Kein „Wahlrecht” bezüglich der Gewinnermittlung bei atypisch stiller Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft

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Dem Bundesfinanzhof (BFH) wurde in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2014 (Az. IR 24/13) die Frage vorgelegt, ob dem in Deutschland ansässigen Kläger, der sich atypisch still an einer in Österreich ansässigen Kapitalgesellschaft (C-GmbH) beteiligt hat, die Wahlmöglichkeit zusteht, sein anteiliges Ergebnis im Rahmen der sogenannten Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln darf. Die C-GmbH handelte mit Edelmetallen und hat auch im Streitjahr laufend den An- und Verkauf von Edel- und Buntmetallen durchgeführt. Der Gewinn der österreichischen Kapitalgesellschaft war ihrerseits aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und den Gewinn und Verlust im Wege der Bilanzierung zu ermitteln. Danach entfiel auf den atypisch stillen Gesellschafter ein Verlust, dem dieser aufgrund des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei vereinnahmt hat. Da es sich um gewerbliche Einkünfte handelte, wurden die Verluste im Rahmen des sogenannten negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt. Hierdurch war es dem Kläger möglich, den individuellen Einkommensteuersatz auf seine sonstigen, nur in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte, zu reduzieren. Allerdings war diese steuervorteilhafte Verlustzuweisung nur möglich, da der Kläger das Ergebnis mittels Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt hat, in dem die Anschaffungskosten für die im Streitjahr getätigten Rohstofferwerbe nicht – wie im Rahmen der Bilanzierung – aktiviert, sondern als sofort abziehbare Betriebsausgaben angesetzt wurden. Das Finanzamt vertrat hingegen die Ansicht, dass das anteilige Ergebnis des atypisch stillen Gesellschafters aufgrund der Berechnung des österreichischen Jahresabschlusses der C-GmbH zu ermitteln sei; eine alternative Gewinnermittlung nach Maßgabe des vom Kläger vorgenommenen Wahlrechts zur Überschussrechnung scheide jedoch aus.
 
Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz, die sich der Vorgehensweise des Klägers angeschlossen hat, aufgehoben. Der Kläger hat vielmehr seinen Gewinnanteil aus der atypisch stillen Beteiligung an der C-GmbH richtigerweise nach Maßgabe des deutschen Rechts einheitlich durch Vermögensvergleich (Bilanzierung) zu errechnen. Deshalb kann er die Anschaffungskosten der erworbenen Edelmetalle nicht unmittelbar als Betriebsausgaben im Abzug bringen, sodass der im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigende, anteilige Verlust des atypisch stillen geringer sein dürfte. Der Gewinn der atypisch stillen Gesellschaft ist nämlich für alle an ihr Beteiligte (sowohl für die C-GmbH als auch für den atypisch Stillen) einheitlich zu ermitteln.
 
Der BFH begründet seine Sichtweise damit, dass das Wahlrecht zur Überschussrechnung dem Steuerpflichtigen nur gewährt wird, wenn er nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen (§ 140 ff. AO in Deutschland) und auch tatsächlich keine Bücher führt und keine Abschlüsse erstellt (§ 4 Abs. 3 EStG). Da die C-GmbH als Inhaberin des Handelsgeschäfts nach den einschlägigen, österreichischen Regelungen im Handelsrecht verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu erstellen, und sie auch tatsächlich in dieser Weise verfahren ist, sind die Abschlüsse der atypisch stillen Gesellschaft auch für Zwecke der inländischen Besteuerung grundsätzlich nach deutschem Handels- und Steuerrecht im Einklang mit den allgemeinen innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (hier: Bilanzierung) aufzustellen.
 
Der BFH räumt in seiner Entscheidung zwar ein, dass die Rechtsfrage, ob sich eine materiell-rechtliche Buchführungspflicht des atypisch Stillen (auch) im vorliegenden Sachverhalt nach der in Deutschland maßgeblichen Vorschrift des § 140 AO in Verbindung mit der offensichtlich bestehenden Buchführungspflicht nach österreichischem Handelsrecht ergeben kann, derzeit kontrovers beurteilt wird. Insofern bleibt der BFH eine abschließende Beurteilung schuldig. Allerdings sieht der Senat die zweite Alternative der Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG als nicht erfüllt an. Selbst wenn die C-GmbH nach österreichischem Recht nicht zur Buchführung verpflichtet gewesen sein sollte, scheidet das „Wahlrecht” des Klägers aus, da sie auf jeden Fall freiwillig einen solchen Vermögensvergleich durchgeführt hat. Die tatsächliche Durchführung der Bilanzierung steht folglich einer Überschussrechnung entgegen.
 
Die vorstehende BFH-Entscheidung steht offensichtlich im Einklang mit den in der Praxis als „Goldfinger-Modelle” bekannten Gestaltungen, die es den deutschen Steuerpflichtigen dank des komplizierten deutschen Steuerrechts ermöglichen sollten, signifikante Steuerentlastungen über steuerfreie Verlustzuweisungen zu erzielen. Dieses Schlupfloch wurde durch eine entsprechende Änderung im Rahmen der Ermittlung des negativen Progressionsvorbehalts in § 32b Abs. 2 S. 2 lit. c EStG geschlossen, jedoch bleibt das Urteil insbesondere hinsichtlich der zu beurteilenden Frage eines „Wahlrechts” zur Überschussermittlung bei atypisch stillen Beteiligungen an bilanzierenden ausländischen Gesellschaften auch für geschlossene Fonds von Bedeutung. In der Praxis sind auch bei geschlossenen Immobilienfonds durchaus Gestaltungen anzutreffen, bei denen sich inländische Fondsgesellschaften an atypisch stillen ausländischen immobilienbesitzenden Objektgesellschaften beteiligen, um insofern für die Fondsanleger steuerfreie Einnahmen (gegebenenfalls nur Progressionsvorbehalt) zu erzielen. Da in diesen Fällen oftmals das ausländische Ergebnis für Progressionszwecke zu ermitteln ist, wird vielfach aus Vereinfachungsgründen dieses Ergebnis im Rahmen der Überschussrechnung ermittelt. Sofern jedoch der Abschluss der atypisch stillen Gesellschaft – wie der BFH ausführt – für Zwecke der inländischen Besteuerung ebenfalls grundsätzlich nach deutschem Handels- und Steuerrecht im Rahmen der Bilanzierung zu errechnen ist, kann dies zu zusätzlichem Aufwand im Rahmen der Ergebnisermittlung führen. Daher sollte diese BFH-Entscheidung auf jeden Fall beachtet werden.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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