Verdacht auf Abrechnungsbetrug bei 230 ambulanten Pflegediensten – Compliance in der Pflege?

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veröffentlicht am 29. Juni 2017

 

230 ambulante Pflegedienste stehen unter Verdacht, die Pflegekassen um horrende Summen betrogen zu haben. Nun wird die Bildung von entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften gefordert.

 

​[Deutsche Stiftung Patientenschutz]

 

Ambulante Pflege bietet pflegebedürftigen Personen die Möglichkeit, lange in ihrer häuslichen Umgebung leben zu können. Die Versorgung kann dabei durch einen ambulanten Pflegedienst, aber auch durch pflegende Angehörige erfolgen. In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach ambulanten Pflegedienstleistungen gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt werden inzwischen rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause versorgt. Die ambulante Pflege realisiert damit den offensichtlich bestehenden Wunsch, eine notwendig gewordene Unterstützung in der vertrauten Umgebung zu erfahren.

 

Diese positiven Aspekte werden nun jedoch von schweren Betrugsvorwürfen überschattet. 230 ambulante Pflegedienste stehen im Verdacht Abrechnungsbetrug begangen zu haben. Bereits seit 2014 wird hinsichtlich nicht erbrachter, aber dennoch abgerechneter Leistungen ermittelt. Es ist inzwischen von „gemeinsamer Sache von Patienten und Ärzten” und sogar von „Russenmafia” die Rede.

 

Was ist passiert? Es soll ein professionell organisierter Betrug durch russischsprachige Pflegedienste stattgefunden haben. Ein Vorwurf lautet, dass über Scheinfirmen viele Millionen Euro unberechtigt aus Pflegediensten herausgezogen worden sein sollen. So haben beispielsweise Personen unter mehreren Identitäten Anträge auf Pflegeleistungen gestellt. Wird dies nicht ausreichend geprüft, kann mehrfach abgerechnet werden. Außerdem sollen Pflegedokumentationen gefälscht und unqualifiziertes Personal eingesetzt worden sein.

 

Zwar hat der Gesetzgeber den gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegekassen im vergangenen Jahr bereits zusätzliche Befugnisse an die Hand gegeben, wie regelmäßige und unangemeldete‎ Kontrollen oder die Verschärfung der Vorschriften für die Zulassung neuer Pflegedienste. Laut der Deutschen Stiftung Patientenschutz würde es der organisierten Kriminalität in der Pflege jedoch noch immer zu leicht gemacht, was sich u. a. in den fehlenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften wiederspiegle. Um dem entgegenzuwirken, fordert der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz Brysch, Pflegeleistungen zukünftig elektronisch abzurechnen und zudem eine einheitliche lebenslange Patientennummer einzuführen.

 

Weitere diesbezügliche Entwicklungen bleiben abzuwarten. Allerdings sei erwähnt, dass die Branche dadurch , abgesehen von dem finanziellen Schaden, einen nicht unerheblichen Reputationsschaden erleiden kann. Die aktuellen Geschehnisse zeigen, wie wichtig die Implementierung eines funktionierenden, sich regelmäßig neu strukturierenden Compliance Management Systems ist – insbesondere im sehr manipulationsanfälligen Gesundheitswesen.

Kontakt

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Dr. Anja Bauchowitz

M.A. Gesundheitsökonomie

Senior Associate

+49 221 9499 094 28

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