Grenzen der Gruppenbildung im Insolvenzplan – Teil 2

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 29. September 2017

 

​Mangels Legaldefinition des Begriffs der „Gleichartigkeit von wirtschaftlichen Interessen” in der Insolvenzordnung lässt die Gruppenbildung im Insolvenzplan einen Gestaltungsspielraum zu. Dabei stellt sich die Frage, ob dadurch auch gleichzeitig Raum für Manipulationen zur Beschaffung von Mehrheiten gegeben wird. Die Aufgabe des Gerichtes liegt darin, festzustellen, ob die Gruppenbildung sachgerechten und wirtschaftlichen Interessen dient. Der zweite Teil des Artikels „Gruppenbildung im Insolvenzplan” befasst sich folglich mit den Grenzen der Gruppenbildung im Insolvenzplan.

 

​[§ 231 InsO]

 

1. Missbrauchsverbot als Grenze gemäß § 231 I S. 1 Nr. 1 InsO

Eine ungeschriebene Grenze der Gruppenbildung ist das Missbrauchsverbot. Gemäß § 231 I S. 1 Nr. 1 InsO weist das Insolvenzgericht den Insolvenzplan von Amts wegen zurück, wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und den Inhalt des Plans, insbesondere zur Bildung von Gruppen, nicht beachtet sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten Frist nicht behebt.


Nach hL muss das Gericht die Einhaltung der Voraussetzungen zur Bildung fakultativer Gruppen prüfen. Wird hierbei ein Missbrauch festgestellt, bezieht sich das auf eine unlautere Gruppenbildung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Es mangelt hierbei an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 222 InsO. Insbesondere mangelt es an einer sachlichen Abgrenzung wie auch an einer Zusammenfassung gleichartiger wirtschaftlicher Interessen.


Gemäß § 231 I Nr. 2 InsO steht den Gläubigern zudem das Recht zu, die Bestätigung des Antrages zu versagen. Das gilt dann, wenn der Gläubiger durch den Plan schlechter gestellt wird.


In dem Urteil vom Landgericht Neuruppin v. 19.04.2013, Az. 2 T 33/13, versagte das Gericht die Zustimmung nach § 248 InsO. Die Entscheidung beruhte darauf, dass der Gruppenbildung in dem Fall keine sachgerechten Gründe zugrunde lagen. Die Gruppen wurden folgendermaßen aufgeteilt:

 

  • Gruppe 1: Kleinstgläubiger mit Forderungen unter 1.000 Euro
  • Gruppe 2: Kleingläubiger mit Forderungen von 1.000 bis 5.000 Euro
  • Gruppe 3: Forderungen über 5.000 Euro

 

Diese Aufteilung sei willkürlich und behindere eine interessengerechte Abgrenzung der unterschiedlichen Rechtsstellungen und wirtschaftlichen Interessen. Kleingläubiger mit einem Anteil von 10 Prozent der angemeldeten Forderungen hätten eine gemeinsame Gruppe bilden müssen. Jedenfalls hätte den Kleinst- und Kleingläubigern eine Befriedigung von 100 Prozent gewährt werden müssen.


Kommt es aus Gläubigersicht zu einem Verstoß gegen die genannten Kriterien der Gruppenbildung, besteht die Möglichkeit des Minderheitenschutzes gemäß § 251 InsO. Gemäß § 251 II InsO ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft macht, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird.

 

2. Allgemeines Missbrauchsverbot als (ungeschriebene) Grenze der Gruppenbildung

Ferner ist fraglich, ob ein über die Gruppenbildungskriterien der unterschiedlichen Rechtsstellung sowie der gleichartigen wirtschaftlichen Interessen und der sachgerechten Gruppenabgrenzung hinausgehendes, allgemeines Missbrauchsverbot als (ungeschriebene) Grenze der Gruppenbildung besteht.


Es wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass die Zulässigkeit einer im Insolvenzplan gebildeten Gruppe nicht ausschließlich an Hand der in § 222 I und § 222 II InsO abgefassten Kriterien zu beurteilen sei. Zusätzlich sollte bewertet werden, ob die Art der Einteilung in Gruppen geeignet ist, dissentierenden Gläubigern die Geltendmachung ihres Einspruchs gegen den Plan zu erschweren. Nach dieser Ansicht ist eine Gruppenbildung demnach unzulässig, wenn sie den Verdacht manipulativer Einflussnahme auf das Abstimmungsergebnis nahelegt (zum Beispiel durch die Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse).


Nach anderer Meinung stimmt diese Ansicht mit der Absicht des Gesetzgebers über eine gruppenbezogene Rechtsgestaltung und Abstimmung nicht überein. Durch § 251 InsO (Minderheitenschutz) wird jeder Beteiligte davor geschützt, durch einen vorgelegten Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden, als er ohne ihn stünde.


Somit besteht kein allgemeines Missbrauchsverbot, das ein Insolvenzgericht im Bestätigungsverfahren zu einer Versagung der Planbestätigung verpflichtet, sofern die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt wurde.

 

3. Fazit

Insgesamt zielt die Gruppenbildung im Insolvenzplan auf eine gleichgestellte Beteiligung aller Betroffenen ab, die vor allem verhindern soll, dass einzelne Parteien durch privatautonome Regelungen schlechter gestellt werden. Dabei sind der Gruppenbildung wesentliche Grenzen gesetzt, die sich mit den Punkten Sachgerechtigkeit, Gläubigergleichbehandlung wie auch letztlich Gläubigerautonomie beschreiben lassen.


Das Gesetz gewährleistet, dass keine Manipulation zulasten einzelner, rechtlich gleichgestellter Gruppen möglich ist. Gerichte können deswegen die Gruppenbildung auf Fehler (Mischgruppen, Differenzierung der Mussgruppe) und ansonsten auf grobe Unplausibilitäten in der wirtschaftlichen Differenzierung beschränken. Ansonsten bleibt den Planarchitekten aber ein weiter Gestaltungsspielraum.

Kontakt

Contact Person Picture

Tobias Holzschneider, EMBA

Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)

Senior Associate

+49 221 9499 095 22

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu