Von der BNetzA für einen L2BSA zu einem geförderten Breitbandnetz festgesetzte Vorleistungsentgelte sind „offensichtlich rechtswidrig“

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​​​​​​​​​​veröffentlicht am 11. April 2024


„Offensichtlich rechtswidrig” – so beurteilt das Verwaltungsgericht Köln die von der Beschlusskammer 11 der Bundesnetzagentur festgelegten Entgelte für einen Layer 2-Bitstream-Access für den Zugang zu einem öffentlich geförderten Glasfasernetz nach summarischer Prüfung. Hintergrund war ein Eilantrag der Vodafone GmbH, dem das Gericht mit Beschluss vom 15.03.2024 stattgab. Wie die Bundesnetzagentur hierauf reagiert, bleibt abzuwarten. Sollte sie neue Entgelte festsetzen, so hat sie hierbei jedenfalls deutlich nachzubessern. Denn das Gericht hat eine ganze Reihe erheblicher Mängel bei der Festlegung der Entgelte festgestellt.

Was ist passiert? Hintergrund des Besc​​hlusses des VG Köln


Hintergrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln („VG Köln”) war eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Entgeltpreise zwischen M-net Telekommunikations GmbH („M-net”) und der Vodafone GmbH („Vodafone”). Die Vodafone betreibt im Main-Kinzig-Kreis ein gefördertes FTTH-Netz, zu dem die M-net einen offenen Netzzugang (Bitstreamzugang) begehrt, um darüber ihre Kunden zu versorgen. Betreiber öffentlich geförderter Glasfasernetze müssen anderen Telekommunikationsunternehmen grundsätzlich Zugang zu dem Netz gewähren („Open Access”). Am 05.05.2022 forderte die M-net die Vodafone zur Abgabe eines entsprechenden Angebotes auf. Nachdem keine Einigung über die Entgelte zwischen den beiden Unternehmen zustande gekommen war, stellte die M-net am 28.02.2023 einen Antrag auf Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens1 bei der Bundesnetzagentur („BNetzA”). Die M-net begehrte hierbei insbesondere die Verpflichtung der Vodafone durch die BNetzA, ihr einen offenen und diskriminierungsfreien Bitstreamzugang zu fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren. Höchst hilfsweise beantragte die M-net bei der BNetzA, die Vodafone zu verpflichten, ihr den Zugang zu „denjenigen fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren, die von der Bundesnetzagentur Beschlusskammer 11 als Nationaler Streitbeilegungsstelle gemäß § 211 Abs. 2 TKG im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens verbindlich festgelegt werden“.2

Festsetzung von Vorleistungsentgelten ​durch die BNetzA


Um die Anträge der M-net zu verstehen, ist es unumgänglich, einen kurzen Blick auf die relevanten rechtlichen Fördergrundlagen zu werfen. Denn diese können die BNetzA verpflichten, in solchen Fällen der Uneinigkeit über Vorleistungspreise (also Preise für den Bitstreamzugang), selbst Vorleistungspreise festzusetzen. Diese werden nach den rechtlichen Fördergrundlagen im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, festgelegt, sofern nicht auf regulierte oder veröffentlichte Durchschnittspreise für den Vorleistungszugang in vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten zurückgegriffen werden kann.3

Tatsächlich hatte die BNetzA bereits ein Jahr zuvor, im Februar 2022, eine Marktabfrage4 eingeleitet und Unternehmen dazu aufgefordert, ihr Auskunft zu den eigenen Vorleistungspreisen zu erteilen. Nachdem im Oktober 2023 die Auswertung der Markabfrage abgeschlossen war, vertrat die Beschlusskammer 11 der BNetzA die Ansicht, dass nun veröffentlichte Durchschnittspreise aus vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten vorhanden seien und damit Vorleistungsentgelte für ein Angebot der Vodafone für die M-net festgelegt werden könnten. Obwohl selbst innerhalb der BNetzA wesentliche Bedenken gegen die auf Grundlage der Marktabfrage errechneten Vorleistungsentgelte geäußert wurden, setzte die Beschlusskammer 11 Vorleistungsentgelte für ein Angebot der Vodafone für die M-net verpflichtend fest. Die geäußerten Bedenken betrafen neben der fraglichen Belastbarkeit und Geeignetheit des Benchmarks vor allem auch die Frage, ob die errechneten Vorleistungspreise tatsächlich fair, angemessen und diskriminierungsfrei seien.5

Festgelegt wurden dennoch folgende monatliche Vorleistungsentgelte (ohne MwSt)6:

​​​Bandbreite ​​
​Entgelt
​100 / 50 Mbit/s (Downlink/Uplink)
​16,07 €
​250 / 125 Mbit/s (Downlink/Uplink)
​24,08 €
​500 / 250 Mbit/s (Downlink/Uplink)
​28,43 €
​1000 / 500 Mbit/s (Downlink/Uplink)
​41,04 €

Soweit so gut. Aber​ was genau lief nun falsch?


