StVG-Novelle: Antwort der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates

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​veröffentlicht am 21. April 2021

 

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26.03.2021 zur Novellierung des StVG Stellung genommen. Auf diese Stellungnahme hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 31.03.2021 reagiert.

 

Die wichtigsten Punkte der Stellungnahme sind:

Erprobungsbetrieb

Der reguläre Betrieb der autonomen Fahrfunktion ist nach dem bisherigen Gesetzentwurf nur in gesondert zugelassenen Betriebsbereichen gestattet, die den technischen Fähigkeiten des jeweiligen Fahrzeuges entsprechen. In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat nun, dass die Erprobung autonomer Fahrfunktionen analog zu dem regulären Betrieb ebenfalls nur innerhalb genehmigter Betriebsbereiche stattfinden dürfe. Die Betriebsbereiche sollten sicherstellen, dass die autonome Fahrfunktion unter den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Betriebsbereiches verkehrssicher betrieben werden könne, sodass nicht nachvollziehbar sei, warum für die Erprobung andere Maßstäbe gelten sollten als für den Regelbetrieb.

 

Die Bundesregierung steht laut ihrer Gegenäußerung dem Vorschlag des Bundesrates „zurückhaltend gegenüber”. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Erprobung stets in Anwesenheit einer Person vor Ort erfolge und eine Erprobungsgenehmigung durch Nebenbestimmungen flankiert werden könne.

 

Der Unterschied zwischen Regel- und Erprobungsbetrieb wird durch folgende Übersicht deutlich:

 

Regelbetrieb Erprobungsbetrieb
  • Fahraufgabe wird ausschließlich von dem Fahrzeug/System übernommen
  • Keine verantwortliche Person vor Ort
  • Keine permanente Überwachung
  • Deaktivierungsmöglichkeit aus der Leitstelle
  • Keine Übersteuerungsmöglichkeit
  • Fahraufgabe kann von Person vor Ort übernommen werden
  • Verantwortliche Person vor Ort
  • Permanente Überwachung durch eine Person vor Ort
  • Deaktivierungsmöglichkeit vor Ort
  • Übersteuerungsmöglichkeit vor Ort

 

Aus der Übersicht wird ersichtlich, dass der verkehrssichere Betrieb im Regelbetrieb allein von dem Fahrzeug/System gewährleistet werden muss, während im Erprobungsbetrieb eine Person vor Ort ist, die notfalls die Fahraufgabe übernehmen kann.

  • Im Regelbetrieb ist durch den Einsatz innerhalb des Betriebsbereiches sichergestellt, dass das Fahrzeug die Fahraufgabe verkehrssicher und selbstständig wahrnehmen kann.
  • Im Erprobungsbetrieb stellt die verantwortliche Person vor Ort sicher, dass die Fahraufgabe verkehrssicher durchgeführt wird.

 

Der Betriebsbereich ist somit nur der Bereich, in dem ein verkehrssicherer Betrieb ohne Person vor Ort gewährleistet ist. Sofern aber eine Person vor Ort ist und den Betrieb überwacht, ist der verkehrssichere Betrieb auch außerhalb des Betriebsbereiches möglich.

 

Bei der Argumentation, dass die Betriebsbereiche einen verkehrssicheren Betrieb der autonomen Fahrfunktion gewährleisten sollten, wird zudem übersehen, dass es dafür eines vorausgehenden Erprobungsbetriebes bedarf. Ob ein verkehrssicherer Betrieb auf einer als Betriebsbereich gewünschten Strecke möglich ist, ist jedoch gerade die Frage, die im Rahmen der Erprobung beantwortet werden soll.

 

Dürfte der Erprobungsbetrieb nur dort erprobt werden, wo ein verkehrssicherer Betrieb bereits festgestellt wurde, gäbe es nichts weiter zu erproben. Ein Betriebsbereich ist auf die Fähigkeiten des jeweiligen Fahrzeuges zugeschnitten. Je weiter die Fähigkeiten des Fahrzeuges gehen, desto komplexer kann der Betriebsbereich sein. Um festzustellen, ob das jeweilige Fahrzeug bzw. seine autonome Fahrfunktion mit der Komplexität des als Betriebsbereich gewünschten Bereichs selbstständig zurechtkommt, muss daher zunächst ein Erprobungsbetrieb stattfinden. Das bedeutet, dass die autonome Fahrfunktion zunächst im Rahmen einer Erprobung in dem Bereich eingesetzt werden muss, der später als Betriebsbereich genehmigt werden soll.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass ein Erprobungsbetrieb stets einem Regelbetrieb vorausgehen wird.

 

Die Befürchtung des Bundesrates, dass an den Erprobungsbetrieb geringere Anforderungen gestellt würden als an den Regelbetrieb, ist somit unbegründet. Aufgrund der permanenten Überwachung durch eine Person vor Ort ist im Erprobungsbetrieb sichergestellt, dass die Fahraufgabe verkehrssicher durchgeführt wird, sodass die Beschränkung auf Betriebsbereiche nicht notwendig, bzw. sogar hinderlich wäre.

 

Genehmigungszuständigkeit

Der bisherige Entwurf sieht die Zuständigkeit für die Genehmigung der Betriebsbereiche, innerhalb der das Fahrzeug mit autonomer Fahrfunktion fahrerlos fahren darf, bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde. Der Bundesrat hält es aus Gründen einer bundesweit einheitlichen Genehmigungspraxis für übersichtlicher, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sachlich zuständig wäre und sich nur mit der nach Landesrecht zuständigen Behörden bezüglich der Genehmigung „ins Benehmen” setzen müsse. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das KBA bereits für die Erteilung der Betriebserlaubnis des Fahrzeuges zuständig sei und über entsprechende Expertise verfüge.

