Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Zweckbetriebe von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen – Erlöse aus Beteiligungsveräußerung sind nicht immer der Vermögensverwaltung zuzurechnen

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​​​​veröffentlicht am 31. Mai 2021; Autorinnen: Julia Agapova und Diana Haidar​​

 

Die Einhaltung der Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO ist für Wissenschaft- und Forschungseinrichtungen gemeinnütziger Körperschaften immens wichtig. „Schädliche Einnahmen” führen dazu, dass die Steuervergünstigung und somit die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in Höhe von 7 Prozent wegfällt. Die Frage nach der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung, die auch Auftragsforschung betreiben, war zuletzt Gegenstand der BFH Rechtsprechung. Dabei ging es um die Frage, ob Einnahmen aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer GmbH, an die die Forschungseinrichtung zuvor entgeltliche Leistungen im Rahmen  ihres Unternehmens erbracht hat, für die Beurteilung der Zweckbetriebseigenschaft der Vermögensverwaltung zuzurechnen sind.

 

Nach § 68 Nr. 9 S. 1 AO sind Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren, Zweckbetriebe im gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinne.

 

Für die Beurteilung, ob eine Forschungseinrichtung als Zweckbetrieb gemäß § 68 Nr. 9 AO einzustufen ist oder nicht, muss geprüft werden, ob die Erzielung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Vordergrund steht oder ob sich die Tätigkeit nur auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse bezieht. Des Weiteren ist es für die Zweckbetriebseigenschaft notwendig, dass die Finanzierung im Sinne des § 68 Nr. 9 AO erfolgt. Danach müssen sich die Träger der Wissenschaft – und Forschungseinrichtungen überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren.

 

Liegen die vorgenannten Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO vor, ist die Forschungstätigkeit dem Zweckbetrieb zuzuordnen und der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 7 Prozent findet Anwendung.

 

Zuletzt war die Frage nach der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei der Auftragsforschung Gegenstand der BFH-Rechtsprechung.1 Im Streitfall ging es um die gemeinnützige GmbH (gGmbH), die im Bereich der Auftragsforschung tätig war. Diese hielt an einer anderen GmbH (hier: H-GmbH) eine 100 prozentige Beteiligung und überließ ihr einen Teil ihres Betriebsgrundstückes entgeltlich zur Nutzung. Die gGmbH vereinnahmte von der H-GmbH Mieteinnahmen und Beteiligungserträge. Diese Beteiligung veräußerte die gGmbH und rechnete den Veräußerungserlös  der Vermögensverwaltung zu.

 

Im Rahmen der Außenprüfung versagte das FA die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Bereich der Auftragsforschung und stellte gleichzeitig fest, dass aufgrund der bestehenden Betriebsaufspaltung der Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Beteiligung an der H-GmbH nicht der Vermögensverwaltung, sondern dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb  zuzuordnen sei.

 

Das Finanzgericht2 verneinte anschließend ebenfalls die Zuordnung des Beteiligungserlöses zur Vermögensverwaltung.

 

Der BFH bestätigte die Ansicht des Finanzgerichtes dahingehend, dass die Einnahmen aus der Beteiligungsveräußerung nicht zur Vermögensverwaltung gehören. Er verneinte auch die Ansicht, dass die Beteiligungsveräußerung mangels einer unternehmerischen Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht steuerbar sei. Der BFH argumentierte dabei folgendermaßen:

 

Grundsätzlich umfasst die Vermögensverwaltung im Sinne des Umsatzsteuerrechts nur nichtunternehmerische Tätigkeiten wie das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von Gesellschaftsanteilen.3 So stellen der bloße Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen keine unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeiten dar. Anders ist es, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Tochtergesellschaft einhergeht. Dieser Eingriff in die Verwaltung der Tochtergesellschaft umfasst alle Umsätze, die eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Dazu gehören auch entgeltliche Leistungen wie die Grundstücksüberlassung.

 

Liegen danach Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaft im Sinne einer wirtschaftlichen Tätigkeit vor, ist auch die Beteiligungsveräußerung an der Tochtergesellschaft steuerbar. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die entgeltliche Veräußerung der Beteiligung an der H-GmbH steuerbar war. Denn die gGmbH beschränkte sich vor der Veräußerung nicht nur auf das bloße Halten der Beteiligung, sondern griff aufgrund der zusätzlich entgeltlichen Grundstücksüberlassung in die Verwaltung der H-GmbH ein.

 

Folglich war auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Leistungen im Rahmen der Auftragsforschung der gGmbH zu versagen, da sich die GmbH als Träger der Forschungseinrichtung aufgrund der „geänderten” Zuordnung der Einnahmen aus der Veräußerung der Beteiligung nicht mehr überwiegend aus Zuwendungen oder der Vermögensverwaltung finanziert hat.

 

Die Entscheidung des BFH ist nicht nur für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Leistungen der Auftragsforschung interessant. Sie  hat auch Bedeutung im Hinblick auf die Einordnung vom Halten und Veräußern von Beteiligungen als unternehmerische oder nichtunternehmerische Tätigkeit.



___________________________________________________

1 BFH-Urteil v. 10.12.2020 – V R 5/20.

2 Sächsisches FG, Urteil v. 14.1.2020 -3 K 492/13.

3 Abschn. 2.3 Abs. 2 S. 1 UStAE.

 

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Diana Haidar

Bachelor of Laws Wirtschaftsrecht, Steuerassistentin, Prüfungsassistentin

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