Die Bilanz in Zeiten von Covid-19 krisenfest machen

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veröffentlicht am 9. März 2020 | Lesedauer ca. 2,5 Minuten

 

Im Fokus: Liquidität, Working Capital, Verschuldungsgrad und Beteiligungs- bzw. Firmenwerte

    
Unsere Prüfer- und Beraterpraxis zeigt, dass Unternehmen nicht über Nacht in Krisen geraten, sondern Krisen, auch wenn sie durch gewisse exogene Schocks, wie bspw. gerade das Covid-19-Virus, besonders befördert werden, regelmäßig einen zeitlich längeren Vorlauf haben. Häufig spricht man von Krise erst, wenn dem Unternehmen Über­schuldung droht oder das Geld ausgeht.  

 

 

Betriebswirtschaftlich ist dann bereits das dritte und gefährlichste Krisensta­dium – die Liquiditätskrise – er­reicht; die Spielräume zur Be­wältigung sind massiv eingeschränkt. Mit harten Maßnahmen, wie Verkauf ren­tabler Bereiche, Mitarbeiter­entlassungen und ggf. Ausnutzung insolvenzrechtlicher Maßnahmen muss das Überleben des Unternehmen gesichert werden.

 

 

Krisenarten & -ursachen

Verantwortungsvolle Unternehmens­führung zeichnet sich durch professionelles Krisenmanagement aus. Der Liquiditäts­krise vorgelagert sind die Ertrags- und die Strategische Krise. Von Ertragskrise spricht man, wenn die Umsätze bei einzelnen Produkten oder Geschäfts­felder zu bröckeln beginnen. Häufigster Grund ist die sprichwört­liche Überalterung der Umsatzträger in Form von am Ende des Lebenszyklus angekommen und techno­logisch oder gesellschaftlich überholt.

 

Die Ertrags­krise läuft der Liquiditätskrise in der Regel ein bis drei Jahre voraus. Strategische Krisen haben einen noch längeren zeitlichen Vorlauf. Von strategischer Krise spricht man, wenn das Erfolgs­potenzial eines Geschäfts­felds bedroht werden kann. Strategische Krisen­faktoren können hausgemacht sein, wie bspw. durch die intensive Begründung von Abhängig­keiten von Geschäftspartnern im Einkaufs- oder Verkaufsbe­reich, durch langfristige Reduzierung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen oder durch das Verpassen langfris­tiger wirkungs­­voller Trends, wie aktuell das Thema Nachhaltigkeit.

 

Die Ursachen können aber auch durch Risiken auf den Feldern Politik, Beispiel Verhängung von Zöllen, Natur durch Auftreten von Katastrophen – Beispiel Wirbelstürme, Erdbeben oder Überflutungen oder auch in anderen Bereichen, wie aktuell dem Auftreten des Covid-19-Virus – liegen. Verantwortungs­volle Unternehmensführung nimmt fortlaufend alle drei Krisen­potenziale in den Blick, definiert die für Unternehmen relevanten Beo­bach­tungs­felder bzw. Risikofak­toren sowie deren Auswirkungen auf das Unter­nehmen. Der klassische Stress­test. Von besonderer Bedeutung ist dieser Stress­test für die Bilanz des Unternehmens, denn Ziel muss sein, die beiden gefährlichsten Krisenausprägungen Überschul­dung und Liquiditätsmangel nachhaltig zu verhindern.

