Herkunftsnachweisregister für grüne Wärme: Neue Vertriebschancen auch bei der Fernwärme?

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​veröffentlicht am 26. Juni 2024

 

Wohingegen das Konzept eines Herkunftnachweisregisters im Bereich der Stromversorgung bereits seit dem Jahr 2013 bekannt ist, wurde ein solches mit Inkrafttreten der „Verordnung über das Herkunftsnachweisregister für Gas“ und das „Herkunftsnachweisregister für Wärme oder Kälte“ (GWKHV) zum 25.04.2024 nunmehr auch für den Bereich der Wärmeversorgung eingeführt.


Registerführende Stelle ist das Umweltbundesamt. Die Behörde führt das Herkunftsnachweisregister als elektronische Datenbank, in der die Ausstellung von Herkunftsnachweisen für Wärme sowie die Übertragung oder die Entwertung inländischer und ausländischer Herkunftsnachweise registriert werden.


Die Einführung des Herkunftnachweisregisters begründet insbesondere für die Betreiber von Wärmenetzen zahlreiche Fragen, aber auch Möglichkeiten: Strompreisvergleiche „mit“ und „ohne“ Ökostrom sind heute bereits die Regel. Die gesetzlichen Neuerungen eröffnen nun auch Wärmeanbietern die Möglichkeit, solche (regionalen) Produkte anzubieten!

 

Konto und Registrierung von Anlagen im Herkunftsnachweisregister
Grundvoraussetzung für die Registrierung einer Erzeugungsanlage sowie für die Ausstellung, Inhaberschaft, Anerkennung, Übertragung, Verwendung oder Entwertung eines Herkunftsnachweises ist ein Konto im Herkunftsnachweisregister, § 7 Abs. 1 GWKHV. Liegt ein Konto vor, registriert das Umweltbundesamt auf Antrag des Anlagenbetreibers jede Anlage zur Erzeugung von thermischer Energie im Herkunftsnachweisregister und weist die jeweilige Anlage dem Konto des Anlagenbetreibers zu, § 10 GWKHV. Eine Pflicht zur Registrierung im Herkunftsnachweisregister und zur Nutzung des Herkunftsnachweisregisters besteht bisher nicht. Die Nachweise sind aktuell im Wesentlichen für die Öffentlichkeitsarbeit und als Basis neuer Fernwärmeprodukte nutzbar.

 

Ausstellung von Herkunftsnachweisen

Gemäß § 14 Abs. 1 GWKHV stellt das Umweltbundesamt einen Herkunftsnachweis für Wärme für jeweils 1 Megawattstunde thermischer Energie aus, die seit dem Beginn desjenigen Kalendermonats erzeugt und geliefert worden ist, in dem die Anlage im Herkunftsnachweisregister registriert wurde. Der Nachweis wird dann auf das Konto des Anlagenbetreibers, dem die Anlage zuzuordnen ist, verbucht. Die Ausstellung eines Herkunftsnachweises für Wärme erfolgt in elektronischer Form und muss den relevanten technischen Vorgaben des Unionsrechts entsprechen. Das Umweltbundesamt vergibt für den jeweiligen Herkunftsnachweis bei der Ausstellung eine Nachweiskennnummer.


Die Ausstellung eines Herkunftsnachweises erfolgt auf Antrag des Anlagenbetreibers, § 15 Abs. 1 S. 1 GWKHV. Es ist untersagt, einen Herkunftsnachweis für Wärme für Energiemengen zu beantragen, für die bereits ein inländischer oder ein ausländischer Herkunftsnachweis ausgestellt worden ist oder die vor dem Kalendermonat der vollständigen Anlagenregistrierung erzeugt worden sind.
Neben den allgemeinen Bestimmungen der §§ 14 und 15 GWKHV enthalten die §§ 28 ff. GWKHV ergänzende Regelungen, welche es bei der Ausstellung von Herkunftsnachweisen für Wärme zu beachten gilt. Hervorzuheben ist, dass die Ausstellung eines Herkunftsnachweises nicht auf Wärme aus erneuerbaren Energiequellen beschränkt ist. Eine Ausstellung kann grundsätzlich auch für Wärme er-folgen, die auf anderen – mithin konventionellen – Energiequellen beruht. Das Umweltbundesamt stellt jedoch sicher, dass ein Herkunftsnachweis für Wärme aus einer erneuerbaren Energiequelle klar zu unterscheiden ist von einem Herkunftsnachweis für Wärme aus konventionellen Energiequellen, § 31 GWKHV.

