Bahnstreik: Schrankenloses Streikrecht?

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​von Nadja Roß-Kirsch
 

Der erneute Bahnstreik trifft wieder viele Pendler und Unternehmen hart, obwohl sie keinerlei Einfluss auf den Tarifkonflikt zwischen Bahn und Gewerkschaft der Lokführer (GdL) haben. Gegen das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles geplante Tarifeinheitsgesetz, das solche Streiks in Zukunft eindämmen könnte, regt sich Widerstand. Die Gewerkschaft ver.di hat bereits angedroht, dagegen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einzulegen.
 
Das angestrebte Tarifeinheitsgesetz würde Streiks von kleineren Spartengewerkschaften nicht an sich verbieten. Solche Streiks von Gewerkschaften, die nur eine Minderheit repräsentieren, wären jedoch während der Gültigkeit von Tarifverträgen der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb rechtswidrig wegen der dann umfassend geltenden Friedenspflicht. 
 
Ob darin bereits ein verfassungswidriger Eingriff in das Streikrecht vorliegt, wurde während der Beratung im Bundestag von angehörten Experten unterschiedlich beurteilt. Das Streikrecht wird nicht ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt, ist aber anerkanntermaßen als Teil der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützt. Bisher finden sich keine gesetzlichen Regelungen, die dieses Recht verfassungskonform näher regeln würden, was jedoch nach überwiegender Ansicht insbesondere für den Bereich der Daseinsvorsorge dringend  notwendig wäre. Moderate Einschränkungen des Streikrechts sind nur durch die Rechtsprechung entwickelt worden, was von namhaften Rechtsprofessoren insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge als unzureichend gesehen wird. Streiks in der Daseinsvorsorge sind dadurch gekennzeichnet, dass der Hauptbetroffene, gerade nicht die eigentliche Gegenseite im Arbeitskampf, hier die Bahn, sondern die Allgemeinheit ist und bewusst für die Streiktaktik instrumentalisiert wird.
 
Im Ausland sind längst Mittel eines angemessenen Ausgleichs zwischen Interessen der Allgemeinheit und dem Streikrecht bekannt, gerade wenn der Bereich der Daseinsvorsorge betroffen ist, gleich ob durch den öffentlichen Dienst oder auch private Unternehmen organisiert. Dies erfolgt etwa durch längerfristige Streikankündigung und ein erforderliches vorheriges Schlichtungsverfahren sowie der Aufrechterhaltung von Notdiensten wie dies beispielsweise im Bereich des öffentlichen Transports selbst im gewerkschaftsfreundlichen Frankreich geregelt ist. Auch in Italien sind Ankündigungsfristen und die Aufrechterhaltung von Notfahrdiensten vorgesehen und in den USA besteht sogar im Ausnahmefall zur Wahrung öffentlicher Interessen ein Eingriffsrecht des Präsidenten.
 
Mit dem Gesetzentwurf zum Tarifeinheitsgesetz hat sich der Gesetzgeber aktuell gegen eine Sonderregelung für den Bereich der Daseinsvorsorge entschieden und es darf auch bezweifelt werden, ob dieses Gesetz, falls es in Kraft treten und auch für verfassungskonform angesehen werden sollte, in Zukunft die umfassenden Auswirkungen von Streiks von Spartengewerkschaften im Bereich der Bahn oder auch des Luftfahrtverkehrs in geordnete Schranken lenken würde. Der Gesetzgeber lässt die Bahnreisenden und weiteren Betroffenen hier sehenden Auges auf eine Lösung warten.

   

zuletzt aktualisiert am 05.05.2015 

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Aziza Yakhloufi

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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