Besonderheiten bei der Prüfung von Unternehmen der Automobilzulieferindustrie

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veröffentlicht am 14. Juni 2017

 

Kaum eine Branche ist so wichtig und vielfältig wie die Automotive-Industrie. Dem Verständnis der „Spielregeln” der Branche kommt daher bei der Planung und Durchführung einer Abschlussprüfung eine entscheidende Bedeutung zu.
 

 

Dimensionen der Branche

Kaum eine Branche ist so wichtig und vielfältig wie die Automotive-Industrie. Neben den bekannten Erstausrüstern („OEMs”) sorgen rd. 1.000 Firmen1 mit ihren vielfältigen und dynamischen Geschäftsmodellen dafür, dass die Schlüsselindustrie einen wichtigen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik liefert.

  

Dem Verständnis der „Spielregeln” dieser Branche kommt daher im Rahmen der Planung und Durchführung einer Abschlussprüfung eine entscheidende Bedeutung zu.

  

Eine grobe Einordnung der Vielfältigkeit dieser Branche lässt sich bspw. durch 2 Dimensionen transparent machen:

  1. Die Aufteilung der Automobilzulieferindustrie selbst in Teile-, Komponenten- und Systemlieferanten
  2. Die Aufteilung nach der Kundenbeziehung: direkt entweder zu den OEMs oder zu einem First Tier   Supplier oder Second Tier Supplier.

 

Unterschiedliche Geschäftsmodelle und ihre Bedeutung

Entscheidend ist die Verständnisgewinnung über das Geschäftsmodell als Schlüssel zu einer qualitativ hochwertigen und erfolgreichen Abschlussprüfung.

  

Während sich die hohen Qualitätsanforderungen auf der Produktseite bei allen 3 Arten unter 1. benannten Zuliefererunternehmen niederschlagen, kommen insbesondere einer verlässlichen Kalkulation, richtigen „Make-or-Buy”-Entscheidungen, einem exzellenten Materialbeschaffungs-prozess sowie einem funktio­nierenden Ersatzteilmanagement eine wichtige Bedeutung für eine erfolgreiche Geschäftsstrategie zu.

  

Zunehmender internationaler Druck auf die Teilelieferanten auf der Beschaffungsseite von First Tier Supplier oder Second Tier Supplier-Unternehmen macht es den Firmen schwer, einen sog. USP (Unique Selling Point oder Position) aufzubauen, um deren Austauschfähigkeit einzig allein aufgrund des Teilepreises als einziges Maß der Kaufentscheidung zu reduzieren. Das trifft insbesondere für Serienfertiger zu, deren Wertschöpfungsanteil tendenziell geringer ist als der der sog. Einzelfertiger, die bspw. ganze Maschinen individualisiert zur Auto­motiv­teile­produktion verkaufen. Der Lieferantenstatus bei jeweiligen Kunden (A-, B-, C-Lieferant) kann ein bedeutendes Indiz hierfür sein. Das hat sich insbesondere im Verlauf der Wirtschaftskrise 2009 gezeigt.

  

Ausweichstrategien können sein:
  • die Fortentwicklung zum Komponenten oder Systemlieferanten, um die Unverwechselbarkeit im globalen Konkurrenzkampf und auch schlussendlich die Abhängigkeit der OEMs von der Zuliefererindustrie zu erhöhen;
  • die internationale Arbeitsteilung der Branche anzunehmen, um mit eigenen Lieferanten und Tochtergesellschaften den Anforderungen der jeweiligen Kunden gerecht zu werden; sei es nun in einer systemtechnischen Abstimmung mit den Kunden durch die Einrichtung von Konsig­nations­lagern, um den Anforderungen von „Just-in-time”-Produktion gerecht zu werden; oder auch
  • die eigene Fähigkeit system- und IT-technische Anforderungen des Kunden zu adaptieren (z.B. Materialmanagement und Gutschriftsverfahren), wobei die Verringerung der Austauschbarkeit des Lieferanten ggfs. einer Abhängigkeit von einem Kunden („Clusterrisiko”) gegenübersteht, das wiederum einer sorgfältigen strategischen Abwägung bedarf.

  

Darüber hinaus können folgende Faktoren bilanzpolitische Auswirkungen auf die finanzielle Performance und damit die Abschlussprüfung eines Automobilzulieferers haben:
  • Die Aktivierung von Know-how und Entwicklungskosten, Entwicklungspartnerschaften (insbesondere die Erfassung von Zuschüssen und Eigentumszuordnung) sowie die Behandlung von Gewährleistungsverpflichtungen.
  • Materialwirtschaft und Vorratsmanagement

 

Um die von Kundenseite vorgegebenen Materialflüsse sicherstellen zu können sowie  empfindliche Ver­trags­strafen zu vermeiden, sind organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, damit sowohl kundenseitig im Bestands­management Logistik und Lagerhaltungskonzepte, als auch lieferantenseitig im Bereich des eigenen Working Capital Managements die gestellten Anforderungen jederzeit erfüllt werden können. So kommt bspw. lieferanten­seitig dem Management von Rohstoffpreisen (besondere Metalllegierungen oder Granulatpreisen) eine wichtige Bedeutung zu. Gleichzeitig muss die Lieferbereitschaft kundenseitig jederzeit gewährleistet werden. Kein Lieferant möchte Verantwortung für eine Verschiebung eines „Start of Production” (SOP) oder einen Fertigungsstillstand riskieren. Das Management von Konsignationslagern (Inventuren), die Abgrenzung des Eigentums an den Produkten und die Umsatzrealisierung sind Themen­bereiche, deren Umsetzung/Ausgestaltung eine Abschlussprüfung unmittelbar betreffen können.

  

Ökonomisch ist dabei auch zu beachten, dass die Kalkulation der Preisuntergrenzen exakt bestimmbar sein muss, um sicherzustellen, dass mit dem jeweiligen Geschäftsmodell auch Geld verdient werden kann.

Weitere Themen können die Bewertung von eigenen Ersatzteilpools im Hinblick auf die Modellzyklen beim OEM darstellen sowie mögliche Leerkostenproblematiken insbesondere bei An- und Auslaufen von Modellreihen, zu denen der Zulieferer seinen Beitrag leistet.

  

Schlussendlich ist auch im Hinblick auf die Zukunftssicherheit der jeweiligen Automobilzulieferer­gesellschaft entscheidend, wie sie sich neben der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit auch mittelfristig den Going Concern Megatrends in der Automobilzulieferindustrie wie bspw. der Elektromobilität oder der „Diesel­diskussion” stellt und ihre individuelle Wandlungsfähigkeit immer wieder unter Beweis stellen muss.

  

Fazit

Die Besonderheiten bei der Prüfung von Unternehmen der Automobilzulieferindustrie erfordern eine Bran­chen­kenntnis zur Beurteilung bilanzieller Sachverhalte als unabdingbare Voraussetzung.

  



1 Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/253827/umfrage/anzahl-der-betriebe-in-der-automobilindustrie/

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Andreas Germeroth

lic. oec. HSG, Wirtschaftsprüfer (Deutschland/Schweiz), Steuerberater, CPA

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