„Ehrenamt” und „Vergütung”: Nur scheinbar unvereinbar?

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veröffentlicht am 26. Juli 2015

 

Städte, Gemeinden und Landkreise unterstützen das bürgerschaftliche Engagement nach Kräften. Bürgerschaftliches Engagement ist freiwillig, nicht auf materiellen Gewinn gerichtet, gemeinwohlorientiert, öffentlich bzw. findet im öffentlichen Raum statt und wird in der Regel gemeinschaftlich bzw. kooperativ ausgeübt. Doch führt die rechtliche, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Ehrenamt bisweilen zu erheblichen Problemen. Eine Vielzahl von gesetzlichen und tatsächlichen Beispielen zeigt, dass es eine allgemeingültige Definition nicht gibt. Nun hat dieses Thema durch das Mindestlohngesetz eine neue Facette erhalten. Das MiLoG selbst konstatiert, dass es die Vergütung von ehrenamtlich Tätigen nicht regelt (§ 22 Abs. 3 MiLoG). Die Frage, was hier unter einem Ehrenamt zu verstehen ist und welche Vergütung ehrenamtlich Tätige erhalten dürfen, ist aber weiterhin offen.

 

​Für das Ehrenamt fehlt es an einer allgemein gültigen Definition. Der BFH zählt zu den ehren-amtlichen Tätigkeiten alle Tätigkeiten, die (1) in einem Gesetz ausdrücklich als solche genannt werden, die man (2) im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder die (3) vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden.1


Der materielle Begriff der Ehrenamtlichkeit setzt nach Auffassung des BFH das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus.2 


Umgangssprachlich wird „ehrenamtlich” und „unentgeltlich” häufig gleich gesetzt. Durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes (Ehrenamtsstärkungsgesetz) vom 21.03.2013 wurde die Unentgeltlichkeit ausdrücklich im BGB aufgenommen. Es gilt, dass nach der gesetzlichen Grundvorstellung auf die Geschäftsführung des Vorstandes das Auftragsrecht Anwendung findet.3 Daher steht den Mitgliedern des Vorstandes - wie Auftragnehmern - ein Ersatz ihrer Aufwendungen zu. 4


Unter Aufwendungen werden nach allgemeiner Meinung freiwillige Vermögensopfer verstan-den. Sie können rechtlicher oder tatsächlicher Art sein. Beispiele sind: Geldauslagen zur Til-gung von Verbindlichkeiten (Kaufpreis, Baukosten, Prozesskosten, Reisekosten, Porto, Gebühren); sonstige Sachaufwendungen, wie z.B. der Verbrauch von Gegenständen (z.B. Fütterung von Tieren, Büromaterial), auch Einsatz eigener Sachen des Beauftragten; Eingehung von Verbindlichkeiten; Übernahme fremder Schuld.


Beim Auftrag ergibt sich aus dem Wesen dieses Vertrages als unentgeltliche Geschäftsbesor-gung, dass dem Beauftragten für seine eigene Arbeitsleistung kein Entgelt zusteht.5 Das fehlende Entgelt für die eigene Arbeitsleistung trifft im vorliegenden Zusammenhang den Kern der Fragestellung:


Sollen Ehrenamtliche für ihre eigene Arbeitsleistung Entgelt beanspruchen dürfen? Und wenn ja, in welchem Umfang?


Dass diese Fragen mit der schlichten Antwort „ja” oder „nein” nicht beantwortet werden können, versteht sich von selbst. Mit der Zahlung eines Entgelts für die eigene Arbeitsleistung werden zumindest die ersten beiden Punkte des vom BFH definierten materiellen Ehrenamtsbegriffs aufgegeben: das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens und die fehlende Hauptberuflichkeit. Hingegen bleibt der Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung durchaus erhalten.


Die Maßgabe, dass die Vorstände auf der Grundlage eigenen Erwerbsstrebens im Hauptamt ihre Aufgaben erfüllen, hätte in manchen Fällen – zumindest scheinbar – einen vollständige Paradigmenwechsel zur Folge. Zugleich kann das Zahlen eines Entgelts nicht isoliert vom Aufgabenbereich im Gesamtgefüge der Organisation der jeweiligen Gliederung gesehen werden: erhalten nämlich Ehrenamtliche eine Vergütung, werden auch die Anforderungen und der Nachweis der Qualifikation zu hinterfragen sein. Deshalb zieht die Frage nach der Vergütung die Frage nach dem Selbstverständnis gemeinnütziger Stiftungen6 nach sich.


Welche Vergütung noch als „ehrenamtlich” hingenommen wird, wird bereits im Bereich des Steuerrechts unterschiedlich betrachtet:


Das BMF konstatiert in seinem Schreiben vom 25.11.2014: „Nach den Erfahrungen spricht […] eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Leistungen ehrenamtlich tätiger Mitglieder und Förderer des Zuwendungsempfängers unentgeltlich und ohne Aufwendungsersatzanspruch erbracht werden.” Danach bräuchte man eigentlich die Regelung des MiLoG gar nicht für den Bereich des Ehrenamts – Ehrenamt wäre dann nur, wenn jemand wirklich nichts bekommt – nicht einmal die Erstattung seiner Aufwendungen.


Der Gesetzgeber sieht dies sicherlich anders, denn er stellt mit dem Übungsleiterfreibetrag den Betrag von 2.400 € und mit der Ehrenamtspauschale den Betrag von 720 € steuerfrei (§ 3 Nr. 26 bzw. Nr. 26a EStG). Auch das BMF meint in anderem Zusammenhang, eine Vergütung von bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde könne noch zu einer steuerfreien Ehrenamtsvergütung i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG führen (BMF 23.03.2013). Der BFH hat – sicherlich zu Recht – eine „Aufwandsentschädigung” von monatlich ca. 7.500 € zuzüglich Telefon- und Reisekosten nicht mehr als ehrenamtlich angesehen (BFH 14.05.2008, AZ. XI R 70/07).


Angesichts dieser steuerlichen Vielfalt stellt sich die Frage, an welchen Kriterien sich nun Stiftungen im Bereich des MiLoG orientieren können. Die Antwort vom Bundesministerium (BMAS) und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) fällt unbefriedigend aus. Feste Entgeltgrenzen gibt es nicht. Die Deutsche Rentenversicherung orientiert sich an der kaum wirklich nachvollziehbaren inneren Haltung der Ehrenamtlichen und an dem nur im Einzelfall festzustellenden Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die DRV führt hierzu wörtlich aus: „Von einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG ist nach Auffassung des Gesetzgebers immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt sei, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Liegen diese Voraussetzung vor, seien auch Aufwandsentschädigungen unabhängig von ihrer Höhe unschädlich (BT-Drs. 18/2010, S. 15).”


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales definiert im Wesentlich auch nur allgemein. Es bezieht sich auf eine „Gesamtwürdigung”, die in der Praxis aufhorchen lässt, denn das Risiko, dass Sozialversicherungsprüfer einen Sachverhalt anders würdigen als die Wohlfahrtsverbände selbst, ist diesem Begriff immanent. Besondere Vorsicht ist geboten, weil das BMAS auf Gestaltungen Bezug nimmt, die es offensichtlich als Missbrauch ansieht. Das BMAS wörtlich: „Eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz dient, sondern Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen ist.  […] Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Ehrenamt vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Eine als ehrenamtlich oder freiwillig bezeichnete Tätigkeit kann sich daher als Arbeitsverhältnis darstellen. Ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls, dass der vermeintlich ehrenamtlich tätige Mensch in Wahrheit Arbeitnehmer ist, beispielsweise weil er einem umfangreichen Weisungsrecht seines Auftraggebers unterfällt, ist die Vereinbarung der Ehrenamtlichkeit rechtsunwirksam. In diesem Fall besteht tatsächlich ein Arbeitsverhältnis, das sich in rechtlicher Hinsicht von anderen Arbeitsverhältnissen nicht unterscheidet.”


