoch in seiner Entscheidung verworfen. Nach Auffassung des OLG Frankfurt konnte durch den beweisbelasteten Betreiber der Stromverteilungsanlagen nicht nachgewiesen werden, dass diese jedermann unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Dies ist ein zentrales Kriterium für die Annahme einer Kundenanlage. Insofern dürfen keine verbrauchsabhängigen Entgelte für den Betrieb der Anlage erhoben werden, die ein wirtschaftliches Eigeninteresse begründen, das wiederum für eine Regulierungsbedürftigkeit spräche.
 
Das OLG Frankfurt hatte zwar keine Bedenken hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Anlage jedermann zur Verfügung gestellt wird, die Unentgeltlichkeit der Zurverfügungstellung ließ sich nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht sicher feststellen. Unentgeltlichkeit bedeutet dabei zunächst vordergründig, dass der Betreiber einer Kundenanlage kein Nutzungsentgelt von durchleitenden Energielieferanten fordern darf. Allerdings darf den Kunden auch kein verbrauchsabhängiges weiteres Entgelt für den Betrieb der Anlage in Rechnung gestellt werden. Die Gesetzesbegründung sieht es als zulässig an, wenn eine Kundenanlage im Rahmen eines vertraglichen Gesamtpaketes zur Verfügung gestellt wird (z.B. im Rahmen eines Miet- oder Pachtvertrages) oder eine verbrauchsunabhängige Umlage der mit dem Kundenanlagenbetrieb verbundenen Kosten erfolgt.
 
Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Höhe der den Kunden berechneten Preise vermuteten lässt, dass hier – verbrauchsbezogene – „Netzkosten” enthalten sind, da sich eine nicht nachvollziehbar erläuterte Differenz im Rahmen der Strompreiskalkulation ergäbe, die auch nicht mit „fehlenden” Synergieeffekten erklärbar sei. Umgekehrt gelang es dem betreffenden Unternehmen nicht, darzulegen, wie die Kosten – verbrauchsunabhängig – an die Kunden weitergegeben werden.
 
Daneben setzte sich das OLG Frankfurt auch mit den übrigen Voraussetzungen der Kundenanlage, insbesondere auch mit dem Merkmal auseinander, ob die betreffende Energieanlage für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Strom unbedeutend ist.
 
Hinsichtlich der maßgeblichen Anzahl von betreffenden Letztverbrauchern bezieht sich das OLG Frankfurt unter anderem auch auf die Beschlusspraxis der BnetzA. Hiernach überschreitet die Versorgung von 457 bzw. 515 Wohnungen eine Grenze, ab der nicht mehr von einer Bedeutungslosigkeit ausgegangen werden könne, sofern nicht im jeweiligen Einzelfall sonstige Tatsachen hinzutreten, die eine andere Einschätzung nahelegen. Bei einer Anzahl von deutlich über 100 angeschlossenen Letztverbrauchern könne nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dies unbedeutend für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs sei.

 

Ankommen kann es dabei weder auf eine relative Größe des betreffenden Areals im Verhältnis zur Ausdehnung des vorgelagerten Netzes noch auf das Verhältnis der durchgeleiteten Energie in der vermeintlichen Kundenanlage und dem vorgelagerten Netz. Zu Recht, denn für den Begriff der Kundenanlage kann es nicht auf die Verhältnisse in einem bestimmten Netzgebiet ankommen. Würde man dies unterstellen, wäre dieselbe Anlage ggf. in einem kleineren Netzgebiet nicht mehr als Kundenanlage zu qualifizieren, während in einem größeren Netzgebiet die Voraussetzungen noch erfüllt sein könnten. Vielmehr ist maßgeblich eine gewisse Übersichtlichkeit/deutliche Abgrenzbarkeit der versorgten Personenanzahl. Auch die geografische Ausdehnung dürfte nach Ansicht des Gerichts in Übereinstimmung mit der eingeholten Stellungnahme der Bundesnetzagentur wohl Ausmaße überschreiten, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen über Kundenanlagen im Auge hatte.

