Die Haftung des Stiftungsvorstands und des GmbH-Geschäftsführers: Einwand der Mitverantwortlichkeit eines anderen Organs liegt neben der Sache! (BGH 20.11.2014)

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veröffentlicht am 23. November 2015

 

Mit Urteil vom 20.11.2014 (III ZR 509/13) hat der BGH entschieden, dass sich der Vorstand einer Stiftung, der von der Stiftung wegen einer Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, gegenüber dieser Stiftung nicht mit dem Argument verteidigen kann, dass für den von ihm herbeigeführten Schaden ein anderes Stiftungsorgan (hier: Stiftungsrat) mitverantwortlich ist. Stiftungsorgane sind daher gut beraten, die bestehende Compliance-Praxis im eigenen Hause prüfen zu lassen!

 

Der BGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer pflichtwidrigen Vorstandstätigkeit des Beklagten. Die Klägerin ist eine im Jahr 1993 gegründete rechtsfähige kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts, deren Stiftungszweck die wissenschaftliche, theologische und historische Forschung und Lehre sowie die persönliche Fortbildung aller Interessierten im Bereich der evangelischen Kirche umfasst. Dazu betreibt sie eine Bibliothek. Das Stiftungsvermögen bezifferte sich nach einer Zustiftung im Februar 2001 auf mehr als 8,84 Mio. €. In den Jahren 2001 bis zur Abberufung des Beklagten am 30. September 2008 reduzierte sich das Stiftungsvermögen um rund 6,28 Mio. €, so dass noch etwa 2,55 Mio. € verblieben.
 
Der Beklagte wurde nach dem Anstellungsvertrag vom 14. Februar 2001 durch Beschluss des Kuratoriums der Klägerin mit Wirkung vom 17. Januar 2001 zum alleinigen Vorstand bestellt. Bis zum Zeitpunkt seiner Abberufung war der Beklagte als Vorstand der gesetzliche Vertreter der Klägerin. Die Stiftungssatzung benannte als Stiftungsorgane das Kuratorium und den Vorstand. Nach der Stiftungssatzung ist das oberste Organ der Klägerin das Kuratorium, das die Geschäftsführung des Vorstands überwacht und diesem gegebenenfalls Weisungen erteilt. Es beschließt insbesondere über die Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Zu den Aufgaben des vom Kuratorium bestellten, hauptamtlich tätigen Vorstands gehört auch die Verwaltung des Stiftungsvermögens, wobei das Kuratorium dem Vorstand allgemeine Richtlinien erteilen kann und sich die Zustimmung zu Rechtsgeschäften von besonderer Bedeutung vorbehält. Im März 2001 schloss der Beklagte u.a. mit verschiedenen Banken einen Vollmachtsdepotvertrag und einen Portfolio Management-Vertrag, wonach der Aktienanteil jeweils bis zu 80 % (des gesamten Depotvolumens) betragen durfte. Nachdem eine zunehmende Verminderung des Vermögens der Stiftung seit dem Jahr 2001 festgestellt wurde, ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. 2003 regelten Vorstand und Kuratorium zur weiteren Sicherung des Kapitalvermögens der Stiftung, dass für den laufenden Betrieb ein Rückgriff auf die Vermögenssubstanz nicht zulässig sei. Ferner wurde die laufende Liquiditätsabschöpfung auf 192.000 € jährlich festgesetzt. Für die Geschäftsjahre 2001 bis 2004 wurde dem Vorstand Entlastung erteilt, für die Folgejahre mangels eines Antrags jedoch nicht.
 
2008 wurde der Beklagte als Vorstand abberufen und das Anstellungsverhältnis gekündigt. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend, weil dieser als Vorstand infolge pflichtwidriger Vermögensverwaltung durch zu hohe laufende Ausgaben im Rahmen des Stiftungsbetriebs sowie durch pflichtwidrige Ankäufe für einen erheblichen Verlust des Stiftungsvermögens verantwortlich sei. Der Beklagte habe als verantwortlicher Vorstand das Stiftungskapital in einem nicht zulässigen Umfang spekulativ angelegt beziehungsweise, auf der Grundlage von ihm ohne Beteiligung des Kuratoriums abgeschlossener Vermögensverwaltungsverträge, durch zwei Bankinstituten anlegen lassen. Damit habe der Beklagte eine zu risikoreiche Vermögensanlage gewählt beziehungsweise eine solche zumindest ermöglicht. Das Vermögen sei zu mehr als einem Drittel, nämlich zu etwa 71 %, nicht in mündelsicheren Anlagen angelegt worden. In den Jahren 2006 bis 2008 sei dadurch ein Schaden in Höhe von 226.853,18 € entstanden. Ferner sei durch die konkrete Führung des Betriebs der Stiftung ein weiterer Schaden in Höhe von 1.012.332,89 € entstanden, weil der Beklagte entgegen der Vorgaben des Kuratoriums mehr als 192.000 € pro Jahr für den laufenden Geschäftsbetrieb verwandt habe. Schließlich habe der Beklagte das Stiftungsvermögen auch durch Anschaffung von Gegenständen weiter vermindert, wodurch der Klägerin weiterer erheblicher Schaden zugefügt worden sei. Die Klägerin hat daraufhin nicht unerhebliche Rückzahlungen vom Beklagten verlangt. Der Beklagte ist dieser Klageforderung entgegengetreten.
  