Im Bereich des Amateursports konnten die Verbände immerhin eine Einigung mit dem BMAS erzielen. Nach einer Pressemeldung des BMAS vom 23.2.2015 gilt:


Vertragsamateure im Fußball oder anderen Sportarten, die eine geringe Bezahlung für ihre Spieltätigkeit erhalten, fallen nicht unter das Mindestlohngesetz (MiLoG) und haben dement-sprechend auch keinen Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 €. Das soll selbst dann gelten, wenn sie als Minijobber angemeldet sind.


Ehrenamtliche Trainer und Platzwarte dürfen demgegenüber nicht länger als Minijobber angemeldet sein, falls sie weniger als 8,50 € pro Stunde erhalten sollen. Man sei sich darüber einig, dass die Zahl der Minijobs im ehrenamtlichen Bereich bei anderen Tätigkeiten wie etwa Übungsleiter und Platzwarte reduziert werden solle, z.B. durch die Nutzung von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz, so die Ministerin. Gleiches soll etwa auch für ehrenamtliche Hüttenwarte von Wanderhütten gelten.


Stiftungsrechtlich gilt für Stiftungsvorstände Folgendes: Ab dem 01.01.2015 wird durch eine gesetzliche Änderung in § 27 Abs. 3 BGB ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass der Vorstand (gemeint ist der Vorstand i.S.d. §§ 80, 26 BGB) unentgeltlich tätig ist. Diese Gesetzesänderung stellt klar, was bisher aufgrund der Rechtsprechung des BGH bereits im Raum stand. Die Satzung müsste also regeln, dass dem Vorstand eine Vergütung gezahlt werden darf, wenn nicht von der Unentgeltlichkeit ausgegangen werden soll. Der Begriff der Vergütung bezieht sich hier auf eine Vergütung für aufgewendete Zeit. Die Erstattung von Auslagen ist auch ohne Satzungsregelung zulässig.


Die Problematik aus Sicht der Gemeinnützigkeit ist Folgende: die tatsächliche Geschäftsführung muss gem. § 59 AO den Vorgaben der Satzung entsprechen, andernfalls wird die Steuerbegünstigung nicht gewährt. Regelt die Satzung daher nichts zur Vergütung des Vorstandes, so dürfte dem Vorstand keine Vergütung gezahlt werden. Problematisch wird dann, wenn dem Vorstand eine höhere Vergütung bezahlt werden muss, als vereinsrechtlich zugelassen wurde.


Abzuwarten bleibt, ob auch die haftungsrechtliche Seite aufgegriffen wird. Nach § 31a BGB gelten Haftungserleichterungen für Organmitglieder, die unentgeltlich für den Verein tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten, die 720 Euro jährlich nicht übersteigt. Ein gesetzlicher Anspruch auf Mindestlohn könnte auch hier nachteilige Folgen für Ehrenamtliche haben.


Vor diesem Hintergrund wird die weitere Entwicklung aufmerksam zu beobachten sein, wenn es gilt, mit Zahlungen welcher Art auch immer, Ehrenamtliche für die Arbeit der Stiftung zu gewinnen.

 

 

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1 BFH 20.08.2009, AZ V R 32/08, jüngst auch LFD Thüringen in DStR 2012, 2340
2 BFH 20.08.2009, AZ V R 32/08
3 Vgl. § 27 Abs. 3 BGB
4 Vgl. §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 669, 670 BGB
5 Seiler, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rz. 6, 21 zu
 § 670 BGB
6 Der Begriff der Gemeinnützigkeit wird hier im Sinne der Steuerbefreiung (§§ 51 ff AO) verwendet. Dies ist vielfach üblich, aber nicht ganz richtig. Zum einen gibt es durchaus dem Gemeinnutz dienende Tätigkeiten außerhalb einer Steuerbefreiung, zum anderen wäre innerhalb der Steuerbegünstigungen zwischen gemeinnützigen, kirchlichen und
mildtätigen Zwecken zu unterscheiden. Diese Differenzierung wird hier zugunsten der Lesbarkeit hintan gestellt.

 

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