„Jing-Jin-Ji” – Zukunftschancen für deutsche Umwelttechnologien

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​​von Dr. Martin Seybold

 

Im Rahmen einer bislang ungekannten Dezentralisierung der Region um die Hauptstadt Peking wird eine Megalopolis von ca. 150 Millionen Einwohnern entstehen, die vor allem für deutsche Technologien und Ideen im Bereich der Erneuerbaren Energien neue Chancen schaffen wird.

 

Der Begriff „Jing-Jin-Ji” steht inoffiziell für das aktuelle Megaprojekt der chinesischen Regierung, die drei benachbarten Provinzen Peking („Jing”), Tianjin („Jin”) und Hebei („Ji”) zu einer Region zusammenzufassen, wobei jede der Provinzen eine spezielle wirtschaftliche Funktion zugewiesen wird. Das Projekt soll vor allem die gravierenden Infrastruktur- und Umweltprobleme der Hauptstadt Peking durch eine gezielte Dezentralisierung lösen. Auch wenn Peking nach wie vor das politische und kulturelle Zentrum des Landes und der Region bleibt, soll es wirtschaftspolitisch zukünftig „nur noch” als „Wissenszentrum” fungieren. Der Industriestandort Tianjin soll seine bisherige Funktion als „Verarbeitungszentrum” sowie als Drehscheibe für den internationalen Warenverkehr weiter ausbauen. Die Provinz Hebei, die die Stadtprovinz Peking geografisch quasi umschließt, soll zukünftig die Funktion des „Rohstoffzentrums” übernehmen. Damit wird in China voraussichtlich auch gleich die größte Megalopolis der Welt erschaffen werden mit einer Fläche, die fast dreimal so groß ist wie Bayern, und geschätzt ca. 150 Millionen Einwohner zählen wird.

 

Konkret bedeutet das, dass die Regierung eine weitere Verschlechterung der Umweltverhältnisse in ihrer Hauptstadt nicht länger zulassen wird. Eine Verlagerung der energieintensiven, umweltschädlichen Schwerindustrie aus den Randbezirken Pekings in das Hebeier „Hinterland” wird in den nächsten Jahren Schritt für Schritt stattfinden. Mit dem neuen chinesischen Umweltgesetz hat die Regierung zudem bereits den Grundstein für zukünftig höhere Umweltstandards bei der Genehmigung von Produktionsbetrieben gelegt.

 

Was aber bedeutet das für deutsche Unternehmen? Wie so vieles in China zum einen eine Verschlechterung der Investitionsbedingungen, aber auch neue, bislang weniger beachtete Chancen. Für bestehende Niederlassungen wird es voraussichtlich formell einen „Bestandsschutz” hinsichtlich bestehender Genehmigungen, insbesondere von Umweltgenehmigungen für Produktionsbetriebe, geben. Dennoch ist zu erwarten, dass die lokalen Behörden ihre Aufsicht über die Einhaltung der Umweltstandards verschärfen werden und bestehenden Produktionsunternehmen schärfere Umweltauflagen auferlegen werden – was zu höheren Investitionen in Umwelttechnologien und zeitweisen Produktionsausfällen führen wird.

 

Deutsche Unternehmen, die derzeit planen, im Raum Peking eine Niederlassung zu gründen, müssen sich gegebenenfalls nach einem anderen Standort umschauen bzw. sollten ihre Standortentscheidung nochmals kritisch hinsichtlich der zukünftigen regionalpolitischen Veränderungen überprüfen. Selbst einfache Fertigungsprozesse werden innerhalb der Stadtgrenzen Pekings aus umweltrechtlichen Aspekten bis auf Weiteres wohl kaum neu genehmigt werden.

 

Für den Bereich Erneuerbare Energien werden diese Veränderungen neue, bislang wenig beachtete Chancen eröffnen. Vor allem urbane, dezentrale Energiekonzepte sind in Chinas Ballungsräumen schon länger Themen für eine zukünftige Stadtentwicklung, auch wenn es sich dabei überwiegend um wissenschaftliche Diskurse und allenfalls um international geförderte Musterprojekte handelt. Möglichst günstige Bau- und billige Produktionskosten standen in der Praxis bislang stets über Aspekten wie Nachhaltigkeit und umweltpolitischen Gesichtspunkten – auch im Rahmen der Genehmigung von Bauprojekten und Produktionsbetrieben. Das wird sich für Chinas Megalopolis „Jing-Jin-Ji” zukünftig ändern müssen. Es ist ein erklärtes Ziel der chinesischen Regierung, die bestehenden Wirtschaftsregionen um Guangzhou und Shanghai nicht lediglich um eine dritte Metropolregion um Peking zu erweitern. Vielmehr will die Regierung als Novum in Chinas bisheriger Städteplanung durch Dezentralisierung vor allem endlich die massiven Umweltbelastungen in den Griff bekommen. Damit wird „Jing-Jin-Ji” zum Laboratorium für den Bereich Erneuerbare Energien in China – mit Peking als „Wissenszentrum” und den umliegenden Provinzen als „Anwendern” zukünftiger umwelttechnologischer Konzepte und Ideen.

 

Mit anderen Worten: Nach unserer Einschätzung waren die Investitionsrahmenbedingungen im Großraum Peking für deutsche Unternehmen, die sich auf Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Erneuerbaren Energien spezialisiert haben, nie besser. Wer jetzt als Vorreiter moderner Umwelttechnologien und -prozesse den Schritt nach Peking wagt, der wird mit seinem Wissen und seinen Produkten die Zukunft in der voraussichtlich weltgrößten Megalopolis mitgestalten.

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Peter Stark

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