Wärmeplanungsgesetz – Dekarbonisierung im Detail

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​​​​​​​veröffentlicht am 27. März 2024


 

Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) ist gemeinsam mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum 01.01.2024 in Kraft getreten.

 
Die Wärmeversorgung in Deutschland beruht auch im Jahr 2024 überwiegend auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe. Dies begründet nicht nur einen erheblichen CO₂-Ausstoß, sondern fördert auch die Abhängigkeit der deutschen Wärmeversorgung zum Ausland. Für eine zukunftssichere, verlässliche und bezahlbare Wärmeversorgung soll zukünftig nur noch auf Erneuerbare Energien und die Nutzung unvermeidbarer Abwärme aus z. B. Industrieanlagen und Rechenzentren gesetzt werden. So ist Ziel des Wärmeplanungsgesetzes, die treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045 zu erreichen.

 
In Umsetzung dieses Ziels statuiert das WPG neben den Vorgaben für Länder und Kommunen bei der Erstellung von Wärmeplänen zahlreiche Vorgaben für die Betreiber von Wärmenetzen. Neben dem zukünftig in Wärmenetzen einzuhaltenden Anteil erneuerbarer Energien und Abwärme betreffen diese insbesondere die Verpflichtung der Wärmeversorger zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen. Das WPG begründet einen zeitnahen und konkreten Handlungsbedarf sowohl für bestehende als auch neue Wärmenetze. Gerne geben wir Ihnen einen Überblick.

 

1. Anforderungen an den Anteil erneuerbarer Energien und Abwärme in bestehenden Wärmenetzen, § 29 Abs. 1 WPG​​

Die Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze erfolgt grundsätzlich in drei Schritten: Bereits ab dem 01. Januar 2030 muss die jährliche Nettowärmeerzeugung eines Bestandsnetzes zu einem Anteil von mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden, § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG. Bis zum 01. Januar 2040 ist dieser Anteil auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen, § 29 Abs. 1 Nr. 2 WPG. Schlussendlich muss ab dem 01. Januar 2045 jedes Wärmenetz vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden. Ergänzend wurde der grundsätzlich zulässige Anteil der Biomasse an der jährlich erzeugten Wärmemenge in Wärmenetzen mit einer Länge von mehr als 50 Kilometern ab dem 1. Januar 2045 auf maximal 15 Prozent begrenzt. Die Ausnahmeregelungen für Bestandsanlagen bzw. die thermische Abfallbehandlung sind entsprechend zu berücksichtigen.

 
Unter den Voraussetzungen der § 29 Abs. 2 bis 5 WPG sind Ausnahmen und Fristverlängerungen möglich. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist vom Betreiber des Wärmenetzes gegenüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde zu bestätigen. Auch der an das Wärmenetz angeschlossene Kunde kann vom Betreiber des Wärmenetzes einen geeigneten Nachweis über die Einhaltung der Anforderungen des § 29 WPG verlangen. Wichtig ist: Ein Kunde, der an ein Wärmenetz angeschlossen ist, das nicht den Anforderungen des § 29 WPG entspricht, hat grundsätzlich das Recht, sich von dem Wärmenetz abzukoppeln, um sich mit Wärme aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus zu versorgen. Die Nichteinhaltung der Vorgaben des § 29 WPG kann damit zur Beendigung des Versorgungsverhältnisses führen.

 
Die Vorschriften der § 29 Abs. 2 bis 5 WPG begründen folgende Ausnahmen und Möglichkeiten zur Fristverlängerung:

 
1.1 Möglichkeit der Fristverlängerung infolge Härtefallregelung, § 29 Abs. 2 WPG
Die nach Landesrecht zuständige Behörde soll auf Antrag durch Bescheid eine Verlängerung der Frist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG (30 % EE-Anteil bzw. Abwärme) bis längstens zum Ablauf des 31. Dezember 2034 oder der Frist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 WPG (80 % EE-Anteil bzw. Abwärme) bis längstens zum Ablauf des 31. Dezember 2044 gewähren, wenn die Einhaltung der Vorgaben im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen würde.

 
Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn sich eine Maßnahme, die für die geplante Dekarbonisierung erforderlich ist, verzögert und der Wärmenetzbetreiber dies nicht zu vertreten hat. Ergänzend setzt die Fristverlängerung voraus, dass ein Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplan nach § 32 WPG vorliegt, der Wärmenetzbetreiber darlegt, wie die Vorgaben des § 29 Abs. 1 WPG im Rahmen der Fristverlängerung erreicht werden, und die Einhaltung des übergeordneten Ziels des § 31 Abs. 1 WPG (treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bis zum 01. Januar 2045) nicht gefährdet ist.

 
1.2 Möglichkeit der Fristverlängerung infolge Komplexität der umzusetzenden Maßnahme
Eine weitere Möglichkeit der Fristverlängerung besteht infolge der Komplexität der umzusetzenden Maßnahme. So muss abweichend von § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG die jährliche Nettowärmeerzeugung für ein Wärmenetz bis zum Ablauf des 31. Dezember 2034 zu einem Anteil von mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist wer-den, wenn der Wärmenetzbetreiber eine komplexe Maßnahme umsetzt, die für die geplante Dekarbonisierung erforderlich ist, und darlegt, dass eine Realisierung aufgrund von aufwändigen Planungs- und Genehmigungsverfahren nicht zu dem in § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG genannten Zeitpunkt möglich wäre.

 
Eine Maßnahme ist insbesondere dann komplex, wenn eine Genehmigung nach dem Bundesberggesetz erforderlich ist, eine Genehmigung nach dem Wasserhaushaltsgesetz erforderlich ist und die Erlaubnis oder Bewilligung nicht innerhalb von zwei Jahren erfolgt oder Investitionen im Umfang von mindestens 150 Millionen Euro durchgeführt werden. Der Wärmenetzbetreiber muss die komplexe Maßnahme der nach Landesrecht zuständigen Behörde bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 anzeigen und bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 mit dem Bau begonnen haben.

 
1.3 Ausnahme der Versorgung gewerblicher oder industrieller Verbraucher mit Prozesswärme
Weiterhin sind die Vorgaben des § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG, wonach bereits ab dem 01. Januar 2030 die jährliche Nettowärmeerzeugung eines Bestandsnetzes zu einem Anteil von mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden muss, nicht anzuwenden für Bestandsnetze, welche die Versorgung gewerblicher oder industrieller Verbraucher mit Prozesswärme zum Gegenstand haben.

 
Wichtig ist: Diese Ausnahme entbindet nicht von der Vorgabe, dass die jährliche Nettowärmeerzeugung auch in diesen Netzen ab dem 1. Januar 2040 zu einem Anteil von mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden muss. Gleiches gilt für die Vorgabe des § 31 Abs. 1 WPG, wonach jedes Wärmenetz spätestens zum 01. Januar 2045 vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden muss.

 
1.4 Modifizierung der Vorgaben bei KWK-Anlagen
Schlussendlich besteht eine Modifizierung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG in Bezug auf KWK-Anlagen. Abweichend von § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG (30 % EE-Anteil bzw. Abwärme) ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2034 für ein Wärmenetz, das mit einem Anteil von mindestens 70 Prozent mit Nutzwärme gespeist wird, die dem durch den Einsatz fossiler Energieträger aus einer geförderten Anlage im Sinne des KWK jährlich erzeugten zuschlagsberechtigten KWK-Strom entspricht, die Pflicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 WPG mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die übrige in das Wärmenetz gespeiste Wärme aus erneuerbarer Energie, aus unvermeidbarer Abwärme oder aus einer Kombination aus bei-dem zu erzeugen ist.

 

2. Anforderu​ngen an den Anteil erneuerbarer Energien und Abwärme in neuen Wärmenetzen, § 30 WPG

Die Anforderungen an den Anteil erneuerbarer Energien und Abwärme in noch zu errichtenden Wärmenetzen ergeben sich aus § 30 WPG. Grundsätzlich muss jedes neue Wärmenetz ab dem 1. März 2025 zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent der jährlichen Nettowärmeerzeugung mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden.

 
Ergänzend wurde der grundsätzlich zulässige Anteil der Biomasse an der jährlich erzeugten Wärmemenge in Wärmenetzen mit einer Länge von mehr als 50 Kilometern ab dem 1. Januar 2024 auf maxi-mal 25 Prozent begrenzt. Im Zieljahr 2045 ist der maximale Biomasse-Anteil gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 WPG von 15 Prozent in Wärmenetzen mit einer Länge von mehr als 50 Kilometern begrenzt. Die Ausnahmen nach § 31 Abs. 2 S. 2 WPG für Bestandsanlagen und die thermische Abfallbehandlung sind entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift des § 29 Abs. 7 WPG gilt entsprechend, dass auch im Fall der Nichteinhaltung der Vorgaben des § 30 WPG die Beendigung des Versorgungsverhältnisses droht.

 

3. Verpflichtung zur ​Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen, § 32 WPG

Neben den Anforderungen in Bezug auf den Anteil erneuerbarer Energien und Abwärme in bestehen-den und neuen Wärmenetzen, trifft die Wärmeversorger seit dem 01. Januar 2024 die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen.

 
Konkret ist gemäß § 32 Abs. 1 WPG jeder Betreiber eines Wärmenetzes, das nicht bereits vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist wird, verpflichtet, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 für sein Wärmenetz einen Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplan zu erstellen und der zuständigen Behörde vorzulegen.

 
Der Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplan muss den in Anlage 3 des WPG bestimmten Anforderungen entsprechen. Er ist auf der Internetseite des Betreibers des Wärmenetzes zu veröffentlichen. Auch ist der Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplan spätestens alle fünf Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten und zu aktualisieren.

 
Auch in Bezug auf die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen sind Ausnahmen möglich, welche wir Ihnen im Folgenden vorstellen möchten:

 
3.1 Transformationsplan, Machbarkeitsstudie, BEW-Förderantrag bis 31. Dezember 2025
Die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen besteht nicht für den Betreiber eines Wärmenetzes, für das ein Transformationsplan oder eine Machbarkeitsstudie im Sinne des BEW erstellt wurde und für das der Betreiber des Wärmenetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 einen Antrag auf Förderung nach Nummer 4.1 (Modul 1) der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze – „BEW“ beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gestellt hat.

 
3.2 Transformationsplan, Machbarkeitsstudie, bestandskräftiger BEW-Förderbescheid bis 31. Dezember 2026
Die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen besteht ferner nicht für den Betreiber eines Wärmenetzes, für das ein Transformationsplan oder eine Machbarkeitsstudie im Sinne des BEW erstellt wurde und für das der Transformationsplan oder die Machbarkeitsstudie vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle durch bestandskräftigen Förderbescheid auf einen Antrag nach Nummer 4.2 (Modul 2) der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze – „BEW“ spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 gebilligt wurde.

 
3.3. Wärmenetze mit einer Länge von maximal 1 Kilometer
Schlussendlich besteht die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen nicht für den Betreiber eines Wärmenetzes, das über eine Länge von maximal 1 Kilometer verfügt.

 
Das WPG stellt Wärmeversorger in den kommenden Jahren vor nicht unerhebliche Herausforderungen. Sprechen Sie uns gerne an, wir unterstützen Sie sowohl rechtlich als auch operativ bei der Umsetzung der Vorgaben des Wärmeplanungsgesetzes, der Erstellung von Transformationsplänen nach dem BEW und der Beantragung von Fördermitteln.

 

 

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