Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG für Kostenteilungsgemeinschaften

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​veröffentlicht am 28. Juli 2022


Vor einigen Tagen hat die Finanzverwaltung das Einführungsschreiben zur Steuerbefreiung für sogenannte „Kostenteilungsgemeinschaften” (gemäß § 4 Nr. 29 UStG) veröffentlicht1. Damit bekommen die Steuerpflichtigen etwas mehr Sicherheit, wie die Befreiungsvorschrift im Detail auszulegen bzw. anzuwenden ist.

Seit dem 01.01.2020 befindet sich im deutschen Umsatzsteuergesetz mit § 4 Nr. 29 UStG eine weitere Steuerbefreiungsvorschrift.


Durch die Einführung dieser Steuerbefreiung sollten EU-rechtliche Vorgaben umgesetzt werden und damit Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern kompensiert werden, die ihre Leistungen durch eigene Angestellte oder im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft erbringen.2

§ 4 Nr. 29 UStG ist eine Steuerbefreiung, die nur für

  • sonstige Leistungen
  • von selbständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder
  • für unmittelbare Zwecke ihrer nicht steuerbaren oder steuerbefreiten Umsätze greift.


Der grundlegende Zweck der Vorschrift besteht darin, bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien. Damit sollen u.a. auch Wettbewerbsnachteiler kleiner „Akteure” ausgeglichen werden, die entsprechende Leistungen nicht durch eigene Mitarbeiter wirtschaftlich erbringen können und die daher entsprechende Leistungen bisher umsatzsteuerpflichtig einkaufen mussten. Diese haben nunmehr grundsätzlich die Möglichkeit dies im Rahmen eines Zusammenschlusses mit anderen umsatzsteuerneutral zu organisieren.


Zwar ist die Steuerbefreiungsvorschrift seit dem 01.01.2020 im Umsatzsteuergesetz enthalten. Der relativ komplizierte Gesetzeswortlaut3 hat aber zu vielen Auslegungsfragen geführt, z.B.

  • Wann ist ein Personenzusammenschluss gegeben, der nach dieser Vorschrift befreit sein kann,
  • Welche Tätigkeiten müssen die Mitglieder des Zusammenschlusses erbringen, um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können?
  • Was sind unmittelbare Zwecke im Sinne der Vorschrift?
  • Was ist eine „Wettbewerbsverzerrung im Sinne der Vorschrift, die dazu führen würde, dass die Steuerbefreiung keine Anwendung findet
  • Was ist eine genaue Kostenerstattung im Sinne der Vorschrift?


Die Finanzverwaltung äußert sich im nun veröffentlichten Einführungsschreiben  ausführlich zu den oben genannten und weiteren Auslegungsfragen.4

Beispielsweise legt es fest, dass Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine ebenso wie Zweckverbände und (andere) juristische Personen des öffentlichen Rechts als Personenzusammenschlüsse im Sinne der Vorschrift in Betracht kommen, nicht jedoch Stiftungen.


Zu den dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren Leistungen im Sinn des § 4 Nr. 29 UStG sollen insbesondere auch die nach §§ 2, 2b UStG nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Gebietskörperschaften gehören, soweit diese die ihnen vom Landesrecht- oder Bundesrecht zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen, sowie die nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere im Rahmen des Verkündungsauftrages. Der Zusammenschluss selbst muss nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sein.


Auch zur „genauen Kostenerstattung” enthält das BMF-Schreiben eine Vielzahl von Erläuterungen. So geht es beispielweise auf Umlagen und Gewinnerzielungsabsicht ein.


In zeitlicher Hinsicht ist geregelt, dass das veröffentlichte BMF-Schreiben für alle Umsätze ab 01.01.2020 – und damit also auf alle Umsätze seit Inkrafttreten der Steuerbefreiung im deutschen Umsatzsteuergesetz – anzuwenden ist.

Fazit: Durch das Schreiben der Finanzverwaltung werden viele bisher offene Fragen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung geklärt. Gerade im Hinblick auf „genaue Kostenerstattungen” oder „Wettbewerbsverzerrungen” werden jedoch weiterhin Unsicherheiten bleiben, die jeweils im konkreten Sachverhalt abzuwägen sind.


 



1 BMF-Schreiben vom 19.07.2022, III C 3 – S 7189/20/10001:001
2 In diesem Zusammenhang wurde zum 01.01.2020 die bisherige Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG für Personenzusammenschlüsse im medizinischen Bereich aufgehoben.

3 § 4 Nr. 29 UStG
4 Bereits im Jahr 2021 wurde ein Entwurf des Schreiben veröffentlicht, in einigen wenigen Punkten wurde der Entwurf jedoch geändert bzw. ergänzt. So wurden beispielsweise die Erfüllung des Verkündigungsauftrags für Religionsgemeinschaften explizit als eine dem Gemeinwohl dienende, nicht steuerbare Tätigkeit, aufgenommen.



Autoren: Anka Neudert und Dr. Christian Ortloff​​​​​

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