BNetzA-Eckpunktepapier zur Neuregelung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes für Investitionen ab dem Jahr 2024

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veröffentlicht am 19. April 2023

 

Die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur hat ein Konsultationsverfahren für ein Eckpunktepapier für die Festlegung der kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatz gestartet. Die Frist für die Konsultation läuft bis zum 28.04.23.


Hintergrund für das Eckpunktepapier ist, dass Verteilernetzbetreiber - insbesondere seit dem inflationsbedingten starken EZB-Zinsanstiegs - bemängeln, dass mit Investitionen in die Verteilnetze derzeit keine marktgerechte Rendite erwirtschaftet werden kann und mehr Anreize geschaffen werden müssen, damit die für die Energiewende und Umsetzung der Klimaneutralität erforderlichen umfangreichen Investitionen auch finanziert und tatsächlich umgesetzt werden können.


Aufgrund des Vergangenheitsbezugs der für Investitionen anzuwendenden Zinssätze (Durchschnitt der letzten zehn Jahre zum Stand des Basisjahres) kommt es zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen den für Investitionen bisher geltenden Zinssätzen und den aktuell am Markt anzutreffenden Zinsbedingungen. Die über die Regulierung zugestandenen Zinssätze liegen erheblich unter den aktuell an den Finanzmärkten realisierten Zinskonditionen und den bei Investitionsmaßnahmen von Banken geforderten Fremdkapitalzinssätzen.


Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit der letzten EnWG-Novelle im Dezember 2022 in § 118 Abs. 46d EnWG der BNetzA die Möglichkeit eingeräumt, Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes für Verteilernetzbetreiber zu treffen, die von den Vorgaben der StromNEV und GasNEV abweichen. Diese Möglichkeit greift die Bundesnetzagentur nun auf und hat ein Eckpunktepapier für die Festlegung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes im Kapitalkostenabgleich für neue Investitionen gestartet.


Der neue Ansatz für Verteilernetzbetreiber orientiert sich nun am Vorgehen für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber (§ 10a Abs. 7 S. 4-8 ARegV). Dabei wird das arithmetische Mittel der folgenden Umlaufsrenditen bzw. Zinsreihen der Deutschen Bundesbank angewendet:

  1. Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen — Anleihen von Unternehmen und
  2. Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften über 1 Million Euro, bei einer anfänglichen Zinsbindung mit einer Laufzeit von über einem Jahr bis zu fünf Jahren.


Das folgende Diagramm gibt eine Übersicht über die Entwicklung dieser Umlaufsrenditen bzw. Zinsreihen:

 

 

Abbildung 1: Entwicklung der zugehörigen Umlaufsrendite bzw. Zinsreihe einschließlich des arithmetischen Mittels seit 2018

 

 


Abbildung 2: Entwicklung der 1-Jahresmittelwerte seit 2018


Somit zeigt sich, dass ein kalkulatorischer Fremdkapitalzinssatz für das Jahr 2022 von 2,90 % und für den Zeitraum 01.01.23 bis 28.02.23 von 4,09 % anzuwenden wäre.


Diese kalkulatorischen Fremdkapitalzinssätze sind deutlich marktnäher als die bisher gültigen kalkulatorischen Fremdkapitalzinssätze. Gem. § 10a Abs. 7 ARegV i.V.m. § 7 Abs. 7 StromNEV bzw. § 7 Abs. 7 GasNEV gilt für Verteilernetzbetreiber bisher der Zehn-Jahres-Durchschnitt des gewichteten Mittelwertes der folgenden Umlaufsrenditen:

 

  1. Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen – Anleihen der öffentlichen Hand und
  2. Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen – Anleihen von Unternehmen (Nicht-MFIs)


Die unter 2. genannten Umlaufsrenditen der Anleihen von Unternehmen (Nicht-MFIs) werden zweifach und die Anleihen der öffentlichen Hand einfach gewichtet.


Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung dieser Umlaufsrenditen als 1-Jahres-Durchschnitt sowie als Zehn-Jahres-Durchschnitt:

 

Abbildung 3: Entwicklung der Umlaufsrenditen seit 2013 gemäß §7 Abs. 7 StromNEV/GasNEV

 

Darin ist erkennbar, dass bis zum Jahr 2021 die Zehn-Jahres-Durchschnittswerte oberhalb der 1-Jahres-Durchschnittswerte und seit 2022 erstmalig die 1-Jahres-Durchschnittswerte oberhalb der Zehn-Jahres-Durchschnittswerte lagen.


Im folgenden Diagramm sind die 1-Jahres-Durchschnittswerte des BNetzA-Eckpunktepapiers mit den 1-Jahres- und Zehn-Jahres-Durchschnittswerten gem. § 7 Abs. 7 StromNEV/GasNEV verglichen:

 

Abbildung 4: Entwicklung der Zeitreihen 1-Jahres-durchschnitt/Zehn-Jahres-Durchschnitt

 

Demnach liegt das arithmetische Mittel der 1-Jahres-Zeitreihen des BNetzA-Eckpunktepapiers um ca. 0,3 – 0,6 % über dem gewichteten 1-Jahres-Mittel gem. § 7 Abs. 7 StromNEV/GasNEV. Damit ergibt sich ein begrenzter Vorteil für die Verteilernetzbetreiber durch die Anpassung der Zeitreihen.

 

Der Haupteffekt ergibt sich aber durch die Anwendung des 1-Jahres-Durchschnitts anstelle des Zehn-Jahres-Durchschnitts.


Wenn die neuen Berechnungsregeln bereits im Jahr 2022 angewandt worden wären, hätte der kalkulatorischer Fremdkapitalzinssatz 2,9 % anstelle 1,7 % betragen.


Allerdings stellt sich die Frage, ob diese neue Kalkulationsmethode des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes tatsächlich die Marktsituation für Verteilernetzbetreiber adäquat abbildet.
Von zahlreichen Netzbetreibern werden KfW-Förderkredite für Investitionen genutzt. Insbesondere das KfW-Kreditprogramm 148 wird von kommunalen Unternehmen regelmäßig zur Finanzierung von Investitionen von Netzbetreibern verwendet. Die aktuellen Konditionen (Stand: 17.04.2023) liegen für eine Zinsbindung von 5 bzw. 10 Jahren für die Preisklasse A bei 4,09 % und für die Preisklasse B bei 4,49 %. Bei einer Laufzeit von 30 bzw. 20 Jahren und einer Zinsbindung von 20 Jahren liegen die Konditionen bei 4,61 % bzw. 4,96 % für Preisklasse A und bei 5,01 % bzw. 5,36 % für Preisklasse B.


Genaue Analysen zur Entwicklung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes aus dem Eckpunktepapier im Vergleich zu marktüblichen Darlehenskonditionen (z.B. KfW-Förderkredite) müssen noch durchgeführt werden. Allerdings ist anzunehmen, dass der geplante kalkulatorische Fremdkapitalzinssatz bei Krediten mit langer Laufzeit und langfristiger Zinsbindung nicht die tatsächlichen Fremdkapitalkosten widerspiegelt. Hier sollten Verteilernetzbetreiber ihre Finanzierung von Investitionen entsprechend optimieren.


Darüber hinaus sieht das Eckpunktepapier vor, dass die Veränderungen erst ab 01.01.2024 angewandt werden sollen. Um Investitionen auch schon im Jahr 2023 anzuregen, sollte die Neuregelung allerdings bereits im Jahr 2023 gelten. Ansonsten entstehen Anreize, für das Jahr 2023 geplante Investitionen auf das Jahr 2024 zu verschieben, um höhere Renditen erwirtschaften zu können. Dieser Anreiz ist allerdings nicht zielführend, weil auch im Jahr 2023 bereits dringend Investitionen insbesondere in die Stromverteilernetze erforderlich sind, um den Erfordernissen der Energiewende und der Klimaneutralität bis 2045 gerecht zu werden.