Dass sich der Beschluss der Beschlusskammer 11 der BNetzA vom 31.10.2023 nach summarischer Prüfung als „offensichtlich rechtswidrig“ erweist, stützt das VG Köln auf eine ganze Reihe an Kritikpunkten:

  • Der Beschluss leidet nach Auffassung des Gerichts an einem Anhörungsmangel, da den Beteiligten nicht ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme (bezüglich der Marktabfrage und der verwendeten Methodik zur Bestimmung der Durchschnittspreise) gewährt wurde.7
  • Der Beschluss leidet zudem an einem Begründungsmangel. Nach Auffassung des Gerichts ist die Berechnung der herangezogenen Durchschnittspreise bei der Entgeltfestlegung aus der Begründung des Beschlusses nicht nachvollziehbar (insb. hinsichtlich der Methodik und Datenlage).8
  • Die Beschlusskammer 11 hat ihr Ermessen in folgenden Punkten nach Auffassung des Gerichts fehlerhaft ausgeübt:

    – Die Festlegung der monatlichen Überlassungsentgelte war rechtsfehlerhaft. Entgegen der Festlegung durch die Beschlusskammer 11 können dem Gesetz nach die Entgelte nicht separat, sondern nur zusammen mit den anderweitigen Bedingungen des Netzzugangs (wie z.B. der Höhe von Einmalentgelten) festgesetzt werden. Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung.9

    – 
    Auch lagen im Zeitpunkt der Festlegung keine „veröffentlichten Durchschnittspreise“ vor. Nach Auffassung des Gerichts ist der Durchschnitt aus Einzelpreisen zu bilden, die bereits zuvor, d.h. im Zeitpunkt des Auswahlverfahrens des Netzbetreibers, veröffentlicht waren. Dies ist auch zielführend, da ein Bieter im Auswahlverfahren schwerlich sein Angebot kalkulieren kann, wenn er nicht weiß, zu welchen Preisen er später Vorleistungszugang anbieten muss. Darüber hinaus monierte das Gericht, dass der Durchschnittspreis aus unveröffentlichten und teilweise als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis eingeordneten Preisen gebildet wurde.10

    – 
    Zudem sah das Gericht die Berechnung der Durchschnittspreise aufgrund mehrerer Aspekte als fehlerhaft an. Bemängelt wurde z.B., dass die Beschlusskammer 11 im Rahmen der Berechnung der Durchschnittspreise nicht zwischen verschiedenen Geschäftsmodellen (Einheitspreis, Commitment-Modell) differenziert hat. Die festgelegten Vorleistungsentgelte der Beschlusskammer 11 sind Einzelabnahmepreise. Einbezogen in die Berechnung wurden allerdings auch Preise aus Commitment-Modellen. Nun ist es in der Praxis allerdings so, dass Preise in Commitment-Modellen (z.B. einem Modell, das die Festlegung einer Mindestabnahme an Endkundenanschlüssen vorsieht) im Vergleich zu Einzelabnahmepreisen in aller Regel deutlich günstiger ausfallen; die Risikobeteiligung führt zu einem Rabatt. Werden nun bei der Berechnung der durchschnittlichen Einzelabnahmepreise auch die günstigeren Preise aus den Commitment-Modellen einbezogen, führt dies zu einer Verzerrung, da der Durchschnittspreis nun günstiger ausfällt, als wenn ausschließlich Preise aus Einzelabnahmemodellen zugrunde gelegt worden wären.11

Fa​zit


Der im Eilrechtsverfahren ergangene Beschluss des VG Köln gibt – sofern das Hauptsacheverfahren keine neuen bzw. abweichenden Begründungen ergibt – eine Orientierung zur Frage der richtigen Bestimmung und Festlegung von Vorleistungsentgelten durch die BNetzA. Sollte die BNetzA erneut Vorleistungsentgelte festlegen, so ist anzunehmen, dass sie diese Entscheidung ausreichend berücksichtigt. Eins ist gewiss: Es bleibt spannend.

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Quellen:

1 Vgl. § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG i.V.m. § 155 TKG.

2 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 12.

3 § 8 Abs. 5 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen in „grauen Flecken“.

4 Vgl. § 203 TKG.

5 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 6, 17.

6 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 21, Beschluss der Beschlusskammer 11 der BNetzA vom 31.10.2023, Gz.: BK11-23-003

7 Vgl. § 215 Abs. 1 TKG; Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 48 ff.

8 Vgl. § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG; Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 67 ff.

9 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 93 ff.

10 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 100 ff., sowie zur Auslegung: § 8 Abs. 5 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen in „grauen Flecken“ und Ziffer 78 Lit. h) der Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau (2013/C 25/01).

11 Beschluss des VG Köln vom 15.03.2024, Az: 1 L 2288/23, Rn. 108 ff.

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