 

Verwendung und Entwertung des Herkunftsnachweises

Ein Herkunftsnachweis für Wärme kann gemäß § 21 Abs. 1 GWKHV zur Kennzeichnung der Lieferung von thermischer Energie an einen Endkunden verwendet werden, wenn der Kontoinhaber die Entwertung des auf seinem Konto befindlichen Herkunftsnachweises beim Umweltbundesamt beantragt und das Umweltbundesamt dem Antrag stattgegeben hat.


Das Umweltbundesamt erklärt einen Herkunftsnachweis für verfallen, wenn seit der Erzeugung der dem Herkunftsnachweis zugrunde liegenden Energiemenge mehr als 18 Kalendermonate vergangen sind. Bis zum Ablauf von 18 Kalendermonaten ist eine Entwertung zulässig. Nach diesem Zeitpunkt darf ein Herkunftsnachweis nicht mehr übertragen oder entwertet werden.


Wichtig ist, dass die Entwertung eines Herkunftsnachweises nur für Letztverbräuche von thermischer Energie in demjenigen Fernwärmesystem zulässig ist, in dem sich die dem Herkunftsnachweis zugrunde liegende Anlage befindet, § 35 Abs. 1 GWKHV. Eine Anlage, deren thermische Energie nicht über Leitungen, sondern insbesondere über die Straße oder die Schiene transportiert wird, befindet sich in dem jeweiligen Fernwärmesystem, in das die transportierte Energie eingespeist wird. Diese Regelung ist für mobile Wärmespeicher relevant, welche derzeit jedoch noch kaum praktische Anwendung finden.

 

Vermarktung thermische Energie

Gemäß § 34 Abs. 1 GWKHV darf ein Herkunftsnachweis für Wärme zur Vermarktung von thermischer Energie, deren zugesagte Eigenschaften von den Eigenschaften des im Fernwärmesystem insgesamt verteilten thermischen Energiemix abweichen, verwendet werden. Durch eine solche Vermarktung dürfen bestehende vertragliche Vereinbarungen zu den Eigenschaften der thermischen Energie gegenüber anderen Kunden im selben Fernwärmesystem jedoch nicht verletzt werden.


Zu beachten gilt es, dass die gesetzlichen Anforderungen an Eigenschaften oder an den Betrieb eines Wärmenetzes von der Möglichkeit zur Vermarktung im Sinne des § 34 Abs. 1 GWKHV unberührt bleiben. Zu nennen sind hierbei insbesondere die Anforderungen des § 29 Abs. 1 Wärmeplanungsgesetz (WPG), wonach die jährliche Nettowärmeerzeugung für jedes Wärmenetz ab dem 1. Januar 2030 zu einem Anteil von mindestens 30 Prozent und ab dem 1. Januar 2040 zu einem Anteil von mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden muss. Ausweislich § 34 Abs. 3 GWKHV ist es damit nicht möglich, die verpflichtenden Vorgaben des WPG durch die gezielte Vermarktung von Mengen thermischer Energie innerhalb eines Fernwärmesystems zu umgehen. Eine tatsächliche Dekarbonisierung des Wärmenetzes bleibt auch bei Nutzung des Herkunftsnachweisregisters unumgänglich.


Dennoch schafft die Errichtung des Herkunftnachweisregisters für Fernwärmeversorgungsunternehmen die Möglichkeit, Wärme aus erneuerbaren Energien transparent und gewinnbringend im Wege der gezielten Ausgestaltung einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung zu vermarkten. Insbesondere Industriekunden benötigen im Rahmen ihrer ESG-Berichterstattungspflichten zunehmend belastbare Nachweise über ihren ökologischen Fußabdruck, zu welchem die Wärmebereitstellung in der Regel in großem Umfang beiträgt.


Mit der Errichtung des Herkunftnachweisregisters erhalten Wärmekunden folglich die Möglichkeit, sich bewusst für eine Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energiequellen zu entscheiden. Neben den allgemeinen gesetzlichen Anforderungen zur Dekarbonisierung der Wärmenetze, schafft das Herkunftsnachweisregister für Fernwärmeversorgungsunternehmen damit den zusätzlichen monetären Anreiz, möglichst zeitnah auf eine auf erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme basierende Wärmeversorgung umzustellen. Weiterhin kann es in bestimmten Konstellationen hierdurch wirtschaftlich werden, ein bestehendes Netz auszubauen, um neuen Kunden CO₂-freie Wärme liefern zu können. Die Verordnung weitet damit den Tätigkeitsbereich des Wärmevertriebs entsprechend aus.