Die Beschränkung der Anpassung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes auf Investitionen ab dem Jahr 2024 und die Eingrenzung auf den Kapitalkostenaufschlag ist ebenfalls zu kritisieren. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Verteilernetzbetreiber, die eine höhere kalkulatorische Eigenkapitalquote als 40 % haben, weiterhin nur die Zinssätze gem. § 7 Abs. 7 StromNEV bzw. GasNEV erhalten. Damit würden Investitionen vor und nach 2024 zukünftig unterschiedlich behandelt, was rechtlich kritisch gesehen werden muss. Aufgrund der in den nächsten Jahren anstehenden massiven Investitionen insbesondere in Stromnetze und des zugehörigen immensen Finanzierungsbedarfs sollte diese Ungleichbehandlung schnellstmöglich aufgelöst werden.

 

Die Investitionskraft der Verteilernetzbetreiber sollte vielmehr insgesamt gestärkt werden, um das erforderliche Eigenkapital für Investitionen bereitstellen zu können und die Ertragskraft entsprechend zu verbessern.


Außerdem sollten die Verzinsungsgrundsätze des kalkulatorischen Vermögens grundsätzlich hinterfragt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum beim kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatz für Investitionen ab 01.01.2024 auf den jeweiligen 1-Jahresdurchschnitt der Zinsreihen Bezug genommen wird, für Investitionen bis 31.12.2023 und auch für den Eigenkapitalzinssatz I gem. § 7 Abs. 5 StromNEV/GasNEV aber weiterhin der historische Zehn-Jahres-Durchschnitt Anwendung findet. Um eine insgesamt marktnahe Verzinsung aller Finanzierungsbestandteile zu ermöglichen, sollte sich alle CAPEX-Bestandteile auf den jeweiligen 1-Jahres-Durchschnitt beziehen.
Zum Eckpunktepapier gibt es insgesamt die folgenden Kritikpunkte bzw. Themen, die überprüft werden sollten:

  • Marktgerechtigkeit des anvisierten kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes
  • Anpassung der Zinssätze erst ab 2024
  • Beschränkung auf Investitionen ab dem Jahr 2024
  • Anwendung des 1-Jahres-Durchschnitts auf alle regulatorischen Zinssätze (auch EK I und EK II)


Fazit


Das BNetzA-Eckpunktepapier zur Festlegung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes ist grundsätzlich zu begrüßen und insgesamt vorteilhaft für Verteilernetzbetreiber im Vergleich zu den bisherigen Regelungen. Der Haupteffekt ergibt sich durch den Verzicht auf den historischen Zehn-Jahres-Durchschnitts und stattdessen durch die Bezugnahme auf den marktnäheren 1-Jahres-Durchschnitt. Allerdings ist zu hinterfragen,

  • ob die zugrunde liegenden Zinsreihen tatsächlich die üblichen Zinskonditionen für Verteilernetzbetreiber widerspiegeln,
  • die Umsetzung erst ab 01.01.2024 Anwendung finden sollte und
  • ob sich nicht alle regulatorischen Zinssätze auf den jeweiligen Jahresdurchschnitt und nicht einen historischen Zehn-Jahres-Durchschnitt beziehen sollten.


Weiteres Vorgehen


Zu diesen Themen plant Rödl & Partner, eine Stellungnahme vorzubereiten. So soll erreicht werden, dass die Bundesnetzagentur noch Anpassungen vornimmt, damit die erforderlichen Investitionen tatsächlich angeregt und marktgerecht verzinst werden. Wir freuen uns, wenn Sie sich an dieser Stellungnahme beteiligen.


Am Montag, den 24.04.2023 von 11.00 Uhr bis 11.30 Uhr findet ein kostenloses Ad-hoc-Webinar statt, bei dem wir die Auswirkungen dieses Eckpunktepapiers für Verteilernetzbetreiber analysieren und im Detail die Kritikpunkte und Anregungen für die Stellungnahme erläutern. Wir freuen uns, Sie zum Ad-hoc-Webinar begrüßen zu dürfen. Weitere Informationen finden Sie hier.

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