Neues zum Vorsteuerabzug bei Erschließungsmaßnahmen

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veröffentlicht am 19. November 2019

 

Für die umsatzsteuerliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen an einer hoheitlichen Gemeindestraße durch einen Steuerpflichtigen hat der BFH dem EUGH verschiedene Fragen vorgelegt. Es besteht die Möglichkeit einer Entscheidung gegen die bisherige Rechtsauffassung einer (Werk-)Lieferung ohne Vorsteuerabzug aus entstandenen Kosten bzw. einer entsprechenden Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe (vgl. Abschn. 15.2d Abs. 13 UStAE) hin zu einer Entscheidung zugunsten des Vorsteuerabzugs des Steuerpflichtigen.

 

Nach der bisherigen deutschen Rechtsauffassung wurde grundsätzlich davon ausgegangen, dass entsprechende Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße im Auftrag einer Stadt in der Regel als unentgeltliche Wertabgabe anzusehen ist. Folglich ist bei einer Beurteilung als (Werk-)Lieferung entweder kein Vorsteuerabzug aus entstandenen Kosten möglich oder die entsprechende Wertabgabe der Ausgangssteuer zu unterwerfen (Abschn. 15.2d Abs. 13 UStAE). Die Finanzverwaltung bezieht sich diesbezüglich auf das BFH-Urteil vom 13.01.2011 (V R 12/08 – BStBl II 2012, 61). Eine Ausnahme von der Annahme einer unentgeltlichen Wertabgabe gilt nur in Fällen des § 3 Abs. 9a UStG, für die eine unternehmerische Veranlassung Voraussetzung ist. Demgegenüber besteht gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unabhängig von der Zweckbestimmung eine Steuerpflicht.

 

In dem nun vom BFH an den EuGH vorgelegten Verfahren geht es um den Ausbau einer gemeindlichen Straße durch den Steuerpflichtigen. Die Klägerin betrieb einen Kalksteinbruch. Der Genehmigungsbescheid des zuständigen Regierungspräsidiums enthielt die Auflage, dass die öffentliche Gemeindestraße, die sich im Eigentum der Stadt X befindet, ausgebaut werden musste. Die Stadt verpflichtete sich, entsprechende Maßnahmen zu planen, auszuführen und der Klägerin die Strecke zur uneingeschränkten Nutzung zu überlassen. Die Klägerin war zur Tragung sämtlicher Ausbaukosten verpflichtet. Aufgrund dessen beantragte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Baumaßnahmen. Das Finanzamt gewährte zwar zunächst den Vorsteuerabzug, ging aber parallel hierzu von einer steuerpflichtigen unentgeltlichen Werklieferung gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG an die Stadt aus.

 

Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens gab das zuständige Finanzgericht der Klage nur teilweise statt. Es lehnte zwar die unentgeltliche Wertabgabe ab, jedoch ebenso den Anspruch der Klägerin auf den Vorsteuerabzug. Im Revisionsverfahren hat der BFH dem EuGH nunmehr drei Fragen im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zur Entscheidung vorgelegt:

 

  1. Steht unter Umständen dem Steuerpflichtigen, der im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornimmt, für die bezogenen Leistungen eines anderen Steuerpflichtigen zur Errichtung der auf die Gemeinde übertragenen Straße gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG der Vorsteuerabzug zu? Der BFH weist auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug hin, die einen Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit in Form besteuerter Umsätze erfordert. Allerdings habe der EuGH in den Rechtssachen „Sveda” (EuGH, Urt. v. 22.10.2015 – C-126/14 – UR 2015, 910) und „Iberdrola” (EuGH, Urt. v. 14.09.2017 – C-132/16 – UR 2017, 928) jeweils einen Vorsteuerabzug bei einem mittelbaren Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zugestimmt, obwohl die Leistungen jeweils zugunsten der Öffentlichkeit erbracht wurden. Ein Vorsteuerabzug ist möglich.
  2. Bei Zustimmung der Frage 1: Liegt unter Umständen eine entgeltliche Lieferung von Gegenständen vor, bei der die Genehmigung des Betriebs eines Steinbruchs die Gegenleistung für die Lieferung einer Straße ist? Der BFH verweist auf Ausführungen der Generalanwältin Kokott in den Schlussanträgen in der Rechtssache „Iberdrola”, lässt allerdings erkennen, dass er von einer unentgeltlichen Lieferung der Straße ausgeht.
  3. Bei Verneinung der Frage 2: Ist unter Umständen die unentgeltliche Übertragung der öffentlich gewidmeten Straße an die Gemeinde gemäß Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG einer unentgeltlichen Lieferung von Gegenständen gleichgestellt, obwohl die Übertragung unternehmerischen Zwecken dient, um einen unversteuerten Endverbrauch der Gemeinde zu vermeiden? Der BFH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung und auf das EuGH-Urteil „Kuwait Petroleum” (EuGH, Urt. v. 27.04.1999 – C-48/97 – Slg. I-1999, 2323), denen zufolge es bei Lieferungen von Gegenständen nicht auf unternehmerische Zwecke ankommt. Andererseits habe der Österreichische VwGH in einer Entscheidung vom 16.12.2009 (2007/15/0176) abweichend entschieden. Somit bestehe eine Vorlagepflicht an den EuGH. Weiterhin ergebe sich aus einer Besteuerung der unentgeltlichen Zuwendung ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer, weil die Klägerin mit Umsatzsteuer auf Gemeinkosten des Unternehmens belastet werde.

Seit der zuvor zitierten Rechtssache „Sveda” sowie der Entscheidung „Iberdrola” erscheint es möglich, dass der EuGH sich gegen eine unentgeltliche Wertabgabe und zugunsten eines Vorsteuerabzugs entscheiden wird. Die in „Sveda” und „Iberdrola” vertretene Grundüberlegung, Vorgänge, die notwendige Voraussetzung einer unternehmerischen Tätigkeit sind, nicht mit der Versagung des Vorsteuerabzugs zu belasten, erscheint sachlich grundsätzlich überzeugend. Finanzielle wesentliche Effekte kann der Vorsteuerabzug für Bauprojekte haben. Für vergangene Maßnahmen sollten Sie Ihre Umsatzsteuerfestsetzungen mit Hinweis auf das anhängige Verfahren vor dem EuGH offenhalten. Für entsprechende finanzgerichtliche Verfahren ist nach § 74 FGO bzw. für Einspruchsverfahren nach § 363 AO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

 

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