Vertragserklärungen per E-Mail: Zugangszeitpunkt und Korrekturmöglichkeiten

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 4. August 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Rechtlich bindende Erklärungen werden mittlerweile überwiegend auf elektronischem Weg statt per Briefpost zwischen Parteien übermittelt. Zu der Frage, wann genau der­artige Erklärungen beim Empfänger zugehen und bis wann nachträgliche Änderungen möglich sind hat vor einigen Monaten der Bundesgerichtshof Stellung genommen.

 

Vorschnelle E-Mail

Der Entscheidung lag ein Streit aus dem Werkvertragsrecht zugrunde. Ein Bauunternehmer hatte dem Auftrag­geber an einem Freitag um 9:16 Uhr per E-Mail mitgeteilt, dass aus einer bereits gestellten Schlussrechnung noch 14 TEuro zu zahlen seien, Mehrforderungen würden nicht geltend gemacht. Um 9:56 Uhr teilt der Bau­un­ter­nehmer erneut per E-Mail mit, dass eine abschließende Prüfung der Forderungshöhe noch nicht erfolgt sei und stellt am Montag eine Schlussrechnung mit einer Forderung von 22 TEuro. Am darauf folgenden Freitag zahlt der Auftraggeber 14 TEuro.

Der auf die Differenz von 8 TEuro klagende Bauunternehmer unterlag in allen Instanzen. Das Vergleichsangebot ist um 9:16 Uhr eingegangen und wurde eine Woche später durch Zahlung angenommen. Der Widerruf des An­gebots um 9:56 Uhr sei verspätet gewesen, und die Bindung des Bauunternehmers an sein ursprüngliches Ver­gleichsangebot habe bis zur Annahme durch Zahlung des Auftraggebers eine Woche später fortbestanden.
 

Willenserklärungen unter Abwesenden

Die Begründung stellt auf Anträge unter Abwesenden ab, hier also ein Vergleichsangebot. Solche Erklärungen werden wirksam, sobald sie dem Empfänger zugehen, sofern nicht bis dahin auch ein Widerruf zugegangen ist, § 130 Abs. 1 BGB.

Bisher wurde teilweise vertreten, dass derjenige, der E-Mail-Postfächer zum Empfang bereithält, diese jeden­falls einmal täglich abrufen müsse, so dass der Empfang von E-Mails unter gewöhnlichen Umständen jedenfalls am Ende eines Geschäftstages erfolge. Danach wäre das Angebot per E-Mail um 9:16 Uhr um 9:56 Uhr wirksam widerrufen worden.

Demgegenüber stellt der BGH fest, dass E-Mails, die im unternehmerischen Geschäftsverkehr während der üb­lichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit eingehen, dem Empfänger grund­sätz­lich in diesem Zeitpunkt zugegangen sind. Denn damit sei die E-Mail so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann. Nicht erforderlich für den Zugang sei, ob die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird.

Für die Annahme eines Angebots gilt sodann: Sofern der Erklärende selbst keine ausdrückliche Frist gesetzt ist, kann ein Angebot unter Abwesenden bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem unter gewöhn­lichen Umständen mit dem Eingang einer Antwort gerechnet werden kann, § 147 Abs. 2 BGB. Neben den Über­mittlungsfristen für das Angebot (Hinweg) und eine etwaige Annahme (Rückweg) wird dem Empfänger insbe­son­dere eine Überlegungsfrist eingeräumt. Die Annahmefrist kann daher mehrere Tage bis zu wenigen Wochen nach Abgabe des Angebots betragen. Die Annahme innerhalb einer Woche (durch Zahlung des ursprünglich angebotenen Betrages von 14 TEUR) war daher rechtzeitig.

Konsequenzen

Die Entscheidung des BGH zeigt, dass E-Mails nach derzeitiger Rechtsprechung „korrekturschädlich“ sind: Obwohl die sofortige Übermittlung, der jederzeitige (mobile) Zugriff des Empfängers und die jederzeitige Ant­wortmöglichkeit auf E-Mails eine Gesprächssituation suggerieren, in der der Absender noch klarstellende Er­gänz­ungen nachschicken kann, solange der Empfänger nicht geantwortet hat, behandelt die Rechtsprechung E-Mails derzeit wie Briefpost, die praktisch sofort zugeht und nach diesem Zugang rechtlich nicht mehr wider­rufen oder inhaltlich korrigiert werden kann.

Die Entscheidung hat aber auch Auswirkungen auf den Empfänger, beispielsweise für einen Fristbeginn: Wer ein geschäftliches E-Mail-Postfach unterhält, dem gehen die Nachrichten zu, sobald sie während der Ge­schäfts­zeiten des Empfängers auf dem Server eingehen. Abruf und Kenntnisnahme durch einen Mitarbeiter ist dafür nicht erforderlich.

Abwesenheitsnachrichten

Soweit ersichtlich ist noch nicht entschieden, ob Out-of-Office-Nachrichten des Empfängers am Zeitpunkt des Zugangs von E-Mails etwas ändern können.

Es wird vertreten, dass der Empfänger den Zugangszeitpunkt nicht durch automatische Abwesenheitsnachricht hinausschieben kann. Das entspricht dem Zugang von Erklärungen in der physischen Welt: Die Abwesenheit des Empfängers ändert nichts daran, dass Erklärungen, die z.B. während der Postzustellungszeiten in seinen Briefkasten eingeworfen werden, zu diesem Zeitpunkt zugegangen sind, selbst wenn der Absender von der Abwesenheit des Empfängers weiß.

Dennoch wird im Geschäftsverkehr zu berücksichtigen sein, dass jedenfalls auf personalisierte E-Mail-Post­fächer von Beschäftigten während deren Abwesenheit das Unternehmen nicht ohne weiteres durch andere Beschäftigte Zugriff hat. Bei Abwesenheitsnachrichten, die für eilige oder fristgebundene Fälle einen anderen E-Mail-Kontakt benennen, wird man daher den Zugang der Nachricht noch nicht mit dem erstmaligen Eintref­fen im Postfach des abwesenden Beschäftigten dem Unternehmen zurechnen können.

Jedenfalls kommt es nach der Entscheidung des BGH nicht mehr auf das Gegenargument an, die Out-of-Office-Nachricht werde erst nach Eingang der E-Mail versandt und eine unverzügliche Kenntnisnahme des Erklären­den in seinem Posteingang sei nicht gewährleistet.
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu