Artikelreihe zum Wärmeplanungsgesetz - Teil I: Wie funktioniert eigentlich die kommunale Wärmeplanung?

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​​​​​​​​Veröffentlicht am 5. September 2024


Das Gesetz für die Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) wurde am 22. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist zum 01. Januar 2024 gemeinsam mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Kraft getreten (wir berichteten).


Die Wärmeversorgung in Deutschland beruht auch im Jahr 2024 noch zu einem ganz überwiegenden Teil auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe, namentlich Gas und Öl. Sie begründet ca. 40 % der jährlichen Gesamt-CO₂-Emissionen in Deutschland. Mit dem Ziel einer zukunftssicheren, verlässlichen und bezahlbaren Wärmeversorgung soll sich dieses nunmehr ändern. Es entspricht dem gesetzgeberischen Willen, die fossilen Brennstoffe in den kommenden Jahren sukzessiv durch den Einsatz erneuerbarer Energien oder unvermeidbarer Abwärme zu substituieren. Übergeordnetes Ziel ist die Erreichung einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung in Deutschland bis spätestens zum Jahr 2045 (Zieljahr).


Mit dem Start dieser Artikelreihe zum Wärmeplanungsgesetz möchten wir Ihnen in den kommenden Ausgaben einen fundierten Überblick über die Herausforderungen, aber auch Chancen der kommunalen Wärmeplanung sowohl für Kommunen als auch Wärmeversorgungsunternehmen geben. Den Auftakt macht dabei ein vertiefter Überblick über die konkrete Durchführung der kommunalen Wärmeplanung im Sinne der §§ 13 – 22 WPG.

 

Beschluss über die Durchführung der kommunalen Wärmeplanung, Ablaufplan


Die kommunale Wärmeplanung beginnt mit dem Beschluss der planverantwortlichen Stelle über die Durchführung der Wärmeplanung, § 13 Abs. 1 Nr. 1 WPG. Planverantwortliche Stelle ist in der Regel die Kommune. Sie informiert die betroffene Öffentlichkeit über ihre Entscheidung und damit die anstehende Durchführung der Wärmeplanung.

Dabei gestaltet sich der Ablauf der kommunalen Wärmeplanung wie folgt:

  • Teil 1: Eignungsprüfung, Bestandsanalyse und Potenzialanalyse im Sinne der §§ 14 – 16 WPG
  • Teil 2: Entwicklung und Beschreibung des Zielszenarios, Entwicklung einer Umsetzungsstrategie im Sinne der §§ 17 – 20 WPG

Wichtig ist, dass während des gesamten Ablaufs der kommunalen Wärmeplanung immer wieder die Möglichkeit zur Beteiligung und Stellungnahme besteht. Dieses gilt insbesondere für die bereits etablierten oder auch zukünftigen Wärmeversorgungsunternehmen, welche so die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in Deutschland aktiv mitgestalten können.

 

Teil 1: Eignungsprüfung, Bestandsanalyse und Potenzialanalyse

Nachdem die Kommune die Durchführung der Wärmeplanung beschlossen und die Öffentlichkeit über diesen Beschluss informiert hat, beginnt die Planung mit der Eignungsprüfung im Sinne des § 14 WPG. Soweit die Ergebnisse der Eignungsprüfung vorliegen, erfolgt in einem zweiten Schritt die Durchführung der Bestands- und Potenzialanalyse im Sinne der §§ 15 und 16 WPG. Durch sie werden die Ergebnisse der Eignungsprüfung konkretisiert.

 

1. Eignungsprüfung, § 14 WPG

Gegenstand der Eignungsprüfung im Sinne des § 14 WPG ist eine Negativabgrenzung im Hinblick auf die Möglichkeit der Errichtung eines Wärme- oder Wasserstoffnetzes. Konkret untersucht die planverantwortliche Stelle das beplante Gebiet auf Teilgebiete, welche sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für eine Versorgung durch ein Wärme- oder Wasserstoffnetz eignen. Unter welchen Voraussetzungen dieses in der Regel der Fall ist, ergibt sich aus den §§ 14 Abs. 2 und 3 WPG.

