Erfolgreich investieren in der Türkei

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​​​zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


 

   

   

​​​Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in der Türkei ein?

Die türkische Wirtschaft verzeichnet mit dem Wertverlust der türkischen Lira sowie der Inflation einerseits und der konsumfreudigen, jungen Gesellschaft andererseits weiterhin einen komplexen Verlauf. Im Jahr 2023 erlitt die Türkische Lira gegenüber dem Euro einen Wertverlust von knapp 63 Prozent und gegenüber dem US-Dollar von ungefähr 58 Prozent (jeweils im Vergleich zum Vorjahr). Die Inflationsrate ist 2023 auf über 64 Prozent gestiegen, während sie in den ersten beiden Quartalen 2023 sinkende Tendenz zeigt. Die Inflationsrate im April 2024 ist im Vergleich zum Vorjahr auf 69,80 Prozent gestiegen. Der Leitzins der türkischen Zentralbank betrug 2023 41Prozent. Nach mehrfachen Anhebungen gilt seit März 2024 ein durch die Zentralbank der Türkei festgelegter Leitzinssatz von 50 Prozent. Das BIP ist 2023 auf 1.118.593 US-Dollar gestiegen (2022: 905,53 Mio. US-Dollar). Damit ist das BIP auch im Vergleich zum Vorjahr stetig am Wachsen. 

   

Wie würden Sie das Investitionsklima in der Türkei beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Die Türkei als ein Wachstumsland ist für ausländische Investoren weiterhin attraktiv und ist mit verschiedenen Branchen und Ressourcen breit aufgestellt. Die Investitionsentscheidung großer Konzerne in der Vergangenheit bestätigen das attraktive Investitionsklima in der Türkei.
  
Der Produktions- und Fertigungssektor mit Fahrzeugen, Kfz-Teilen und Maschinen als Vorreiter weist mit überwiegend ausländischen Herstellern und Joint Ventures große Kapazitäten und gute Erfahrungen aus. Überdies gelten die Branchen der Elektrotechnik, Haushaltsartikel und Konsumgüter als beliebte und profitable Investitionen. Zudem hat die Bauindustrie mit vielen Großprojekten in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur und Energie in den vergangenen Jahren trotz lokaler und globaler Herausforderungen zunehmend an Bedeutung gewonnen. 
   
Beachtliches Investitionspotenzial bietet aufgrund der vorteilhaften geographischen Lage und des Klimas die noch vorwiegend unentdeckte Agrar- und Landwirtschaft sowie Saatgut bzw. Düngetechnik. 
  
Im Energiebereich bietet die Türkei gerade im Bereich der erneuerbaren Energien ein enormes Potential und gilt als großer Wachstumsmarkt.
  
Die Eisen- und Stahlindustrie neben weiteren Rohstoffen und Mineralien umfasst zusätzliches Entwicklungs- und Ausdehnungspotenzial. Gleiches gilt für die Bereiche Textilindustrie, Maschinenbau-, Chemie- und Dienstleistungssektor und Logistik, den gesamten Hightech-Bereich, die Telekommunikationstechnologie und Elektronik. Zudem bietet die Türkei für den Fachkräftemangel im IT-Markt in Europa weitergehende Chancen. Durch Ausweitung bestehender oder Etablierung neuer Standorte in der Türkei sowie kreative Recruiting Wege wird dem Fachkräftemangel effektiv entgegengewirkt. Ausländische Investoren sehen zudem für die weltweiten Supply Chain Umstellungen nach der Pandemie in der der Türkei sehr gute, in vielerlei Hinsicht rentable Chancen. 
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Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in der Türkei gegenüber?

Deutsche Unternehmen müssen sich v.a. folgenden Herausforderungen stellen:
  • dem Aufbau vertrauensvoller Partnerschaften
  • landesspezifische rechtliche und steuerliche Aspekte
  • Bewertung und Strategieentwicklung bezüglich vieler Förderanreize vor allem für die produzierenden Gesellschaften bzw. Neugründungen
  • hohe Anforderungen an Flexibilität und Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen
  • schnelllebiges Umfeld erfordert entsprechende Reaktionsgeschwindigkeit
  • Sprachbarrieren und kulturelle Eigenheiten
  
Eine fachkundige Beratung im Vorfeld einer geplanten Investition ist stets zu empfehlen. 
  