 

Herkunftsnachweisregister und Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum 1. Januar 2024 ist Grundvoraussetzung einer Heizungsanlage, die zum Zwecke der Inbetriebnahme in einem Gebäude eingebaut oder aufgestellt wird, dass mindestens 65 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt werden, § 71 Abs. 1 GEG. Es besteht insoweit ein Gleichlauf zur Vorgabe des § 30 Abs. 1 WPG, wonach jedes neue Wärmenetz ab dem 1. März 2025 zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent der jährlichen Nettowärmeerzeugung mit Wärme aus erneuer-baren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden muss.


Unter den Voraussetzungen des § 71b GEG kann die Vorgabe des § 71 Abs. 1 GEG durch den Anschluss an ein Fernwärmesystem erfüllt werden, sog. Erfüllungsfiktion. Wie auch in Bezug auf die Vorgaben des § 29 WPG gilt es jedoch auch in Bezug auf die Erfüllung der Vorgaben des § 71b Abs. 1 und 2 GEG zu beachten, dass diese von der Möglichkeit zur Vermarktung der Wärme im Sinne des § 34 Abs. 1 GWKHV unberührt bleiben. Auch in Bezug auf das GEG ist es damit nicht möglich, die gesetzlichen Anforderungen durch die gezielte Vermarktung thermischer Energie innerhalb eines Fernwärmesystems zu umgehen. Eine Bestätigung im Sinne des § 71b Abs. 3 GEG kann damit nur ausgestellt werden, wenn das Fernwärmeversorgungsunternehmen die Voraussetzungen der §§ 71b Abs. 1 und 2 GEG auch tatsächlich erfüllt.

 

(Freiwilliger) Administrativer Mehraufwand bei Fernwärmeversorgern
Die Registrierung der einzelnen Erzeugungsanlagen im Herkunftsnachweisregister stellt die Fernwärmeversorgungsunternehmen vor einen nicht unerheblichen administrativen Mehraufwand der Datenerfassung. Neben den allgemeinen dem Umweltbundesamt bei der Anlageregistrierung zu übermittelnden Informationen im Sinne des § 15 Abs. 3 GWKHV, sind diesbezüglich insbesondere auch die spezifischen Erzeugungsinformationen im Sinne des § 33 GWKHV zu nennen. Entscheidet sich ein Fernwärmeversorgungsunternehmen damit für die Nutzung des Herkunftsnachweisregisters, erscheint eine Einführung oder Erweiterung der bereits bestehenden Berichtformate – jedenfalls perspektivisch – unumgänglich.

 

Fazit

Mit der GWKHV wird ein Herkunftsnachweisregister für Wärme im Sinne des § 4 Herkunftsnachweisregistergesetz geschaffen. Für Fernwärmeversorgungsunternehmen begründet dies insbesondere die Möglichkeit, Wärme aus erneuerbaren Energien transparent, nachweisbar und gewinnbringend gegenüber Kunden zu vermarkten, vorhandene umweltsensitive Kunden zu halten und die Ausbau- und Kundengewinnungsoptionen über das aktuelle Versorgungsgebiet hinaus zu erweitern.


Indem die gesetzlichen Anforderungen an Eigenschaften oder an den Betrieb eines Wärmenetzes von der Vermarktung thermischer Energie innerhalb eines Fernwärmesystems jedoch unberührt bleiben, kann das gesetzliche Ziel der Dekarbonisierung der Wärmenetze bis zum Jahr 2045 nicht durch die bloße Nutzung von Herkunftsnachweisen umgangen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen des § 29 WPG und des § 71b GEG. Wenngleich das Herkunftsnachweisregister damit eine durchaus lukrative Vermarktungsmöglichkeit gegenüber Industrie-, Gewerbe- und Tarifkunden begründet, bleiben die sich Fernwärmeversorgungsunternehmen bei der Transformation der Wärmenetze stellenden Herausforderungen bestehen.

 

Gerne unterstützen wir Sie sowohl bei der Anmeldung Ihrer Anlagen beim Umweltbundsamt als auch bei der Kalkulation, vertraglichen Umsetzung und Einführung entsprechender Produkte! Sprechen Sie uns gerne an.

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