Umsatzsteuerliche Organschaft auf den Kopf gestellt!

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veröffentlicht am 5. August 2015

 

EuGH (Larentia + Minerva) 16.07.2015

 

Der EuGH hat in seiner Entscheidung Larentia + Minerva das bisherige Verständnis zur umsatzsteuerlichen Organschaft teilweise auf den Kopf gestellt. Konnte nach bisherigem Verständnis trotz aller Kritik nur eine juristische Person Organgesellschaft einer umsatz-steuerlichen Organschaft sein, so ist dies nunmehr passé. Der EuGH sieht in dieser Auslegung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie einen Verstoß gegen das Unionsrecht. Daneben hat der EuGH jedoch auch dem Kriterium eines Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger eine Absage erteilt. Nach dem Sinn und Zweck der Mehrwertsteuersystemrichtlinie muss es möglich sein eine enge Verbindung auch auf anderem Wege darzustellen.

 

Nach aktuell geltendem Recht und der Auffassung der Finanzverwaltung kann eine umsatzsteuerliche Organschaft nur dann begründet werden, wenn eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger gegeben ist. Daneben kann bisher gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch nur eine juristische Personen - gleich ob es sich dabei um juristische Personen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handelt – Organgesellschaft einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein. 
  
Von diesem bisherigen Verständnis der umsatzsteuerlichen Organschaft werden wir uns wohl verabschieden können. Der EuGH hatte in der Entscheidung Larentia + Minerva (EuGH, Urteil vom 16.07.2015 – C-108/14) Gelegenheit, sich zu Fragen der umsatzsteuerlichen Organschaft zu äußern. Mit der Art und Weise, wie sich der EuGH dann jedoch äußerte, hat wohl kaum jemand gerechnet. 
  
In der Sache ging es um eine Holdinggesellschaft, die Beteiligungen an verschiedenen Kommanditgesellschaften gehalten hat und darüber hinaus verschiedene umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen für diese Kommanditgesellschaften erbracht hat. Die Holdinggesellschaft war der Auffassung, dass diese mit ihren Tochterkommanditgesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet. Da eine Kommanditgesellschaft zumindest nach nationalem Verständnis keine Organgesellschaft sein kann, wollte der BFH vom EuGH wissen, ob die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einen Verstoß gegen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie darstellt und inwiefern es für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft auf ein sogenanntes Über-Unterordnungsverhältnis ankommt. 
  
Zu Beginn seiner Entscheidung stellt der EuGH fest, dass das Unionsrecht den einzelnen Mitgliedstaaten keinen Spielraum lässt, um Personengesellschaften wie beispielsweise eine GmbH & Co. KG von einer umsatzsteuerlichen Organschaft auszuschließen. Ein solcher Ausschluss könne allenfalls vor dem Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL (Vermeidung von Steuerhinterziehungen) gesehen werden. Dies zu prüfen ist jedoch Aufgabe der nationalen Gerichte. Daher kann die aktuell geltende Auffassung im deutschen Recht, dass Organgesellschaft nur eine juristische Person sein kann, in dieser Allgemeinheit keine Geltung mehr haben kann. 
 
Zudem nahm die Rechtsprechung in Deutschland bisher an, es müsse ein Über-/Unterordnungsverhältnis vorliegen. Hierzu verweist der EuGH auf den unionsrechtlichen Rahmen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 MwStSystRL, der zwar eine enge Verbindung zwischen den Mitgliedern der umsatzsteuerlichen Organschaft vorsieht. Jedoch bedeutet dies nach zutreffender Ansicht des EuGH, dass diese enge Verbindung nicht zwingend durch ein Über-Unterordnungsverhältnis begründet werden muss. Es müsse daher auch andere Wege geben, um eine enge Verbindung zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft zu begründen, sofern nicht ein solches vor dem Hintergrund der Vermeidung von Steuerhinterziehungen im konkreten Einzelfall geboten erscheint. 
  
Es stellt sich nun die Frage, wie sich diese Entscheidung nunmehr in der Praxis auswirkt. Hier ist zuerst darauf hinzuweisen, dass der EuGH klargestellt hat, dass die Regelung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 MwStSystRL nicht bestimmt und hinreichend genau ist damit sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf diese Regelung berufen kann. Allein dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass Unternehmer aktuell diese Entscheidung nicht für sich nutzen könnten. Aufgrund der Entscheidung des EuGH können Unternehmer nach unserem Dafürhalten zumindest eine unionsrechtskonforme Auslegung der Finanzverwaltung einfordern. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht diesem nicht entgegen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Generalanwalt ins einen Schlussanträgen zu diesem Verfahren unter Randnummer 116 ausgeführt hat, dass z.B. die Einbeziehung von „kapitalistisch strukturierten” Personengesellschaften wie der Kommanditgesellschaft nicht zu einer Auslegung contra legem führen würde.

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