 

Ausblick

Das OLG Frankfurt hat keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung zugelassen, da es die grundsätzliche Bedeutung seiner Entscheidung oder das Erfordernis der Fortbildung des Rechts durch den Bundesgerichtshof (BGH) abgelehnt hat. Abzuwarten bleibt insofern, ob der BGH ggf. eine Nichtzulassungsbeschwerde annimmt.

 

Fazit

Wegen des Anreizes der „Regulierungsfreiheit” wird der Begriff der Kundenanlage heftig diskutiert und ist in seinen einzelnen Facetten noch sehr umstritten. So hatte z.B. noch die Landesregulierungsbehörde Hessen keine Hindernisse für die Einstufung des im Beschluss des OLG Frankfurt streitgegenständlichen Areals als Kundenanlage gesehen. Durch die aktuellen Entscheidungen der BNetzA und des OLG Frankfurt ist teilweise Klarheit bezüglich der Definition geschaffen worden. Es bedarf jedoch wohl weiterer höchstrichterlicher (Grundsatz-)Entscheidungen, um eine zweifelsfreie eindeutige Definition der Kundenanlage zu ermöglichen und ihre Abgrenzung von anderen Energienetzen zu vereinfachen. Gemeinsam haben die Entscheidungen der BNetzA und des OLG Frankfurt die grundsätzliche Feststellung, dass die Kundenanlage einen Ausnahmetatbestand darstellt und ihre Definition daher eng auszulegen ist. Es ist wohl zu erwarten, dass diese Tendenz in der Rechtsprechung fortgeführt werden wird.

 

In der Praxis fragt sich nun, wie Stadtwerke und andere Energieversorgungsunternehmen nach diesen Entscheidungen idealerweise verfahren sollten.

 

Insbesondere stellt sich die Frage, ob eigene Quartiers- und Mieterstromprojekte des Energieversorgungsunternehmens „sauber” aufgestellt sind. Liegt ein solches Projekt vor, sollte sorgfältig geprüft werden, ob es sich bei den Energieanlagen um Kundenanlagen handelt und ob die oben beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Werden die Stromerzeugungsanlagen beispielsweise jedermann unentgeltlich zur Verfügung gestellt? Wie groß ist die Anzahl der Letztverbraucher und versorgt die Anlage ein räumlich zusammengehöriges Gebiet?

 

Liegen die Voraussetzungen einer Kundenanlage vor, müssen anschließend die Rollen der verschiedenen Akteure bestimmt werden. Vor allem ist fraglich, wer Betreiber der Kundenanlage ist. Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass der Netzbetreiber regelmäßig nicht zugleich Kundenanlagenbetreiber sein kann.

 

Für Netzbetreiber stellt sich des Weiteren die Frage, ob Dritte in ihrem Netzgebiet Kundenanlagen betreiben bzw. ob im Rahmen eines entsprechenden Netzanschlussbegehrens als Kundenanlage deklarierte Anlagen tatsächlich die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Im Kontext der Netzanschlusspflicht gemäß §§ 17, 18 EnWG sollten die Netzbetreiber gründlich prüfen, ob es sich bei eventuellen Stromerzeugungsanlagen von Dritten um Kundenanlagen oder doch um regulierungspflichtige Netze handelt. Sollten die Voraussetzungen nicht vorliegen, kommt eine Ablehnung des Netzanschlussbegehrens als Kundenanlage durch den Netzbetreiber in Betracht. Im Falle einer Ablehnung muss der Netzbetreiber jedoch damit rechnen, dass der „verhinderte” Kundenanlagenbetreiber ein besonderes Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG bei der Regulierungsbehörde einleitet. Wie den obigen Entscheidungen zu entnehmen ist, legt die BNetzA die Voraussetzungen der Kundenanlage als Ausnahmetatbestand eng aus. Dennoch ist den Netzbetreibern in jedem Falle eine umfassende Prüfung des Kundenanlagenstatus im Vorfeld der Anschlussverweigerung zu empfehlen, um einer negativen Entscheidung der Regulierungsbehörden vorzubeugen.

 

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Alexander von Chrzanowski

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