Einfrieren von Verlustvorträgen in der Spartenrechnung im Falle der Aufnahme einer neuen Tätigkeit

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​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 16. Oktober 2024


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Urteilen vom 14.03.2024 (VR 51/20 und VR R2/24) entschieden, dass bei der Erweiterung einer Organschaft um neue Tätigkeiten (z.B. Versorgungsbetriebe) die bisherigen Verluste eines bestehenden Verkehrsbetriebs eingefroren werden müssen, da diese Tätigkeiten nicht gleichartig sind. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Verlustverrechnung bei Spartenrechnungen.

1. Hint​​ergrund

Bei wirtschaftlichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand, etwa in Form von Betrieben gewerblicher Art (BgA) oder Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, stellt sich oft die Frage der Verrechnung von Verlusten aus defizitären Tätigkeiten. Spezifische Vorschriften, wie die Spartenrechnung für Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 9 KStG oder die Zusammenfassungsvoraussetzungen für BgA nach § 4 Abs. 6 KStG, regeln diese Verrechnung. Der BFH musste in einem aktuellen Fall klären, ob eine bestehende Verlustverrechnung durch die Aufnahme neuer Tätigkeiten beeinflusst wird. Es handelt sich dabei inhaltlich um denselben Klagefall, der durch den BFH aus verfahrensrechtlichen Gründen in zwei Fälle aufgetrennt wurde.

2. Sac​​​hverhalt

Konkret ging es um eine Eigengesellschaft (GmbH) einer Stadt, die sowohl an einer Verkehrsgesellschaft als auch an einer Versorgungsgesellschaft beteiligt war. Mit der Verkehrsgesellschaft bestand eine Organschaft, aus der dauerhafte Verluste resultierten.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2010 wurde mit der Versorgungsgesellschaft eine weitere Organschaft begründet. 2010 nahm die GmbH eine weitere Beteiligung an einem Versorgungsbetrieb auf und begründete eine zweite Organschaft. Darüber hinaus war die GmbH noch in der Immobilienwirtschaft tätig. Streitig waren die Veranlagungszeiträume (VZ) 2009 bis 2011.

Für den VZ 2009 hatte die GmbH eine Sparte „Verkehr und Versorgung“ (Verluste der Verkehrsgesellschaft sowie Dividenden der Versorgungswirtschaft) und eine Sparte „Immobilienwirtschaft“ gebildet. Jedoch benannte das Finanzamt die Sparte „Verkehr und Versorgung“ nur als „Verkehr“.

Die GmbH führte die Sparte „Verkehr und Versorgung“ fort und verrechnete dort die Ergebnisse aus der Verkehrsgesellschaft mit denen der Versorgungsgesellschaft, wobei sie auch Verlustvorträge dieser Sparte nutzte. Das Finanzamt hingegen führte die von ihr mit „Verkehr“ betitelte Sparte „Verkehr und Versorgung“ nicht fort und eröffnete ab dem VZ 2010 eine neue Sparte „Verkehr und Versorgung“, in der sie die entsprechenden Ergebnisse zusammenfasste, ohne die früheren Verluste der Verkehrssparte zu berücksichtigen.

3. Entscheidu​​ng des BFH

Der BFH entschied, dass mit der Erweiterung der Organschaft eine neue Sparte entstanden sei. Die Tätigkeiten Verkehr und Versorgung seien nicht gleichartig, sodass eine Verlustverrechnung zwischen den Sparten ausgeschlossen sei. Die bisherigen Verluste der Verkehrssparte wurden daher eingefroren. Die Argumentation des hessischen Finanzgerichts, wonach Tätigkeiten nach den Regelungen des § 4 Abs. 6 KStG zusammenzufassen seien, teilte der BFH nicht. Nach Auffassung des BFH liege für eine Verrechnung erforderliche Gleichartigkeit i.S. des § 8 Abs. 9 KStG nur dann vor, wenn Tätigkeiten in einem funktionalen Zusammenhang stehen oder demselben Gewerbezweig angehören.

Ein weiterer Aspekt des Verfahrens betraf das Risiko eines Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht im steuerlichen Querverbund. Der BFH äußerte sich in diesem Punkt jedoch nicht, da das sogenannte Verböserungsverbot greift, welches eine Verschärfung der Rechtslage in diesem Fall ausschließt. Dennoch bleibt die kritische Haltung des BFH zu den Regelungen des steuerlichen Querverbunds bestehen, sodass eine erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Zukunft möglich erscheint.

4. F​azit

Das Urteil des BFH bringt Klarheit in die Regelungen zur Spartenrechnung: Bei der Erweiterung einer Organschaft mit unterschiedlichen Tätigkeiten müssen bestehende Verluste eingefroren werden. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Organschaften und Sparten genau prüfen sollten, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Insbesondere bei neuen Tätigkeiten innerhalb bestehender Strukturen sollten sie die Voraussetzungen der steuerlichen Verlustverrechnung genau beachten. Eine zukünftige Klärung durch den EuGH bezüglich des steuerlichen Querverbunds könnte zusätzliche Auswirkungen haben.

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