Reformpaket Finanzkriminalität und Sanktions­durch­setzungs­ge­setz II – ein Treibnetz gedacht für die „großen Fische“

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Es ist ein offenes Geheimnis, dass Deutschland nach wie vor als Paradies für poten­zielle Geldwäscher angesehen wird. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und eine effektivere Bekämpfung der Finanzkriminalität sicherzustellen, hat die Bundes­regierung dem nun den Kampf angesagt und hierzu das Reformpaket Finanzkrimi­nalität und nunmehr bereits das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II auf den Weg ge­bracht.



Ein Paradigmenwechsel in der Bekämpfung der Finanzkriminalität steht bevor

Nach wie vor sind die Aufsichtsbehörden aufgrund mangelnder Kapazitäten und Befugnisse nicht in der Lage, große und komplexe Fälle von Finanzkriminalität in einer angemessenen Zeit effektiv zu ermitteln und auf­zu­klä­ren. Das ist aber auch darauf zurückzuführen, dass im Bereich der Aufsichtsbehörden im nichtfinanziellen Sek­tor eine starke Zersplitterung der Zuständigkeiten besteht; so sind insbesondere annähernd 320 Auf­sichts­be­hör­den für die Überprüfung der Einhaltung der geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten zuständig.

Die Tatsache, dass es sich bei den geldwäscherelevanten Sachverhalten zusätzlich häufig um hochkomplexe Fälle von Finanzkriminalität handelt, die die Auswertung und Zusammenführung von Hinweisen und Indizien länderübergreifend notwendig machen und damit eine präzise Abstimmung der einzelnen Aufsichtsbehörden untereinander erfordern, verschärft diese Situation noch weiter.

Die Folge: Nur die sog. „kleinen Fische“ gehen ins Netz, während die „großen“ unbehelligt davon schwimmen. Umso wichtiger erscheint es nun, dass die Verfolgung und Sanktionierung der hochkomplexen kriminellen Machenschaften zukünftig von einer zentralen Stelle des Bundes koordiniert wird, die über eigene Er­mitt­lungs­kom­pe­ten­zen verfügt und die die Schlagkraft aller Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden bündeln soll. Nur auf diese Weise will man gewährleisten können, dass das Volumen der Geldwäsche-Aktivitäten, welches in Deutsch­land auf 100 Mrd. Euro jährlich geschätzt wird – immerhin auf ein Fünftel des gesamten Bun­des­haus­halts 2022 – effektiv gesenkt werden.


Das Reformpaket Finanzkriminalität oder „der Weg ist das Ziel“

Am 24. August 2022 hat Bundesfinanzminister Christian Lindner nunmehr die Eckpunkte für eine aus seiner Sicht schlagkräftigere Bekämpfung der Finanzkriminalität und eine effektivere Durchsetzung von Sanktionen in Deutschland vorgestellt („Reformpaket Finanzkriminalität“).
Die Eckpunkte sehen die folgenden drei Maßnahmen vor:

  • Kernkompetenzen unter einem Dach bündeln.
  • Hoch qualifizierte Finanzermittlerinnen und Finanzermittler ausbilden.
  • Digitalisierung und Vernetzung von Registern vorantreiben.


Neue Bundesoberbehörde zur Bekämpfung der Kriminalität

Kernstück des neuen Maßnahmenpakets soll die Bündelung der wichtigsten Kompetenzen unter dem Dach einer neuen Behörde mit dem Namen „Bundesoberbehörde zur Bekämpfung der Finanzkriminalität“ (BBF) sein.  Die BBF soll alle relevanten Funktionen und Kompetenzen, die bislang auf die einzelnen Behörden aufgeteilt waren, nunmehr komprimiert verantworten, so insbesondere:

  • Die Ermittlungstätigkeit für große und komplexe Fälle von Finanzkriminalität (insbesondere auch internationale Geldwäsche).
  • Die operative Verantwortung für die Umsetzung von Sanktionen.
  • Die Analysetätigkeit für Verdachtsmeldungen.
  • Die Koordinierung der Aufsichtstätigkeit im Nichtfinanzsektor.