 

Diesen Vorschlag lehnt die Bundesregierung mit Verweis auf die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung ab, da nach Art. 83 GG grundsätzlich die Länder zuständig seien (Organisationshoheit). Außerdem wären Landesbehörden besser in der Lage, eine Einschätzung bezüglich der örtlichen Gegebenheiten zu treffen.

 

Laufende Genehmigungsverfahren

Bereits laufende Genehmigungsverfahren, die sachlich unter die Neuregelung fallen, sollen entsprechend der Stellungnahme des Bundesrates unberührt bleiben, um diese nicht mit zusätzlichem zeitlichem und finanziellem Aufwand zu belasten.

 

Den Vorschlag, eine Übergangsregelung für laufende Zulassungsverfahren aufzunehmen, will die Bundesregierung prüfen und ggf. eine konkrete Formulierung vorschlagen.

 

Fahrmanöver

Der Bundesrat bringt in der Stellungnahme zum Ausdruckt, dass die Regelung über die Fahrmanöver missverständlich sei, da nicht klar sei, ob die Freigabe von Fahrmanövern voraussetze, dass sich das Fahrzeug in Bewegung befinde. Die Missverständlichkeit ergebe sich insbesondere aus der Bezeichnung „Fahrmanöver”, welche nur bei weiter Auslegung auch das Untätigbleiben und somit den Stillstand des Fahrzeugs umfasse. Der Bundesrat geht dabei davon aus, dass Fahrmanöver während der laufenden Fahrt von der Technischen Aufsicht freigegeben werden können, bzw. sogar zwingend freigegeben werden müssen.

 

Die Bundesregierung schließt sich dem Wunsch des Bundesrates nach einer Klarstellung in Bezug auf die Bestimmung „Fahrmanöver” an.

 

Der Bedarf nach einer Klarstellung wird auch daraus ersichtlich, dass inhaltlich nicht offensichtlich zu sein scheint, was die bisherigen Regelungen beinhalten. Dies betrifft insbesondere die Annahme, ein Fahrmanöver könne aus der laufenden Fahrt freigegeben werden. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Wie sich aus dem Entwurf der Verordnung (AFGBV-E) ergibt, ist die Freigabe ausschließlich aus dem risikominimalen Zustand und somit aus dem Stillstand heraus möglich. Aus der laufenden Fahrt heraus kann die Technische Aufsicht das Fahrzeug lediglich deaktivieren. Bereits aus § 1f Abs. 2 Nr. 1 StVG-E geht hervor, dass eine Freigabe erst nach entsprechender Beurteilung der Technischen Aufsicht erfolgt. Die Freigabe eines Fahrmanövers erfolgt somit nicht zwingend, sondern ist von der Beurteilung der Technischen Aufsicht abhängig.

 

Datenspeicherung

Hinsichtlich der Datenspeicherung bittet der Bundesrat in seiner Stellungnahme um Prüfung, ob dem Fahrzeughersteller neben der Pflicht, die Datenhoheit der Datenerzeugenden technisch und organisatorisch zu ermöglichen, noch weitere Pflichten auferlegt werden sollten. Dem Gesetzentwurf fehlten bisher insbesondere Vorgaben dazu, die Fahrzeuge entsprechend auszustatten, sowie welche Daten überhaupt verarbeitete werden können müssten.

 

Diesem Vorschlag des Bundesrates stimmt die Bundesregierung zu.

 

Datenverarbeitung

Bezüglich der Datenverarbeitung stelle sich außerdem die Frage, aufgrund welcher Rechtsgrundlage personenbezogene Daten Dritter verarbeitet werden sollten (z.B. Umgebungsaufnahmen durch Fahrzeugkameras) und ob es weiterer spezialgesetzlicher Regelungen bedürfe.

 

Die Bundesregierung hält nur dort die Schaffung weiterer Rechtsgrundlagen für erforderlich, wo eine Datenverarbeitung für die behördliche Aufgabenerfüllung notwendig ist. Eine umfassende Regelung sämtlicher datenschutzrechtlicher Aspekte des autonomen Fahrens sei mit dem Gesetzentwurf nicht intendiert. Darüber hinaus dürften personenbezogene Daten nur dann verarbeitet werden, wenn es dafür eine Rechtsgrundlage nach allgemeinen Datenschutzbestimmungen, insbesondere nach der DSGVO gebe.

 

Haftung der Technischen Aufsicht

Die Technische Aufsicht soll nach der Stellungnahme des Bundesrates in den § 18 StVG aufgenommen werden und wie ein Fahrzeugführer haften, wobei das Verschulden widerlegbar vermutet wird.

 

Der Vorschlag des Bundesrates wird von der Bundesregierung abgelehnt, da eine Haftung der Technischen Aufsicht im Rahmen des allgemeinen Deliktsrechts ausreiche. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der geringen Eingriffsmöglichkeiten der Technischen Aufsicht, die sich grundlegend von der Tätigkeit eines klassischen Fahrzeugführers unterscheide, der das Fahrzeug permanent beherrsche. Auch unter Opferschutzgesichtspunkten könne sich keine andere Einschätzung ergeben, da Geschädigte umfassend durch die verschuldensunabhängige Halterhaftung geschützt seien.

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