Vorsicht bei der Gestaltung von Verträgen im Online-Vertrieb

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Verträge, die in rechtlicher Hinsicht Online-Vermittlungsdienste darstellen, sind nicht kartellrechtswidrig. Eine Frage, die für den modernen Vertrieb sehr wichtig ist, denn der Handel im Online-Bereich ist eine wichtige Vertriebsschiene. Was hat Kartellrecht mit Vertriebsrecht zu tun? Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist die Vorschrift des Art. 101 AEUV, der besagt, dass alle Vereinbarungen zwischen Un­ter­neh­men und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten sind, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wett­be­werb innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder zu bewirken. Ist eine solche Ver­ein­ba­rung verboten, ist sie nichtig. Das ergibt sich ebenfalls aus Art. 101 AEUV und aus § 134 BGB.



Folgen nichtiger Vereinbarungen

Dass der verbotene Abschluss eines Vertrages und der nichtige Vertrag, der dennoch gelebt wird, einen Com­pliance-Verstoß darstellen, liegt auf der Hand. Doch die Folgen eines solchen Verstoßes sind noch konkreter: Ein nichtiger Vertrag kann nicht Grundlage einer Geschäftsbeziehung sein. Das bedeutet, dass dann, wenn feststeht, dass ein Vertrag nichtig ist, alle im Zeitraum der angenommenen Vertragsbeziehung auf dessen Grundlage ausgetauschten Leistungen ohne rechtlichen Grund (dieser wäre ja der Vertrag gewesen) erfolgt sind. Sie sind also rückabzuwickeln.

Dass das schnell zu ernst zu nehmenden Problemen führt, liegt auf der Hand. Unternehmen, die einen ver­trag­lich geregelten Vertrieb aufbauen oder unterhalten, müssen daher stets auch die Regelungen des Ver­triebs­kar­tell­rechts im Blick haben. Denn eine Vielzahl von vertriebsrechtlichen Regelungen ist vom Grund geeignet, eine solche Handelsbeschränkung darzustellen, und zwar auch in der „normalen“ Vertriebskette zwischen Her­stellern und Händlern.

Der allseits bekannte Klassiker ist die Preisbindung, also die Verpflichtung des Händlers durch den Hersteller, die Produkte des Herstellers zu einem bestimmten oder nicht unter einem bestimmten Preis zu veräußern und die Alleinbezugsvereinbarung, also die Bindung eines Händlers, nur von einem einzigen Hersteller zu beziehen. Solche Gestaltungen sind zunächst nach Art. 101 AEUV unwirksam, denn in beiden Fällen ist die Festsetzung des Preises, auch eines künstlich überhöhten Preises, einfach möglich. Dogmatisch bezeichnet man solche Vereinbarungen, bei denen sich Hersteller und Händler auf verschiedenen Stufen des Handels befinden, als vertikale Vereinbarungen.


Freistellung durch Vertikal GVO

Art. 101 Abs. 3 AEUV räumt unter den dort gegebenen Voraussetzungen die Freistellung vom Kartellverbot ein. Von dieser Möglichkeit hat der EU-Gesetzgeber bereits seit mehreren Jahren und in verschiedenen zeitlich begrenzt geltenden Verordnungen, den Gruppenfreistellungsverordnungen Gebrauch gemacht. Er hat ganze Gruppen von Gestaltungen vom Kartell freigestellt. Die derzeit anwendbare Vertikal-Gruppenfreistellungsver­ordnung (Vertikal-GVO) gilt seit dem 1. Juni 2022 und bis zum 31. Mai 2034. Zur Anwendung der Leitlinien hat er umfassende Leitlinien verabschiedet.


Wachsende Bedeutung des Online-Handels

Nicht erst seit der COVID-Pandemie, aber seitdem nahezu sämtlichen Verbrauchern bekannt, funktioniert der Warenbezug aus dem Internet reibungslos. Die Pandemie hat dem Online-Handel einen enormen Be­deu­tungs­zu­wachs beschert. Kaum noch ein Unternehmen nutzt diesen Vertriebskanal nicht. Dieser Wandel ist auch im Rahmen des Erlasses der neuen Vertikal-GVO berücksichtigt und sie hat insbesondere Regelungen für Online-Plattformen aufgenommen, deren rechtliche Einordnung Juristen mitunter vor große Probleme stellte.

Online-Plattformen sind netzbasierte Seiten, auf denen ihre Nutzer Leistungen anbieten oder anfragen können. Werden sie für den Vertrieb eingesetzt, bieten Hersteller oder Händler Waren oder Leistungen an, die von den Kunden abgenommen werden. Dem liegen regelmäßig Verträge zwischen dem Hersteller oder Händler der Waren oder Leistungen und der Online-Plattform sowie weitere Verträge zwischen den Kunden und der Online-Plattform zu Grunde.

Je nachdem, wie der Vertrag zwischen dem Betreiber der Plattform und dem Hersteller oder Händler der Pro­duk­te und Leistungen aufgebaut ist, kann der Betreiber der Plattform oft als Handelsvertreter betrachtet wer­den. Denn er bietet Waren des Herstellers/Händlers an und vermittelt einen Vertragsschluss zwischen ihm und dem Endkunden.


Einordnung als Handelsvertretervertrag nicht maßgeblich

Oft wird davon ausgegangen, dass alle Handelsvertreterverträge nicht gegen Art. 101 AEUV verstoßen, es also keinen kartellrechtswidrigen Handelsvertretervertrag gibt. Die Leitlinien zur Vertikal-GVO stellen klar, dass das so nicht richtig ist. Nur bestimmte Handelsvertreterverträge sind durch die Vertikal-GVO vom Kartellverbot aus­genommen. Auch wenn die Verträge, die die Betreiber von Online-Plattformen vorhalten, als Han­dels­ver­tre­ter­ver­trä­ge bezeichnet werden, fallen sie oft nicht unter die Freistellung vom Kartellverbot. Allerdings können auch solche Verträge kartellrechtlich zulässig sein, wenn denn die Online-Plattform als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten einzuordnen ist. Um festzustellen, ob das der Fall ist, müssen die Vertragsbeziehungen, die im Rahmen der Teilnahme des Handels auf der Plattform abgeschlossen werden, einzeln untersucht wer­den. So kann festgestellt werden, ob die Plattform tatsächlich lediglich vermittelnd tätig wird. Eine Un­ter­su­chung, die nicht immer einfach, aber aufgrund der weitreichenden Folgen einer Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarungen sehr wichtig ist.

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