BGH: Wirtschaftliche Tätigkeit schadet dem Idealverein nicht

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veröffentlicht am 29. August 2017

 

Die Anerkennung eines Vereins als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO hat Indizwirkung dafür, dass er nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und somit in das Vereinsregister eingetragen werden kann.

 

I. Ausgangssituation

Ein im Vereinsregister beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragener Verein sieht in seiner Satzung vor, dass der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts 'steuerbegünstigte Zwecke' der Abgabenordnung verfolgt. Diese Zwecke sollen durch theoretische und praktische Arbeit auf dem Gebiet der Erziehung und Jugendberatung erreicht werden. Projekte wie die Einrichtung von Elterninitiativ-Kindertagesstätten oder der Aufbau von beispielsweise Beratungsstellen oder Selbsthilfeprojekten für Jugendliche und junge Erwachsene stehen hier im Fokus. Der Verein ist nach der Satzung ferner selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Die Mittel des Vereins dürfen zudem nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Der Verein hat 11 Mitglieder und betreibt neun Kindertagesstätten mit einer Größe von jeweils 16 bis 32 Kindern. Er ist mit Bescheid des zuständigen Finanzamts von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO dient.


Mit Verfügung vom 19. März 2015 leitete das Amtsgericht ein Amtslöschungsverfahren gegen den Verein ein und kündigte die Amtslöschung an. Dagegen erhob der Verein Widerspruch, den das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2015 zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass der Beteiligte mittlerweile neun Kindertagesstätten betreibe und somit wirtschaftlich tätig sei.

 

II. Entscheidungsgründe

Mit seinem Beschluss vom 12. Mai 2017 (BGH II ZB 7/16) hat der BGH nunmehr entschieden, dass der Verein als nichtwirtschaftlicher Verein im Sinne der §§ 21, 22 BGB anzusehen ist, weil sein Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Sinne der §§ 21 und 22 BGB sind nur erfüllt, wenn der Verein planmäßig, auf Dauer angelegt und nach außen gerichtet, d.h. über den vereinsinternen Bereich hinausgehend, eigenunternehmerische Tätigkeiten entfaltet, die auf die Verschaffung vermögenswerter Vorteile zugunsten des Vereins oder seiner Mitglieder abzielt. Ein Verein kann auch dann ein nichtwirtschaftlicher Verein sein, wenn er zur Erreichung seiner ideellen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfaltet, sofern diese dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet sowie Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (sog. Nebenzweckprivileg).


Die Anerkennung als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO ist bei der Beurteilung von entscheidender Bedeutung. Diesem Umstand kommt eine deutliche Indizwirkung zu.

 

III. Bedeutung für die weitere Praxis: Krankenhäuser und Universitätsklinika

Die Entscheidung hat auch in anderen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens eine wesentliche Bedeutung. Insbesondere hinsichtlich in der Literatur und durch die Instanzgerichte aufgeworfene Problematik, ob beispielsweise Krankenhäuser oder Universitätsklinika in der Rechtsform einer gemeinnützigen Körperschaft (gGmbH/AöR) auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind, dürfte damit Klarheit geschaffen sein. Denn das sind sie nicht! Selbst wenn man eine wirtschaftliche Tätigkeit annehmen wollte, so ist sie immer dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck der gemeinnützigen Körperschaft zu- und untergeordnet sowie Hilfsmittel zu dessen Erreichung. Sie unterfällt damit dem sogenannten Nebenzweckprivileg und macht die gemeinnützige Körperschaft nicht zu einer Institution, die auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.


Dies gilt insbesondere bei Krankenhäusern, die Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sind. Die öffentliche Daseinsvorsorge und die Privatwirtschaft arbeiten nach völlig unterschiedlichen Prinzipien. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist eine tragende Säule des Sozialstaats. Sinn und Ziel der öffentlichen Daseinsvorsorge ist es, die Dienste, die für ein menschenwürdiges Leben erforderlich sind, flächendeckend für alle anzubieten. Deshalb folgen sie dem Prinzip der Bedarfsdeckung.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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