Geschäftsführerhaftung für Kartellbußgelder? – Die Frage liegt nun beim EuGH

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 13. Februar 2025 | Lesedauer ca. 2 Minuten

  

Haften Geschäftsführer und Vorstände für ein Kartellbußgeld, das gegen ihr Unternehmen verhängt wurde? Diese Frage ist bislang ungeklärt. Kartellbußgelder können bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen. Eine persönliche Haftung für ein solches Bußgeld stellt deswegen ein erhebliches Risiko für Geschäftsführer und Vorstände dar. Der BGH hat die Frage nun dem EuGH vorgelegt, sodass mit einer kurzfristigen Klärung nicht zu rechnen ist. 


​Anlass für das Verfahren ist ein Bußgeld, dass das Bundeskartellamt bereits im Jahr 2018 für eine Beteiligung am Edelstahlkartell verhängt hat. Das betroffene Unternehmen macht dieses Bußgeld nun von seinem ehemaligen Geschäftsführer als Schadensersatz geltend (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Eine solche persönliche Haftung hat das OLG Düsseldorf abgelehnt (siehe dazu ausführlich den Beitrag zum Urteil vom 27. Juli 2023). Zwar bestehe an sich auch bei Kartellverstößen die Möglichkeit, einen Geschäftsführer oder Vorstand in Regress zu nehmen. Das gelte zum Beispiel für Kartellschadensersatzansprüche. Bei Bußgeldern, die eine Kartellbehörde gegen ein Unternehmen verhängt, müsse allerdings eine so genannte „teleologische Reduktion“ vorgenommen werden. Damit würde für Kartellbußgelder eine Ausnahme im Rahmen des gesellschaftsrechtlichen Haftungsregimes gelten. 

Tendenz des BGH: Nach deutschem Recht besteht eine persönliche Haftung

Gegen das Urteil des OLG Düsseldorf haben die Parteien Revision eingelegt. In seiner mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2025 hat sich der BGH gegenüber dem OLG-Urteil skeptisch gezeigt. Für eine teleologische Reduktion der Haftungsnormen würden die Voraussetzungen nicht vorliegen. Folglich spreche nach deutschem Recht viel dafür, eine Haftung des Geschäftsführers anzunehmen. Allerdings stehe im Raum, dass das Unionsrecht eine einschränkende Auslegung der Haftungsnormen gebietet. So müssten Bußgelder nach Europarecht wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Eine Abwälzung des Bußgelds vom Unternehmen auf seinen Geschäftsführer könne die Wirksamkeit beeinträchtigen. Wegen dieser europarechtlichen Dimension der Frage der Geschäftsführerhaftung für Bußgelder, hat der BGH sie nun dem EuGH zur Klärung vorgelegt​.
 
Wie der EuGH entscheidet, kann nicht sicher prognostiziert werden. Es würde jedoch wenig überraschen, wenn er eine persönliche Haftung des Geschäftsführers ablehnen würde. So verstößt schon eine steuerliche Absetzbarkeit einer Unternehmensgeldbuße gegen Europarecht, da dies die Wirkung der Geldbuße beeinträchtigen würde. Eine steuerliche Absetzbarkeit führt lediglich dazu, dass die Belastung für das Unternehmen zum Teil entfällt. Die Abwälzung auf einen Geschäftsführer oder Vorstand im Wege des Regresses hingegen würde das Unternehmen unter Umständen vollständig entlasten. Deswegen spricht viel dafür, dass letzteres erst recht europarechtswidrig wäre.
  
Wenig Bedeutung beigemessen hat der BGH im Übrigen der Frage, wie sich eine mögliche D&O-Versicherung des Geschäftsführers oder Vorstands auswirkt. Diese könnte – abhängig von den Versicherungsbedingungen und dem bebußten Verstoß – verpflichtet sein, den Schadensersatz gegen den Geschäftsführer oder Vorstand zu übernehmen. Ob die D&O-Versicherung für ein solches Bußgeld tatsächlich aufkommt ist für die betroffenen Geschäftsführer oder Vorstände von höchster Relevanz. Mit Blick auf Kartellbußgelder, die im dreistelligen Millionenbereich liegen können, droht immerhin die mögliche Vernichtung deren wirtschaftlicher Existenz. Unklar ist derzeit, wie die Versicherer auf eine persönliche Haftung von Vorständen und Geschäftsführern reagieren würden. Sollte eine Abwälzung von Bußgeldern auf Geschäftsführer oder Vorstände bzw. im Ergebnis auf die D&O-Versicherung nach der Rechtsprechung möglich sein, besteht außerdem die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber korrigierend eingreift. 
 

Möglichkeiten der Risikoreduzierung für Geschäftsführer und Vorstände

Auch bis zur endgültigen Klärung durch den EuGH haben Geschäftsführer und Vorstände ein hohes Eigeninteresse daran, die persönlichen Haftungsrisiken auf den Prüfstand zu stellen: Welche Risiken sind (wie die Kartellgeldbuße) existenzgefährdend? Besteht eine D&O-Versicherung, bzw. wird eine solche benötigt und welche Risiken können dadurch überhaupt abgefedert werden? Mit Blick auf das Kartellrecht müssen Geschäftsführer und Vorstände dafür sorgen, dass Kartellrechtsverstöße im Unternehmen unterbleiben. Von einem wirksamen, auf die Risiken des Unternehmens angepassten Compliance-Programm profitieren Geschäftsführung und Unternehmen in mehrfacher Hinsicht. Deshalb müssen zumindest kartellrechtliche Verhaltensrichtlinien implementiert und Geschäftsführer und Vorstände sowie Mitarbeiter durch unternehmensspezifische Schulungen kartellrechtlich sensibilisiert werden. Kartellrechtlich kritische Entscheidungen sollten Geschäftsführer und Vorstände von internen oder externen Experten vorab bewerten lassen. Damit können die Kartellrechtsrisiken erheblich reduziert werden.​

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