Die Wertschöpfungskette im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am ​4. Juli​​ 2024 I Lesedauer ca. 4 Minuten

von Hanna Paulus, Rödl & Partner München, und Ekaterina Gelenberg​

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​Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erleben wir derzeit einen bedeutenden Wandel auf regulatorischer Ebene im Bereich der Nachhaltigkeits­bericht­​erstattung. Auch die Betrachtung der Wertschöpfungskette gewinnt in diesem Zusammenhang zunehmend an Bedeutung, da im Unternehmenskontext eine ganzheitliche Perspektive hinsichtlich nachhaltigkeitsbezogener Auswirkungen, Risiken und Chancen maßgeblich ist. ​


Um Anwendern der ESRS eine Anleitung zur Erfüllung der Anforderungen rund um die Wertschöpfungskette gemäß ESRS zu geben, veröffentlichte die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) im Dezember 2023 den Entwurf einer Implementierungsleitlinie IG2- Value Chain Implementation Guidance (VCIG). Ziel dieser Leitlinie ist, in Hinblick auf die Analyse der Wertschöpfungskette sowohl Konsistenz als auch Vergleich­barkeit von Nachhaltigkeitsberichten nach ESRS zu gewährleisten und ermöglicht Anwendern ein tieferes Verständnis, welche Informationen bezüglich der Wertschöpfungskette erforderlich sind.  Als praktische Umsetzungshilfe ergänzt sie die ESRS, ist jedoch kein fester Bestandteil dieser. 

Im Folgenden werden die Key Learnings der Implementierungsleitlinie sowie praktische Tipps in Bezug auf die Analyse der Wertschöpfungskette vorgestellt.


Definition der Wertschöpfungskette nach ESR​​S »

​Berücksichtigung der Wertschöpfungskette im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS »

​Übergangsbestimmung zu Angaben in de​r Wertschöpfungskette »

​Priorisierung innerhalb von Wertschöpfungsketten »

​Fazit​ »​


​Definition der Wertschöpfungskette nach ESRS

Die Definition der Wertschöpfungskette im Rahmen der ESRS-Standards ist vergleichbar mit anderen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie dem International Sustainability Standards Board (ISSB) oder den Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Sie umfasst sowohl vorgelagerte als auch nachgela­gerte Aktivitäten und umspannt somit mehr als lediglich die Lieferkette. 

Genauer definiert wird die Wertschöpfungskette als das gesamte Spektrum an Aktivitäten, Ressourcen und Beziehungen, die mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens und dem externen Umfeld, in dem es tätig ist, zusammenhängen. Eine Wertschöpfungskette umfasst die Tätigkeiten, Ressourcen und Beziehungen, die das Unternehmen nutzt und auf die es sich stützt, um seine Produkte oder Dienstleistungen von der Konzeption bis zur Auslieferung, dem Verbrauch und dem Ende der Lebensdauer herzustellen, siehe Artikel 23, Value Chain Implementation Guidance. 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein Unternehmen aus mehreren Wertschöpfungsketten bestehen kann. In diesem Fall kann eine Priorisierung aufgrund von risikobasierten Kriterien vorgenommen werden. 

Idealtypischer Ablauf einer Wertschöpfungskette
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​Berücksi​chtigung der Wertschöpfu​ngskette im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS

Als Ausgangspunkt für die Berichterstattung sehen die ESRS die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse vor. Dabei ist die Untersuchung der Wertschöpfungskette von entscheidender Bedeutung, da viele relevante nachhaltigkeitsbezogene Belange aus den vor- oder nachgelagerten Aktivitäten eines Unternehmens resul­tieren. Die Wesentlichkeitsanalyse zielt darauf ab, unternehmensspezifische Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) im Kontext der Nachhaltigkeit zu identifizieren und zu bewerten. 

Um dabei die gesamte Wertschöpfungskette angemessen berücksichtigen zu können, muss zunächst ein gewisses Maß an Transparenz über die eigene Wertschöpfungskette geschaffen werden. Dafür sind detaillierte Informationen über: 

  • die zentralen Akteure in der Wertschöpfungskette, sowie 
  • insbesondere über deren geografischen Standorte, 
  • die Sektoren sowie
  • die Unternehmensaktivitäten notwendig. 

Im Anschluss erfolgt eine klare Abgrenzung der eigenen Unternehmenstätigkeiten von denen der vor- bzw. nachgelagerten Akteure. Dadurch wird ein umfangreiches Verständnis des Unternehmenskontextes ermöglicht. 