Das Landgericht hat den Beklagten zu einer Zahlung verurteilt. Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat sodann auf die Berufung beider Parteien unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel den Beklagten ebenfalls zu einer (weiteren) Zahlung verurteilt.  Der Senat des Bundesgerichtshof hat dann auf die Beschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts insoweit zugelassen, als dass das Berufungsgericht den Mitverschuldenseinwand des Beklagten für erheblich erachtet hat.

  
Entscheidungsgründe:

Das Berufungsurteil konnte nach Auffassung des BGH im Hinblick auf die Kürzung der Schadensersatzansprüche wegen des Einwands des Mitverschuldens nach § 254 BGB keinen Bestand haben. Denn im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts soll § 254 BGB im vorliegenden Fall auf die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht anwendbar sein, weil die Klägerin (Stiftung) als juristische Person selbst hat an der Schadensentstehung nicht mitgewirkt habe. Es geht deshalb allein darum, ob sie sich das Handeln des Kuratoriums gemäß § 254 BGB anspruchsmindernd anrechnen lassen muss.
 

Keine Anwendung des § 254 BGB auf die Organhaftung einer AG oder GmbH:

Für die Organhaftung einer GmbH oder Aktiengesellschaft ist eine Anwendung des § 254 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht möglich. In der juristischen Person, die als solche nicht handeln kann, sind nämlich die Pflichten der für sie tätigen Organe so ausgestaltet, dass sie nebeneinander bestehen; jedes Organ ist grundsätzlich für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen und satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich und hat deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen. Kein Gesellschaftsorgan kann der Gesellschaft gegenüber einwenden, seine Ersatzpflicht sei gemindert, weil ein anderes Gesellschaftsorgan für den Schaden mitverantwortlich sei. Denn die Gesellschaftsorgane vertreten im Innenverhältnis nicht die Gesellschaft gegenüber den anderen Organen. So kann etwa der Geschäftsführer einer GmbH, der von der Gesellschaft wegen einer Pflichtwidrigkeit in Anspruch genommen wird, nicht einwenden, ein Mitgeschäftsführer oder ein Mitglied eines in der GmbH gebildeten Aufsichtsrats sei für den von ihm herbeigeführten Schaden mitverantwortlich, so dass seine eigene Ersatzpflicht nach § 254 BGB gemindert sei (so auch  BGH, Urteil vom 14. März 1983 – Az.: II ZR 103/82). Ein Geschäftsführer kann als Mitverschuldenseinwand auch nicht geltend machen, er sei von der Gesellschafterversammlung schlecht ausgewählt oder nachlässig überwacht worden.  
  
Grundsätze anwendbar auf Stiftungen: Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Stiftung. Auch wenn zwei Organe einer Stiftung, etwa der Vorstand und ein Stiftungsrat, die Stiftung schädigen, haften sie gleichstufig für den durch sie entstandenen Schaden und damit als Gesamtschuldner. Sie können sich nicht auf das Mitverschulden des anderen Gesamtschuldners zur eigenen Haftungsverminderung berufen, sondern sind darauf verwiesen, bei dem anderen Gesamtschuldner, dem anderen haftenden Organ der Stiftung, im Innenverhältnis Rückgriff zu nehmen. Dem steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass der Stiftungsrat gegenüber dem Beklagten als Vorstand nach der Stiftungssatzung weisungsbefugt gewesen ist. Solche –tatsächlichen- Weisungen sind bezüglich des hier ermittelten Schadens vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden, hätten aber gegebenenfalls ein Verschulden des Beklagten und damit eine Haftung dem Grunde nach ausschließen können. Auch in der Stiftung gilt der Grundsatz, der den Einwand des Mitverschuldens dieser gegenüber im Hinblick auf die Verletzung der Überwachungspflicht durch ein anderes Stiftungsorgan ausschließt. Das Argument des Beklagten, im Fall der Schadensentstehung durch eine Pflichtverletzung der Stiftungsaufsicht und eines Stiftungsorgans sei der Mitverschuldenseinwand zulässig (vgl. Senatsurteil vom 3. März 1977 - BGH III ZR 10/74) griff ebenfalls für den konkreten Fall nicht durch. Denn die Stiftungsaufsicht ist kein Organ der Stiftung.
  

Praxisempfehlung:

Die Entscheidung des BGH zur Verneinung eines Mitverschuldenseinwands bei stiftungsrechtlicher Organhaftung ist in Anbetracht der Rechtsprechung zur Organhaftung von GmbH und AG zunächst konsequent. Mangels Handlungsfähigkeit einer juristischen Person haftet jedes Organ für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen oder satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig und hat deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen. Umso wichtiger ist es für die Gesellschaftsorgane entsprechende Vorsorge zu treffen, dass derartige Risiken von vorne herein im Keim erstickt werden. Dies kann insbesondere durch die Implementierung eines Compliance-Systems sichergestellt werden. Der Compliance-Quick-Check von Rödl & Partner hilft Ihnen in einem ersten Schritt bei der Erstellung eines entsprechenden Risikoprofils und leitet daraus Fragen für die individuelle Risikogewichtung in Ihrer Stiftung ab. Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne!

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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