Zur Erfüllung der Funktionen und Kompetenzen soll nicht nur die Mitarbeiterzahl der neuen Behörde exorbitant angehoben, sondern auch die BBF für eine effektive Erfüllung der Aufgaben in drei Stränge unterteilt werden:
Das neu zu erschaffende Bundesfinanzkriminalamt soll gezielt komplexe Fälle von Finanzkriminalität aufklären und hierfür die erforderliche Expertise bündeln. Verfolgt werden soll der sog. „follow-the-money“-Ansatz oder folge dem Weg des Geldes und finde die Straftäter, fokussiert also auf illegale Finanzströme. Auch die effi­zien­te und schnelle Sanktionierung der Finanzkriminalität soll unter der Ägide des Behördenstranges erfolgen. Es ist allerdings durchaus noch offen, wie die Klassifizierung der vermeintlich komplexen Fälle erfolgt.

Die Arbeit des Bundesfinanzkriminalamtes soll durch die bereits bestehende, aber jüngst in Misskredit ge­ra­te­ne Financial Intelligence Unit (FIU) unterstützt werden, der zentralen Stelle zur Abgabe von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, welche nach Prüfung weitere Ermittlungstätigkeiten des Bundesfinanzkriminalamtes auslösen können.

Ebenfalls neu geschaffen wird als dritte Säule eine Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht, welche künftig die Aufsicht über den sehr breit aufgestellten Nichtfinanzsektor koordinieren soll, angefangen vom Immo­bi­lien­mak­ler bis hin zu Gewerbetreibenden und Casinos.  Das ist vor dem Hintergrund, dass derzeit die Geld­wäsche­auf­sicht von über 300 Aufsichtsbehörden mit minimaler Personaldecke und zum Teil geringer Vernetzung untereinander ausgeführt wird, für eine effektive Bekämpfung der Geldwäsche eher zuträglich. Der Standard für eine effektive Geldwäschebekämpfung im nichtfinanziellen Sektor wird dadurch hoffentlich dem Standard im finanziellen Sektor unter der zentralisierten und einheitlichen Führung der Bundesanstalt für Fi­nanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin) angenähert. Folgerichtig wird es künftig auch zum Aufgabenbereich der Zentralstelle gehören Leitlinien und Standards für eine risikobasierte Aufsicht, angepasst an die Besonder­heiten im nicht­finanziellen Sektor zu erarbeiten und der künftigen europäischen Geldwäscheaufsichtsbehörde AMLA als zentraler Ansprechpartner zu Fragen des Nichtfinanzsektors in Deutschland zur Verfügung zu stehen.

Das lässt darauf schließen, dass hier ein nicht zu unterschätzender Apparat künftig auch die Prüfungen bei Gewerbetreibenden und Unternehmen gegenübertritt, der auch bei der Überprüfung entsprechender prä­ven­ti­ver Maßnahmen der Unternehmen eingebunden oder sogar tätig wird.

Schlussendlich sollen alle relevanten Register (z.B. HR-Register, Transparenzregister, evtl. Immobilienregister) digital verknüpft werden, um Eigentumsverhältnisse und wirtschaftlich Berechtigte insbesondere im Ermitt­lungs­fall oder bei Sanktionsdurchsetzung effizient prüfen zu können. Zur Umsetzung einer solchen um­fassen­den Vernetzung sollen einfach zu realisierende Übergangslösungen schnell unmittelbaren Mehrwert bieten. Das führt gleichzeitig dazu, dass die Transparentmachung der Eigentumsverhältnisse deutlich voranschreitet und sich für die Unternehmen zusätzliche Sorgfaltspflichten im Know-your-customer-Prozess ergeben werden.

Wie so häufig, führt die Aufrüstung gesetzgeberischer Maßnahmen in den Behörden dazu, dass auch wei­ter­ge­hen­den Maßnahmen in den Unternehmen zu ergreifen sind.


Schützenhilfe durch den Entwurf eines Zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SDG II)

Flankiert wird die Geldwäschebekämpfung zudem durch das SDG II, welches auf das Ende Mai 2022 in Kraft getretene Sanktionsdurchsetzungsgesetz I (SDG I) folgt. Damit sollen nunmehr strukturelle Verbesserungen in der Sanktionsdurchsetzung in Deutschland erreicht werden.

