Sanierung: Steuerliche Risiken vermeiden

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Vor gut einem Jahr ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft getreten. Sanierungs-Experte Norman Lenger zieht eine positive Zwischenbilanz: „Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren sind sehr gute Instrumente für sanierungsfähige Unternehmen.” Allerdings habe das ESUG einige steuerrechtliche Probleme nicht geregelt. Dies führt zu Rechtsunsicherheiten.

Lenger nennt als eines der wichtigsten Probleme die Besteuerung des Sanierungsgewinns im Insolvenzplanverfahren. Oft verzichten Gläubiger gegenüber einem angeschlagenen Unternehmen in erheblichem Umfang auf ihre Forderungen, um die Geschäftstätigkeit des Betriebs zu erhalten. Dadurch entsteht jedoch ein buchhalterischer Ertrag beim Krisenunternehmen: der Sanierungsgewinn. Und seit der Abschaffung der Steuerbefreiung ist dieser steuerpflichtig. 
 

Steuerpflichtiger Sanierungsgewinn

Eine Kapitalgesellschaft muss auf diesen außerordentlichen Ertrag Körperschaft- und Gewerbesteuer zahlen. Zudem ist der Sanierungsgewinn eine Masseforderung des Finanzamts bzw. der Gemeinde (im Fall der Gewerbesteuer). Das heißt, Fiskus bzw. Gemeinde können einen unmittelbaren Steueranspruch gegen das krisengeplagte Unternehmen durchsetzen.

Weil dies jedoch in den meisten Fällen eine erhebliche Härte darstellen würde, kann das Unternehmen eine abweichende Steuerfestsetzung beantragen. Hier hilft der Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums, an den die Finanzverwaltung gebunden ist. Dieser sieht für Sanierungsgewinne eine vorgezogene Verlustverrechnung, die Steuerstundung oder den Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen vor.
Dass es tatsächlich dazu kommt, hängt in der Praxis ganz entscheidend davon ab, wie und wann das Unternehmen an das Finanzamt herantritt und wie zügig die zuständige Oberfinanzdirektion in den Prozess eingebunden wird. Steueranwalt Lenger erklärt seine bewährte Vorgehensweise: „Dem Finanzamt ist darzulegen, dass die Steuerzahlung aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten eine unbillige Härte darstellt. Sobald der Insolvenzplan beim Gericht eingereicht wurde, hole ich eine verbindliche Auskunft ein. Wenn das alles handwerklich gut gemacht ist, dann ist eine Steuerstundung oder ein Steuererlass erreichbar.”
 

Gewerbesteuer: Möglicherweise Verhandlung mit mehreren Gemeinden nötig

Aufwendiger wird es oft bei der Gewerbesteuer. Denn hierfür ist die Gemeinde zuständig. Diese ist nicht an den Sanierungserlass gebunden. Die Gemeinde prüft und entscheidet selbst darüber, ob und inwiefern sie den Gewerbesteuermessbetrag abweichend festsetzt, die Gewerbesteuer stundet oder erlässt. Hat das Unternehmen verschiedene Standorte, muss sogar mit mehreren Gemeinden verhandelt werden.
 
Lenger sucht hierbei das persönliche Gespräch mit der Kämmerei bzw. den Abteilungsleitern der Gewerbesteuerstellen. So kann er am besten erklären, dass der Sanierungsgewinn „nur ein Buchgewinn ist”. Mit dieser Überzeugungsarbeit vor Ort lassen sich in den meisten Fällen Gemeinden in die Sanierung einbinden. Sie haben darüber hinaus ein großes Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze, die bei einem Scheitern der Sanierung auf dem Spiel stehen.
 

Verlustvorträge gehen verloren

Problematisch ist in der Sanierungsphase auch, dass der Fiskus den Einstieg von Investoren, die dringend notwendiges Kapital einbringen und hierfür eine Mehrheitsbeteiligung am krisengeplagten Unternehmen erhalten, als schädlichen Beteiligungserwerb betrachtet. Die Nutzung von Verlusten des zu sanierenden Unternehmens wird damit verweigert.
 
Wenn dieses Verlustnutzungsverbot in einem Veranlagungszeitraum gleichzeitig auf die Mindestbesteuerung trifft, kann dies jedoch zu einer unzulässigen Überbesteuerung führen. Steuertaktisch empfiehlt Lenger in solchen Fällen, Steuerbescheide offen zu halten: „Mit einem Vorläufigkeitsvermerk ist der Steuerbescheid abänderbar.” Ziel: der Erhalt der Verlustvorträge für den Investor.
 

Umsatzsteuerverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung

Ein weiteres Problemfeld sind Umsatzsteuerverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung. Hierbei wird übergangsweise ein Sachwalter tätig. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis – insbesondere auch bezüglich der Steuerpflichten – verbleibt aber bei der Geschäftsleitung des Krisenunternehmens.
 
Es stellt sich die Frage, ob das Unternehmen die Umsatzsteuer im Eröffnungsverfahren zahlen sollte oder möglicherweise sogar muss. Die Geschäftsleitung befindet sich hier in einem Dilemma. Auf der einen Seite muss sie die Masse sichern und erhalten, auf der anderen Seite steht die Pflicht zur Umsatzsteuerzahlung. Bei einem Verstoß könnte eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Steuerhinterziehung geahndet werden, mahnt Lenger.
 

Insolvenzrechtliche Pflichten kontra Steuerzahlungspflichten

Er empfiehlt in diesem Konfliktfall, das Finanzamt „bösgläubig zu machen”. Das Unternehmen sollte die Steuern unter dem ausdrücklichen Hinweis auf den Beschluss über die vorläufige Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zahlen. Nachträglich kann der Betrag über eine Anfechtung zurückgeholt werden. Diese Vorgehensweise sollte aber zwingend mit dem Sachwalter und gegebenenfalls  mit dem Insolvenzgericht abgesprochen werden. Ansonsten riskiert die Geschäftsleitung den Vorwurf, die Fortsetzung der Eigenverwaltung führe zu Nachteilen für die Gläubiger, weil nichtprivilegierte Steuerforderungen beglichen werden.
 
Zusammenfassend stellt Rechtsanwalt Lenger fest: „Die steuerrechtlichen Risiken können den Erfolg einer Sanierung verhindern. Der erfahrene Praktiker weiß jedoch, mit den Rechtsunsicherheiten umzugehen.” Mit den richtigen Argumenten, gut formulierten Schriftsätzen und Verhandlungsgeschick ließen sich die Behörden überzeugen.

 
zuletzt aktualisiert am 11.06.2013

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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