Die Grundkonzeption der Negativabgrenzung spricht für den Willen des Gesetzgebers, die zukünftige Wärmeversorgung vorrangig durch zentrale Netzstrukturen sicherzustellen. Nur, soweit dieses nicht möglich erscheint, soll auf eine dezentrale, mithin dem einzelnen Bürger obliegende Wärmeversorgung zurückgegriffen werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Anteil der Nah- und Fernwärmeversorgung an der Gesamtwärmeversorgung in Deutschland in den kommenden Jahren erheblich steigen wird.  

Kommt eine netzgebundene Wärmeversorgung nicht in Betracht, besteht die Möglichkeit einer verkürzten Wärmeplanung. In diesem Fall kann die Kommune zunächst auf die Durchführung der Bestands- und Potenzialanalyse im Sinne der §§ 15 und 16 WPG sowie die Einteilung des beplanten Gebiets in Wärmeversorgungsgebiete im Sinne des § 18 WPG verzichten.

 

2. Bestandsanalyse, § 16 WPG

Liegen die Ergebnisse der Eignungsprüfung vor, kommt es zur Durchführung der Bestandsanalyse im Sinne des § 15 WPG. Gegenstand der Bestandsanalyse ist die Ermittlung des derzeitigen Wärmebedarf oder Wärmeverbrauch innerhalb des beplanten Gebiets einschließlich der hierfür eingesetzten Energieträger, die Ermittlung der vorhandenen Wärmeerzeugungsanlagen und die Ermittlung der für die Wärmeversorgung relevanten Energieinfrastrukturanlagen.

Die für die Wärmeplanung relevanten Informationen und erforderlichen Daten zur aktuellen Versorgung des beplanten Gebiets mit Wärme sind von der planverantwortlichen Stelle systematisch und qualifiziert zu erheben, § 15 Abs. 2 WPG. Bereits an dieser Stelle erscheint eine enge Zusammenarbeit zwischen planverantwortlicher Stelle und (zukünftigen) Wärmeversorgungsunternehmen essenziell. Eine fundierte, detaillierte und korrekte Bestandsanalyse, basierend auf den realen Verbrauchsdaten, bildet den Status Quo am besten ab. Sie bildet damit das Fundament für die nachfolgenden Schritte der kommunalen Wärmeplanung.

Im Zuge der Bestandsanalyse sind die Betreiber von bestehenden Wärmenetzen zwar verpflichtet, der planverantwortliche Stelle Daten zu Energieabsätzen zur Verfügung zu stellen. Eine frühzeitige Integration in das Projekt Wärmeplanung kann jedoch auch von Vorteil sein und insbesondere die Nutzung der bestehenden Datenlage vereinfachen. Auch gilt es zu beachten, dass im Zuge der kommunalen Wärmeplanung ausschließlich aggregierte Daten verwendet werden dürfen. Durch die Kenntnis der Klardaten können die Versorger vor Ort die Aussagen der aggregierten Analysen einordnen und validieren, wodurch ein zusätzlicher Mehrwert der Einbindung entsteht.

 

3. Potentialanalyse, § 17 WPG

Soweit auch die Ergebnisse der Bestandsanalyse vorliegen, erfolgt im nächsten Schritt die Durchführung der Potenzialanalyse im Sinne des § 17 WPG. Gegenstand der Potenzialanalyse ist die Ermittlung der im beplanten Gebiet vorhandenen Potenziale zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien, zur Nutzung von unvermeidbarer Abwärme und zur zentralen Wärmespeicherung. Bekannte räumliche, technische, rechtliche oder wirtschaftliche Restriktionen für die Nutzung von Wärmeerzeugungspotenzialen sind zu berücksichtigen.

Wie bei der Bestandsanalyse ist auch bei der Potenzialanalyse die Zusammenarbeit mit lokalen Stakeholdern ausschlaggebend für eine erfolgreiche Wärmeplanung. So können beispielsweise bereits durchgeführte Potenzialstudien in die kommunale Wärmeplanung einfließen. Andererseits ist aber auch die Kenntnis der Akteure vor Ort über ihre individuellen Potenziale, sei es die Verfügbarkeit von Abwärmepotenzialen oder geplante Sanierungstätigkeiten großer Wohnungsbaugesellschaften, von großer Bedeutung.