Generell gilt, dass prinzipiell Primärdaten, also solche die vom Unternehmen selbst erhoben werden, bei der Analyse zu bevorzugen sind. Sollte es einem Unternehmen nicht möglich sein, relevante Informationen direkt von den Akteuren ihrer Wertschöpfungskette einzuholen, kann allerdings auf Schätzwerte zurückgegriffen werden. Die Vorgehensweise ist dabei ausführlich und nachvollziehbar zu dokumentieren und im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts offen zu legen. Unter zumutbaren Anstrengungen sind alle verfügbaren und belast­baren Informationen in die Schätzung einzubeziehen. Dies inkludiert beispielsweise die Berücksichtigung von sektorspezifischen Daten oder anderen Näherungswerten. Abschließend ist der Grad an erreichter Genauigkeit des Schätzwertes einzuordnen. 

 

​Übergangsbestimmung zu Angaben in der Wertschöpfungskette

Zum aktuellen Zeitpunkt stellt die umfangreiche Aufschlüsselung und Betrachtung der eigenen Wertschöp­fungs­kette eine große Herausforderung für viele Unternehmen dar. Die EFRAG reagiert auf diese Tatsache mittels einer erleichternden Übergangsbestimmung. Von diesen kann ein Unternehmen in den ersten drei Jahren der Berichterstattung nach ESRS Gebrauch machen. In Bezug auf die Wertschöpfungskette ermöglicht die Übergangsbestimmung, dass Unternehmen im Falle einer unzulänglichen aktuellen Datenlage zunächst  

  • über Bemühungen zu berichten haben, die unternommen wurden, um an die entsprechenden Daten zu gelangen und 
  • sie angeben müssen, welche Pläne zukünftig zur Informationsbeschaffung implementiert werden.

Ab dem vierten Berichterstattungsjahr sind die ESRS-Standards jedoch vollumfänglich anzuwenden. ​


​Priorisierung innerhalb von Wertschöpfungsketten

Eine Berichterstattung über alle Akteure in der Wertschöpfungskette ist im Rahmen der ESRS nicht erforder­lich. Auch hier greift das Instrument der Wesentlichkeitsanalyse mit dem Ziel, dass Unternehmen nur die für sie wesentlichen nachhaltigkeitsrelevanten Informationen offenlegen. Durch die Wesentlichkeitsanalyse werden daher selektiv diejenigen Aspekte der Wertschöpfungskette herausgefiltert, auf die das jeweilige Unternehmen direkte oder indirekte Auswirkungen, Risiken oder Chancen in einem nachhaltigen Kontext hat. Als Orientierung und maßgebliches Entscheidungskriterium dient hierbei ein risikobasierter Grundsatz. Ausschlaggebend ist dabei, ob ein Aspekt eine tatsächliche oder potenzielle Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt oder finanzielle Chancen und/oder Risiken birgt. 

Zur Unterstützung bei der Themenpriorisierung kann eine sogenannte Heat-Map angewandt werden, mit der potenzielle Risiken hervorgehoben werden. Da für die Risikobewertung innerhalb der Wertschöpfungskette unterschiedliche und oftmals schwer zu vergleichende Kriterien herangezogen werden müssen, kann dies eine Bewertung übersichtlicher und Entscheidungen leichter nachvollziehbar machen. Die Einflussmöglichkeit auf eine Aktivität oder Größenkriterien wie beispielsweise ein geringer prozentualer Anteil einer Wertschöpfungs­kette am Gesamtumsatz des Unternehmens sind im Sinne der ESRS keine alleinstehenden Ausschlusskriterien. Die Wesentlichkeitsbewertung orientiert sich anhand von nachhaltigkeitsbezogenen Kriterien.


​Fazit

Für die Analyse der Wertschöpfungskette im Sinne der ESRS existiert derzeit kein Patentrezept mit einer standardisierten Vorgehensweise, dass für eine weite Bandbreite an Unternehmen anwendbar ist. Unterstüt­zung erhalten Unternehmen durch die Implementierungsrichtlinie der EFRAG, die Aufschluss über definito­rische Details gibt, häufig gestellte Fragen beantwortet sowie Querverweise zu den ESRS enthält. Um aussage­kräftige Ergebnisse im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse zu erzielen und um eine transparente sowie unternehmensspezifische Berichterstattung zu gewährleisten, sind individuelle Anpassungen entsprechend dem jeweiligen internen sowie externen Unternehmenskontext erforderlich.

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