 

Handlungsfelder

Mit Blick auf die aktuelle Situation der Auswirkungen von Covid-19 rücken damit die drei Handlungsfelder Ver­schuldungs­grad, Working Capital und Beteiligungs- bzw. Firmenbuchwerte besonders in den Fokus. Beim Verschuldungsgrad sind zwei Ausprägungen von Interesse. Der sog. statische und der dynamische Ver­schuldungsgrad. Bei ersterem geht es um die Relation von Eigen- zu Fremdkapital. Beim zweiten um die Re­lation von Free Cashflow im Verhältnis zur Verschuldung oder anders ausgedrückt, wie viele Jahre das Unter­nehmen beim aktuellen Cashflow braucht, um seine Verschuldung wieder auf ein normales Maß zurück­zuführen bzw. schuldenfrei zu sein. Von daher nennt man den dynamischen Verschul­dungsgrad auch effektive Verschuldung. Beide Kennzahlen, der statische, wie dynamische Verschuldungs­­­grad haben hohen Einfluss auf das Rating von Unternehmen und werden branchenorientiert festgelegt. Jedes Unternehmen sollte seine branchen­­typischen Werte kennen und entsprechend handeln.

 

Working Capital 

Das Working Capital, das in Deutschland gerne auch als Betriebska­pital bezeichnet wird, dient als Maßstab für die (potenzielle) Liquidität und damit für die Zahlungs­fähigkeit. Das Working Capital ist die Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlich­keiten. Darunter fallen im Einzelnen insbesondere folgende Bilanz­­­posten: Vorräte, Forderungen aus Lieferungen und Leis­tungen, sonstige kurzfristigen Forderungen (z.B. Umsatzsteuer), Verbindlich­keiten aus Lieferungen und Leistungen, sonstige kurzfristige Verbindlich­keiten (z.B. Steuerver­bindlichkeiten, Sozialversicherungsbeiträge) und kurzfristige Rück­stellungen (z.B. Tantiemen). Das Working Capital sollte immer positiv sein, denn dann deckt das Umlauf­ver­mögen (wenigstens) die kurz­fris­tigen Verbind­lichkeiten ab. Mit Blick auf die aktuelle Situation kommen vor allem dem Vorrats- und Forderungs­management die zentrale Funktionen zu. Können die Vorräte nicht mehr abge­setzt werden bzw. fallen die Forderungen aus, fehlen die wesent­lichen positiven Working Capital-Treiber.

 
Ein anderer Aspekt des Working Capitals ist seine Finanzierungs­­funktion. Mit Optimierung des Working Capitals bspw. durch Reduktion der Vorratsbestände oder Forderungen würde weniger Fremdkapital benötigt und die Kredite könnten gesenkt werden. Hieraus resultieren geringere Zins­auf­­wendungen und damit bessere Rentabilitäts­­­kennzahlen. Die klassischen Ansatzpunkte zur Optimierung des Working Capitals sind die Senkung der Vorratsbestände durch Bestandsoptimierung (bzw. durch Intensi­vierung von Just-in-time-Kon­zepten), die Senkung der Forderungs­bestände durch kürzere Zahlungs­­ziele, strikteres Mahnwesen oder auch Factoring und die Erhöhung der Lieferverbindlichkeiten durch Verhandeln längerer Zahlungsziele bei den Lieferanten.

 

Goodwill

Ein weiterer wichtiger Stresstest­faktor sind die Beteiligungs- bzw. Firmenwerte (Goodwill). Unsere Erfahrung zeigt, dass beide meist zu spät korrigiert werden und damit die Unternehmenskrisen verstärken. Aus diesem Grund gelten diese Bilanz­posten häufig auch als „tickende Zeitbomben”. Eine gute Handlungsmaxime läßt sich vom Segeln ableiten: „Wenn Du nur an das Reffen der Segel denkst, solltest Du auch reffen!” Insofern sollten Beteiligungs- und Firmen­werte immer auf dem Prüf­stand stehen und auf ihre Wirkungen auf die Bilanz, die Gewinn- und Verlust­rechnung sowie das Rating analysiert werden.

 
Die Covid-19-Situation ist ganz klar als Krisen­faktor zu qualifi­zieren. Das muss sich in der Agenda der Unter­nehmens­führung, der Aufsichts- und Überwachungs­­­organe widerspiegeln.

Aus der Artikelserie

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Martin Wambach

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

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