Die hohe Inflation und hohe Abwertung der türkischen Lira gegenüber Fremdwährungen belasten insbesondere die auf den Binnenmarkt ausgerichteten Unternehmen. Den schwierigen Rahmenbedingungen des Binnenmarktes begegnet man mit strukturellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation und Stärkung der Währung. Dabei ist zu beobachten, dass die Währungsentwicklung bzw.-bewegung im Vergleich zur Inflation geringer ist. ​Auch als Folge der Pandemie überdenken Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und öffnen sich Innovationen in Zusammenhang mit entsprechenden strategischen Anpassungen, dazu zählt auch die Erhöhung der lokalen Wertschöpfungstiefe. 
  
Aufgrund der wirtschaftlichen Schwankungen und der hohen Inflationsrate der vergangenen Jahre und damit einhergehender Maßnahmen (etwa mehrfache Anhebung des Mindestlohns) sahen sich die Arbeitgeber gehalten Löhne/Gehälter ebenso mehrfach zu erhöhen, teils Gehaltsvereinbarungen anzupassen und teils neue Allowances einzuführen, wodurch Personalkosten im Allgemeinen gestiegen sind. 
  
Zudem können Themen wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und ESG, von deren Anwendungsbereich die Türkei (insbesondere als Nicht-EU-Land) nicht unmittelbar betroffen ist, indirekte Auswirkungen etwa auf Tochtergesellschaften in der Türkei haben.
  

Wie nachhaltig ist der Erfolg in der Türkei?

Die Türkei erwies sich sowohl im Pandemiejahr als auch in den darauffolgenden Jahren als äußerst anpassungs​­fähig und reagierte auf die wandelnden Bedingungen der Wirtschaft mit schnellen Maßnahmen und Umstrukturierungen. Die stetige Ausweitung der Digitalisierung, deren Einbindung in den Berufsalltag, die digitale Verwaltung stellen ebenso einen relevanten Schlüssel zum Erfolg dar. Das große Potential qualifizierter und wettbewerbsfähiger Arbeitskräfte, eine gute Infrastruktur sowie die zentrale Lage zwischen Europa und Asien bilden weiterhin nachhaltige Wachstumsfaktoren. Die staatliche Ausrichtung zur vermehrten Investition insbesondere in die regionale Produktions- bzw. Fertigungsindustrie wie auch in den Energie- und Umweltsektor (bspw. nachhaltige und erneuerbare Energien) weisen auf eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung hin.

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Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Türkei weiterentwickeln?

Die rasche Anpassungsfähigkeit in einem schnelllebigen wirtschaftlichen und sozialen Umfeld sowie die weiterhin wachsende Wirtschaft lassen den positiven Ausblick auf die Zukunft aufrechterhalten. Die mittel- bis langfristigen Chancen für Unternehmen sind weiterhin als gut einzuschätzen. Das Land hat im Vergleich zu Europa gute Wachstumsraten, eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung und vor allem auch unternehmerisch denkende Menschen. Maßnahmen gegen den gegenwärtigen Wertverlust der türkischen Lira und der damit einhergehenden Inflation sind diverse Stabilisierungspakete unter anderem in Zusammenhang mit Verlusten aus Wechselkurs­schwankungen. 
  
Die türkische Wirtschaft kann in den kommenden Jahren kräftig wachsen und gleichzeitig die Inflation eingrenzen. Das erste Quartal 2024 indiziert dies auch vorerst. Es kommt nun darauf an, der Inflation und damit den Wechselkursschwankungen Einhalt zu bieten, die Leistungsbilanz wieder auszugleichen und das Vertrauen der Investoren zu stärken. Der Wechselkurs ist seit Mitte März 2024 auffallend konstant.
  
Aufgrund diverser Krisenerfahrungen bringt die Türkei eine bestimmte Krisenfestigkeit und die damit einher­gehende Handlungs- und Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung mit sich. Dies ist ein bedeutender Unterschied zu anderen Ländern. 
  
Die Türkei bleibt als Bindeglied zwischen Ost und West konkurrenzfähig und ein wichtiger Wirtschaftspartner.

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Korhan Dengiz

Auditor (Türkei), Tax Consultant (Türkei)

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