Auch das SDG sieht in der Bündelung der behördlichen Befugnisse in einer zentralen Stelle eine Steigerung der Effizienz der behördlichen Ermittlungs- und Verfolgungskompetenzen. So sollen die durch das SDG I ein­ge­führ­ten sanktionsbezogenen Vermögensermittlungs- und Sicherstellungsbefugnisse ebenfalls auf eine zentrale Stelle des Bundes übertragen werden. Zu diesem Zweck richtet das Bundesministerium der Finanzen in seinem Geschäftsbereich eine „Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung“ ein. Die Zentralstelle wird zunächst bei der Generalzolldirektion angesiedelt.

Der Gesetzentwurf enthält viele weitere Regelungen, die insgesamt dazu beitragen sollen, die Sanktionsdurch­setzung noch effektiver zu gestalten und zugleich wichtige Verbesserungen bei der Bekämpfung der schweren Finanzkriminalität, insbesondere der Geldwäsche, zu erzielen. Das Kernstück soll die Zentralstelle ein Register für Vermögenswerte sanktionierter Personen und Personengesellschaften bilden, begleitet von einer Hin­weis­an­nahme­stelle. Auch die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderbeauftragten zur Überwachung der Einhaltung von Sanktionen in Unternehmen ist vorgesehen.

Der Gesetzgeber verfolgt überdies den Plan, dass der Infiltrierung des Immobiliensektors durch kriminelle Vereinigungen zum Zwecke der Geldwäsche ein Riegel vorgeschoben werden soll. Dieser Zweck soll u.a. da­durch verfolgt werden, dass in dem Transparenzregister nicht nur die Eigentums- und Kontrollstrukturen in den Unternehmen, sondern auch Immobiliendaten, die in den Grundbuchämtern und Katasterämtern sichtbar sind, hinterlegt werden sollen. Damit schafft man aber nur eine Zwischenlösung auf dem Weg hin zu der e­lek­tro­ni­schen Immobiliendatenbank, d.h. der bundesweiten elektronischen Abfragemöglichkeit der Grundbücher (Da­ten­bank­grund­buch).

Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzentwurf u.a. auch das Verbot von Barzahlungen bzw. Zahlungen mittels Kryptowährungen oder Rohstoffen beim Erwerb von Immobilien.

Das soll dazu dienen, die intransparenten und leichter verschleierbaren Zahlungswege einzudämmen. In­­so­­weit stellen die geplanten Maßnahmen gerade nicht das sprichwörtliche Treibnetz für die sog. großen Fische dar, sondern die Reformen betreffen auch redlich agierende Unternehmer. Vor allem letztere sollten sich zukünftig auf derartige Überprüfungen vorbereiten, um für solche Prüfungen durch noch „lernende“ Behörden gewappnet zu sein.


Fazit

Das vom Bundesministerium der Finanzen vorgestellten Konzept eines „Reformpakets Finanzkriminalität“ eben­so wie der Entwurf eines Zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes beinhalten sehr weitreichende Maß­nahmen, um die Bekämpfung der Finanzkriminalität in Deutschland effizienter und schlagkräftiger aufzubauen. Das schließt aufbauorganisatorische Änderungen durch den Aufbau einer neuen zentralen Bundesoberbehörde ebenso ein wie die Stärkung der Ermittlungen bei komplexen und internationalen Geldwäschefällen und Ver­besser­ungen bei der Aufsicht im Nichtfinanzsektor. Das Maßnahmenpaket kommt keinen Tag zu spät, um die vielfach, nicht zuletzt durch die Financial Action Task Force, angeprangerten Missstände zur Beseitigung der Defizite im Kampf gegen Geldwäsche, gerade im nichtfinanziellen Sektor, anzugehen und den Ruf eines Geld­wäscheparadieses ein für alle Mal zu widerlegen, getreu dem Motto „Es wird Zeit, packen wir es an“!

Für Unternehmen und Unternehmer gilt es nun, sich frühzeitig zu wappnen und ein gut funktionierendes Geld­wäsche­prä­ven­tions­sys­tem zu implementieren, da in Umsetzung der neuen Vorgaben von einem gesteigerten „Aktionismus“ der Aufsichtsbehörden auszugehen ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass un­be­schol­te­ne Unternehmen ins Fadenkreuz (präventiver) Ermittlungen geraten und sich dann nur durch ein effektives Geldwäschepräventionssystem exkulpieren können. Umso mehr gilt es vorbereitet zu sein!

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