BGH bestätigt gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht für Fernwärme-Preisanpassungsklauseln

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veröffentlicht am 01. März 2022​

 

Mit Urteil vom 26. Januar 2022 (Az. VIII ZR 175/19) hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein wegweisendes Urteil zum Änderungsrecht für Preisanpassungsklauseln in Fernwärmeverträgen gefällt. Danach haben Fernwärmeversorger auch nach Änderung der Verordnung für Allgemeine Bedingungen zur Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) im Oktober 2021 das Recht, ihre Preisanpassungsklauseln auf der Grundlage eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts aus den AVBFernwärmeV einseitig anzupassen.

 

Sachverhalt

Geklagt hatte eine Familie gegen einen Fernwärmeversorger in Schleswig-Holstein, der seine vertragliche Preisgleitklausel durch einseitige Bestimmung auf der Grundlage des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts nach § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV änderte. In der Vorinstanz hatte das Landgericht Lübeck zugunsten der Familie entschieden und die neue Indexformel des Lieferanten ohne Änderungskündigung für ungültig erklärt. Der BGH hingegen hat geurteilt, dass eine öffentliche Bekanntmachung ausreichend sei.

 

Gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht als sachgerechtes Änderungsinstrument

Bis zur Veröffentlichung der Urteilsbegründung wird wohl noch einige Zeit vergehen. Dennoch hat das Urteil bereits jetzt für Erleichterung in der Fernwärmebranche gesorgt. In der mündlichen Verhandlung ist nach Pressemeldungen bereits zum Ausdruck gekommen, dass die Richter einseitige Preisklauseländerungen ermöglichen wollen. Denn bliebe dem Versorger nur die Möglichkeit, über eine Kündigung seine Konditionen zu ändern, so könnten Verbraucher am Ende ohne gültigen Fernwärmelieferungsvertrag dastehen. Eine leidvolle Erfahrung, die aktuell bereits viele Gas- und Stromkunden in Zeiten von Rekordpreisen im Energiehandel durchmachen. In der Fernwärme wäre dies aber vollkommen unpraktikabel, weil der Kunde dort nicht ohne Weiteres auf ein neues Heizsystem umstellen kann. Fernwärmelieferverträge sind üblicherweise mit einer langen Laufzeit ausgestaltet. Diese bindet den Kunden nicht nur, sie sichert ihn auch ab, da er sich auf eine langfristige Versorgung mit Fernwärme verlassen kann. Fernwärmeversorgung bringt aufseiten der Kunden das Problem mit sich, dass bei einer Kündigung durch den Versorger nicht ohne größere Umbauten auf andere Heizsysteme umgestellt werden kann. Es sollte daher möglichst verhindert werden, dass Kunden nur aus Gründen der Notwendigkeit einer Klauselanpassung plötzlich ohne Fernwärmeversorger dastehen.

 

Soll also eine Klausel angepasst, der Vertrag aber nicht gleichzeitig gekündigt und vielleicht sogar die Lieferung eingestellt werden, muss der Versorger auch weiterhin die Möglichkeit haben, ohne Mitwirkung der Kunden Änderungen an den Preisgleitklauseln im Vertrag vorzunehmen. Eine Kundenbeteiligung bei Vertragsänderungen klingt im ersten Moment vorteilhaft für die Kunden, insbesondere wenn diese Verbraucher sind. In der Realität kommt es bei Zustimmungsbedürfnissen aber häufig zu Verzögerungen und Problemen, die im Endeffekt dazu führen, dass die Kunden (zumindest vorübergehend) nicht mit Fernwärme versorgt werden.

 

Aufgrund der umweltpolitischen Vorgaben haben sich gerade in jüngster Zeit die Kosten vieler Fernwärmeversorger geändert. Die Kosten des nationalen Emissionshandels, die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung und Energieeinsparungen bei den Letztverbrauchern führen zu einer Veränderung bisheriger Gestehungskosten Verhältnisse. Nach den Vorgaben des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV müssen Preisänderungsklauseln zur Wahrung der Kosten orientiert bleiben. Stellt ein Versorger beispielsweise seine Fernwärmeerzeugung von einem fossilen Brennstoffe auf regenerative Primärenergieträger um, würde die Preisgleitklausel rechtswidrig werden. In Zeiten der Wärmewende müssen unkomplizierte Änderungen von Preisgleitklauseln möglich bleiben. Eine Versorgung ohne Möglichkeit der Preisanpassung würde die Leistungsfähigkeit des Versorgers gefährden.

 

Auswirkungen auf die AVBFernwärmeV-Novelle

Seit dem 5. Oktober 2021 ist mit § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV eine neue Regelung in Kraft getreten, wonach eine einseitige Leistungsbestimmung von Preisgleitklauseln nicht durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen darf. Der Passus war seinerzeit auf Drängen des Bundesrates aufgenommen worden, mit Verweis auf ein älteres Urteil des BGH aus dem Jahr 2017 (Az. VIII ZR 268/15), dass der Gesetzgeber als Indiz gegen das Bestehen eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts bewertete. Positiv ist, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2022 bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußert hat, dass sich seine Rechtsauffassung auch nicht durch Inkrafttreten des neuen § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV ändert. Zwar ist das Urteil des BGH noch zur alten Rechtslage ergangen, doch die Befürchtungen, dass § 24 Abs. 4 Satz AVBFernwärmeV n.F. als ein Verbot der Anpassung von Preisgleitklauseln durch einseitige Leistungsbestimmungen ausgelegt werden könnte, ist durch die Zurückweisung der Auslegung der bisherigen BGH-Rechtsprechung durch den Verordnungsgeber mit dem aktuellen Urteil aber der Boden entzogen worden.

 

Insofern bleibt jedoch abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber auf das neue Urteil in der bereits angekündigten weitere Novellierung der AVBFernwärmeV reagieren wird. Dabei wäre sowohl eine Korrektur der Rechtsprechung durch ein ausdrückliches Verbot der Leistungsanpassung als auch eine ausdrückliche Normierung der nur im Wege der höchstrichterlichen Gesetzesauslegung festgestellten Leistungsbestimmungsrechte denkbar. Fernwärmeversorger sind deshalb dennoch gut beraten, ihre allgemeinen Versorgungsbedingungen durch vertragliche Preisgleitklauselbestimmungsrechte zu ergänzen oder häufig bereits vorhandene Klauseln an die neue Rechtsprechungs- und Gesetzeslage anzupassen. Noch hat das zuständige Wirtschaftsministerium keinen offiziellen Entwurf vorgelegt.

 

Wie in der letzten AVBFernwärmeV-Novelle werden auch die Bundesländer und die Konferenz der Verbraucherschutzministerien auf die neue Rechtsprechungslage reagieren müssen. Die Fernwärmebranche wartet bereits seit Herbst 2021 auf ein entsprechendes Papier, im Laufe dieses Monats soll es wohl einen offiziellen Entwurf geben, der von allen Seiten mit Spannung erwartet wird.

 

 

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