Aufklärungspflichten des Treuhandkommanditisten über die gesetzlichen Mindestangaben hinaus

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Der BGH hat sich in zwei Entscheidungen (BGH, Urteil vom 9. Juli 2012 – II ZR 9/12 und BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 – II ZR 193/11) mit der Haftung des Treuhandkommanditisten für die Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Beitritt von Kapitalanlegern zu einer Fondsgesellschaft beschäftigt. Den Entscheidungen lag im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde: Die Kläger beteiligten sich über eine Steuerberatungsgesellschaft, die als Treuhandkommanditist fungierte, an einer Fondsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Gründungskommanditist der Fondsgesellschaft und deren Geschäftsbesorger war eine Aktiengesellschaft, die Komplementär-GmbH war eine 100 prozentige Tochtergesellschaft des Gründungskommanditisten. Der Vorstandsvorsitzende des Gründungskommanditisten war gleichzeitig der Geschäftsführer des Komplementärs und wegen Untreue und Urkundsdelikten mehrfach vorbestraft. Die Anleger sind beim Beitritt zur Fondsgesellschaft weder über die Vorstrafen des Vorstandsvorsitzenden des Gründungskommanditisten/Geschäftsbesorgers bzw. des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft noch über negative Presseberichte und das Fehlen einer Bankgarantie aufgeklärt worden. Der BGH hat klargestellt, dass eine Verpflichtung zur Aufklärung der Anleger über die Vorstrafen bestand und die Verletzung dieser Aufklärungspflicht kenntnisunabhängig auch die Treuhandkommanditisten traf.
 
Die Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit dem Beitritt der Anleger ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss. Danach obliegen demjenigen, der einen Vertragsschluss anbahnt, sei es persönlich oder durch Verhandlungsgehilfen, gewisse Aufklärungspflichten bezüglich solcher Umstände, die für den Verhandlungspartner von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Aufklärungspflichten werden nach der zitierten Entscheidung des BGH durch spezialgesetzliche Normen im Sinne eines Mindestpflichtenkataloges konkretisiert, jedoch nicht abschließend geregelt. Insoweit betreffe der gesetzliche Mindestkatalog ausschließlich die Prospekthaftung nach §§ 1, 6 ff. VermAnlG, nicht hingegen die Prospekthaftung im weiteren Sinne, also die Haftung bei Vertragsschluss. Daher ist für den Inhalt der Aufklärungspflicht weder bedeutsam, dass die Strafen noch nicht ausreichten, um einen Ausschluss vom Amt des Vorstandsvorsitzenden bzw. Geschäftsführers nach den einschlägigen Vorschriften des Aktiengesetzes oder des GmbH-Gesetzes zu bewirken, noch dass die Strafen nach den Vorschriften der Vermögensverkaufsverordnung nicht zu offenbaren gewesen wären.
 
Der Treuhandkommanditist haftet gegenüber den Anlegern grundsätzlich dann als Altgesellschafter, wenn nicht eine rein kapitalistische oder auf die Wahrnehmung der Treuhandschaft erkennbar reduzierte Beteiligung an der Fondsgesellschaft bestanden hat. In dem den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalt hielt die Treuhandkommanditistin auch einen eigenen Anteil, erhielt eine einmalige und eine laufende Vergütung und hatte bei der Annahme der Zeichnungsscheine einen eigenen Handlungsspielraum. Diese Umstände stehen nach Auffassung des BGH einer rein kapitalistischen Beteiligung mit einer gewissen Haftungseinschränkung gegenüber dem Publikum entgegen. Im Rahmen ihrer vertraglichen Haftung musste sich die Treuhandgesellschaft das Wissen und Verschulden der Komplementärgesellschaft und deren Geschäftsführers von den Vorstrafen zurechnen lassen.
 
Die Treuhandgesellschaft konnte sich auch nicht auf einen Haftungsausschluss in der Beitrittserklärung berufen. Dort hieß es: „Mir ist bewusst, dass der Treuhänder und die Rechtsanwälte nicht für die Plausibilität des Angebots haften und sie die Beteiligung nicht geprüft haben.” Der BGH hat klargestellt, dass diese Klausel der AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegt, da es sich nicht um eine gesellschaftsrechtliche Regelung handelt, sondern um eine Haftungsfreizeichnungsklausel in einem vorformulierten Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages. Daher ist die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB nicht einschlägig. Derartige Haftungsfreizeichnungsklauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats wegen der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht nichtig (§ 307 Abs. 1 BGB bzw. § 9 AGBG) Sie benachteiligen die Anleger unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Gleiches gilt für den entsprechenden Haftungsausschluss in den Treuhandverträgen.
 
Der Verwender eines den gesetzlichen Mindestangaben entsprechenden Prospektes sollte somit stets sorgfältig prüfen, ob er Kenntnis von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen hat, die in den Prospekt nicht aufgenommen wurden, oder ihm solche Kenntnis zugerechnet werden könnte.

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