 

4. Veröffentlichung der jeweiligen Ergebnisse und Möglichkeiten zur Stellungnahme

Die jeweiligen Ergebnisse der Eignungsprüfung sowie der Bestands- und Potenzialanalyse sind durch die planverantwortliche Stelle im Internet zu veröffentliche, § 13 Abs. 2 WPG. Dabei erhalten die Öffentlichkeit, die in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden, Träger öffentlicher Belange und die in § 7 Abs. 2 und 3 WPG genannten Beteiligten, zu denen insbesondere die Betreiber von (zukünftigen) Wärme- und Wasserstoffnetzen gehören, die Möglichkeit zur Stellungnahme, § 13 Abs. 4 WPG.

 

Teil 2: Entwicklung und Beschreibung des Zielszenarios, Entwicklung der Umsetzungsstrategie


Soweit Eignungsprüfung, Bestands- und Potenzialanalyse durchgeführt und der 1. Teil der kommunalen Wärmeplanung damit abgeschlossen ist, erfolgt in einem zweiten Schritt die Erstellung des Planentwurfs nach Maßgabe der Anlage 2 des WPG, § 13 Abs. 3 WPG. Gegenstand dieses Planentwurfs ist insbesondere die Darstellung des Zielszenarios im Sinne des § 17 WPG.

 

1. Entwicklung und Beschreibung des Zielszenarios, § 17 WPG

Im Zielszenario beschreibt die planungsverantwortliche Stelle die langfristige Entwicklung der Wärmeversorgung, wie sie für das beplante Gebiet als Ganzes vorgesehen ist. Grundlage der Entwicklung des Zielszenarios sind die Ergebnisse der Eignungsprüfung, sowie der Bestands- und Potenzialanalyse. Sie müssen im Einklang mit der Einteilung des beplanten Gebiets in die voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete nach § 18 WPG stehen und der Darstellung der Wärmeversorgungsarten im Sinne des § 19 WPG entsprechen. Im Ergebnis soll im Zielszenario aufgezeigt werden, aus welchen Elementen eine Wärmeversorgung ausschließlich auf der Grundlage von Wärme aus erneuerbaren Energien oder aus unvermeidbarer Abwärme innerhalb des beplanten Gebiets bis zum Zieljahr bestehen kann.


Soweit das beplante Gebiet nicht der verkürzten Wärmeplanung im Sinne des § 14 Abs. 4 WPG unterliegt, wird es dabei von der planverantwortlichen Stelle in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete eingeteilt. Mit dem Ziel einer möglichst kosteneffizienten Versorgung des jeweiligen Teilgebiets, stellt die planverantwortliche Stelle diejenige Versorgungsarten dar, welche im Vergleich zu den anderen, in Betracht kommenden Wärmeversorgungsarten die geringsten Wärmegestehungskosten, die geringsten Realisierungsrisiken und zugleich geringsten kumulierten Treibhausgasemissionen aufweisen.


Ein rechtlicher Anspruch auf die Einteilung zu einem bestimmten Wärmeversorgungsgebiet besteht hingegen nicht. Auch führt die Einteilung des beplanten Gebiets nicht zu der Pflicht, eine bestimmte Wärmeversorgungsart tatsächlich zu nutzen oder bereitzustellen, § 18 Abs. 2 WPG. Dieses gilt insbesondere im Hinblick auf die tatsächliche Errichtung und den Betrieb eines Nah- oder Fernwärmenetzes. So stellt insbesondere die Vorschrift des § 27 Abs. 2 WPG klar, dass die Entscheidung über die Ausweisung eines Gebiets als Gebiet zum Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet keine Pflicht bewirkt, eine bestimmte Wärmeversorgungsart tatsächlich zu nutzen oder eine bestimmte Wärmeversorgungsinfrastruktur zu errichten, auszubauen oder zu betreiben. Es gilt vielmehr der Grundsatz einer rechtlich unverbindlichen, strategischen Fachplanung, § 3 Nr. 20 WPG.


Dennoch haben die Betreiber von bestehenden Wärme- und Gasverteilernetzes im Rahmen der Erstellung des Zielszenarios unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 WPG zumindest die Möglichkeit, der planverantwortlichen Stelle einen Vorschlag zu unterbreiten, aus dem die Versorgung des beplanten Teilgebiets mittels eines Wärmenetzes oder eines Wasserstoffnetzes hervorgeht. Diesen Vorschlag kann die planverantwortliche Stelle dann bei der konkreten Einteilung des beplanten Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete berücksichtigen.

Für die Kommune ist es entscheidend, realistische Eignungsgebiete auszuweisen, um die Potenziale der Wärmeplanung in Hinblick auf die Erhöhung der Planungssicherheit für Bürgerinnen und Bürger auszunutzen. Um dieses Ziel zu erreichen, erscheint es zielführend, existierende und/oder potenzielle Wärmenetzbetreiber in die Entwicklung dieser Gebiete zu integrieren, da diese die Akteure sind, welche die wesentlichen Ergebnisse der Wärmeplanung umsetzen werden.

 

2. Entwicklung der Umsetzungsstrategie, § 20 WPG

Neben dem Zielszenario im Sinne des § 17 WPG entwickelt die planverantwortliche Stelle auf Grundlage der Bestands- und Potenzialanalyse eine Umsetzungsstrategie, mit denen das Ziel einer Wärmeversorgung mit ausschließlich aus erneuerbaren Energien oder aus unvermeidbarer Abwärme erzeugter Wärme bis zum Zieljahr erreicht werden kann. Die Umsetzungsstrategie muss im Einklang zum Zielszenario stehen.

Dabei kann die planverantwortliche Stelle auch gemeinsam mit den in § 7 Abs. 1 – 3 WPG genannten Personen oder anderen Dritten Umsetzungsmaßnahmen identifizieren. Dies betrifft insbesondere die bereits etablierten oder auch zukünftigen Wärmeversorgungsunternehmen. Möglich ist es auch, bereits im Zeitpunkt der Entwicklung der Umsetzungsstrategie konkrete Vereinbarungen zwischen den betroffenen Personen oder Dritten zu schießen. Möglich erscheint damit insbesondere der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen zwischen den Kommunen und bestehenden bzw. zukünftigen Wärmeversorgungsunternehmen. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass gemäß § 20 Abs. 2 S. 3 WPG die kartellrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben und folglich auch bei der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung einzuhalten sind.  

 

Fazit

 

Die im Wärmeplanungsgesetz beschriebenen Schritte zur Durchführung der kommunalen Wärmeplanung zeigen auf, dass es sich bei dieser um einen Multi-Akteur-Prozess handelt. Die Herausforderung, die einzelnen Akteure mit ihren oft divergierenden Interessen an einem Tisch zu versammeln, um im Ergebnis ein gemeinsames Zielbild der Wärmeversorgung vor Ort zu entwickeln, ist erheblich. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des seitens des Gesetzgebers vorgegebenen und straffen Zeitplans der Umsetzung des Wärmeplanungsgesetzes.

Um der Herausforderung gerecht zu werden und ein umsetzungsorientiertes Konzept zu entwickeln, erscheint es zielführend, schon bei der Erarbeitung des Wärmeplans auf einen konstruktiven gemeinsamen Ansatz zu setzen und von Beginn an die Kommunikation aller Stakeholder zu fördern. Dabei sollten insbesondere Wärmeversorgungsunternehmen die sich bietenden Chancen nutzen und sich bereits frühzeitig aktiv an der kommunalen Wärmeplanung beteiligen, um die eigene Strategie bei der Dekarbonisierung der Wärmenetze mit den Plänen der Kommune in Einklang zu bringen.


Sie haben Fragen zur kommunalen Wärmeplanung oder der Umsetzung der Dekarbonisierung der Wärmenetze? Sprechen Sie uns gerne an!


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